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Biologie - Botanik Pilze
Ausländische Pilze breiten sich in der Schweiz aus 2016
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Ausländische Pilze breiten sich in der Schweiz aus

In der Schweiz gibt es immer mehr Pilze, die hier ursprünglich nicht vorkamen. Forschende der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL haben erstmals eine umfassende Bestandsaufnahme dieser "neuen Pilze", der sogenannten Neomyceten, erstellt. Unter den gut 300 Arten finden sich viele Parasiten von Garten- und Wildpflanzen, einige geniessbare Pilze - und sogar die eine oder andere Kuriosität.

Der globale Handel und die Klimaerwärmung erleichtern es nicht nur gebietsfremden Pflanzen und Tieren, sondern auch Pilzen, sich in der Schweiz auszubreiten. Manche richten grossen wirtschaftlichen und ökologischen Schaden an, zum Beispiel sterben beim Eschentriebsterben oder dem Kastanienrindenkrebs viele der befallenen Bäume frühzeitig ab. Da die eingeschleppten Pilze kaum bekannt sind, hat das Bundesamt für Umwelt (BAFU) die WSL mit der ersten umfassenden Erhebung in der Schweiz beauftragt.

Die WSL-Pilzexperten Ludwig Beenken und Beatrice Senn-Irlet dokumentieren in ihrem soeben veröffentlichten Bericht rund 300 durch den Menschen eingeschleppte Pilzarten. 13 davon sind neu für die Schweiz, darunter ein auffällig oranger, tropischer Hutpilz (Favolaschia calocera), der letztes Jahr im Tessin entdeckt wurde. Die meisten Neomyceten stammen ursprünglich aus Nordamerika, Asien oder dem Mittelmeerraum. Von vielen ist die Herkunft indes unbekannt.

Krankheiten und Kuriositäten

Drei Viertel der Neulinge sind Parasiten, die auf ebenfalls nicht in der Schweiz heimischen Pflanzen leben. "Viele Neomyceten sind Krankheitserreger von Gartenpflanzen", erklärt Beenken. "Sie dürften zusammen mit ihren Wirtspflanzen über den Pflanzenhandel nach Europa und entweder über den Handel oder den Sporenflug auch in die Schweiz gekommen sein." Die meisten kommen im Mittelland vor, wo viele Menschen leben und Gärten bepflanzen. Immerhin 35 der Neomyceten befallen auch einheimische Pflanzen, wie der Goldrutenrost. Er ist erst seit 2014 in der Schweiz bekannt und ist offenbar von der aus Nordamerika eingeschleppten Frühen Goldrute (Solidago gigantea) auf die heimische Goldrute (S. virgaurea) übergesprungen.

Nur zehn der beschriebenen Arten leben in beidseitig vorteilhafter Gemeinschaft mit Baumwurzeln (Mykorrhiza-Symbiose), wie es viele der bekannten heimischen Hutpilze tun, zum Beispiel der essbare Elfenbeinröhrling. Es scheint, als hätten es ausländische Symbiosepilze eher schwer, sich bei heimischen Bäumen anzusiedeln. "Vermutlich sind die Lebensgemeinschaften mit hiesigen Pilzen sehr robust", sagt Senn-Irlet.

Immerhin ein Fünftel der Neomyceten lebt von abgestorbenem Pflanzenmaterial (saprotrophe Pilze) und richtet keine Schäden an. Dazu gehört der auffällige feuerrote, nach Aas stinkende Tintenfisch-Pilz Clathrus archeri, der einem kopfüber im Boden steckenden Tintenfisch gleicht. Er stammt aus Australien und wurde 1942 das erste Mal in der Schweiz nachgewiesen. Inzwischen kommt er im ganzen Jura und im Voralpenbogen vor. Verwandt und ebenfalls übelriechend ist der im Mittelmeerraum heimische Rote Gitterling, der entfernt an einen roten Unihockey-Ball erinnert. Er ist bereits seit 1870 in der Schweiz bekannt.

Entwischte Zauberpilze

Viele der saprotrophen Pilze wurden wohl mit Holzlieferungen, Verpackungsholz oder Holzschnitzeln nach Europa eingeführt, vermuten Beenken und Senn-Irlet. Der Eidgenössische Pflanzenschutzdienst kontrolliert Importe lediglich auf Quarantäneorganismen, die grosse Schäden im Waldbau, in Baumschulen oder der Landwirtschaft anrichten. In freier Wildbahn trifft man aber auch aus Zuchten entwischte Speisepilze an wie den Rotbraunen Riesen-Träuschling. Ebenfalls aus Zuchten - wenn auch illegalen - dürfte der "Zauberpilz" Psilocybe cyanescens stammen, ein halluzinogener Rauschpilz. Eine Gefahr für Pilzsammler stellt der Parfümierte Trichterling aus Nordafrika dar, der schwere Vergiftungen verursacht und leicht mit den heimischen Trichterlingen und Rötelritterlingen verwechselt werden kann.

Manche der Neomyceten sind schon seit langem im Lande, seit dem 19. oder frühen 20. Jahrhundert. "Das Eindringen neuer Pilze in die Schweiz ist zwar kein neues Phänomen, doch es passiert immer häufiger", sagt die Pilzwissenschaftlerin Beatrice Senn. Der auffällig orange-gelbe Leuchtende Weichporling zum Beispiel, der an toten Baumstämmen wächst und anscheinend keine Schäden anrichtet, ist seit 1973 in der Schweiz nachgewiesen. Seit 2004 jedoch breitet er sich explosionsartig von Westen nach Osten aus. Von den 300 Neomyceten im Bericht sind die meisten entweder bereits etabliert oder äusserst selten. Nur sieben Arten rücken effektiv noch weiter vor.

Eschentriebsterben ist etabliert

Beunruhigend ist die rasante Verbreitung von Krankheitserregern, zum Beispiel dem Eschentriebsterben. Der aus Ostasien eingeschleppte Pilz befällt Blätter und Stämme der Esche,dem nach der Buche zweihäufigsten Laubbaum in Schweizer Wäldern, was zum Tod des Baumes führt. 2008 erstmals bei Basel nachgewiesen, breitete sich die Krankheit innert weniger Jahre auf der Alpennordseite aus und tritt seit 2013 auch auf der Südseite auf. 90 Prozent aller Eschenbestände sind heute betroffen. In einem neuen Merkblatt für die Praxis informiert die WSL über die Krankheit und empfiehlt Massnahmen, mit denen sich die Verbreitung der Krankheit eindämmen lässt. Senn-Irlet und Beenken listen acht solche Pilze auf, die als gefährliche, invasive Krankheitserreger (sogenannte EPPO-Arten) eingestuft werden - darin sind Pilzkrankheiten von landwirtschaftlichen Kulturpflanzen nicht eingeschlossen. "Die hiesigen Pflanzen sind offensichtlich nicht an die Erregerpilze angepasst und können sie nicht abwehren", sagt Beenken. Gegen sie sind Einfuhrkontrollen und Massnahmen wie etwa das Begasen oder Erhitzen von importierten Holzprodukten Vorschrift. Solche Pilze erforscht und diagnostiziert die WSL in ihrem Hochsicherheits-Pflanzenschutzlabor.

Ungewollter Import nimmt zu

Der ungewollte Import von Pilzen in die Schweizer Umwelt wird in Zukunft weiter zunehmen, sagen die Wissenschaftler. "Je mehr lebende Pflanzen transportiert werden, desto mehr kommen auch ihre 'Begleiter' mit", sagt Senn-Irlet. Um die Einschleppung neuer Neomyceten vorzubeugen, sollten Importe lebender Pflanzen, aber auch Substrate wie Holz und Erde, umfassender kontrolliert werden als es derzeit der Fall ist, empfehlen sie.

Quelle: Text Eidg. Forschungsanstalt WSL, August 2016
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