Kultur und Religion
Kultur - Geschichte
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Kultur und Geschichte
1291 - 1848 Geschichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft
1848 - 1874 Geschichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft
Europa Rückblick in die Geschichte einige Ereignisse im 18. bis 20. Jahrhundert
Die Säumerei und der Käsehandel nach Oberitalien 13. bis 15. Jahrhundert
Regelung des Grenzverlaufs im westlichen Tessin nach nichttopografischen Gesichtspunkten um 1800
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Geschichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1291 - 1874
Schloss Lenzburg (Kanton Aargau) mit Berner Wappen

Geschichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1291 - 1848

Die heutige Schweiz kann auf eine äusserst wechselvolle Geschichte zurückblicken. Die Festigung und Befriedung des heutigen Staatsgebildes dauerte viele Jahrhunderte. Während 500 Jahren wurde das Gebiet der heutigen Schweiz von Machtkämpfen, Intrigen und von vielen gegensätzlichen Entwicklungen geprägt.

Die Gegensätze zwischen ländlichen und städtischen, reformierten und katholischen, konservativen und liberalen sowie zwischen armen und reichen Gebieten führten immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen.

Demokratische Regierungsformen entwickelten sich eher in den ländlichen Gebieten. In den Städte herrschten autokratische Kreise.

Alte Eidgenossenschaft: Ein Zweckbündnis von Talgemeinschaften

Die Alte Eidgenossenschaft wurde 1291 als loses Zweckbündnis von Talgemeinschaften der Zentralschweiz gegründet. Den Kern dieses Bündnisses bildeten die drei Urkanton Uri, Schwyz und Unterwalden.

Kantone der Schweizerischen Eidgenossenschaft
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Im Mittelalter hatte sich im Talkessel von Schwyz, im Muotatal und um den Lauerzersee eine eigenständige Talgemeinde entwickelt, die sich mit Uri und Unterwalden zur Urschweizer Eidgenossenschaft zusammenschloss.

Der von den Innerschweizer Ständen Uri, Schwyz, Unter- und Obwalden gegen den Machthunger der Grafen von Habsburg beschlossene und im Bundesbrief von 1291 beschriebene «Bund der Schweizer Eidgenossen» erhielt zu Beginn des 14. Jahrhunderts Zuwachs durch die Städte Bern, Luzern, Zug, Zürich sowie den Stand Glarus.

1415 eroberten die Eidgenossen in einer ersten gemeinsamen und koordinierten Aktion die habsburgischen Gebiete im heutigen Kanton Aargau, welche mehrheitlich südlich und östlich der Aare lagen. Nur das Fricktal überliess man weiterhin den Habsburgern (siehe: 1415 - Eroberung des Aargaus).

Bis 1513 schlossen sich dem Bündnis weitere Kantone an.

Handel und Machtpolitik im 13. bis 15. Jahrhundert
Die Säumerei und der Käsehandel nach Oberitalien
Interessenskonflikte zwischen den 8 Alten Orten der Eidgenossenschaft

Nach Ansicht von Historikern gewann die Sage vom Befreiungshelden Tell erst im 14. Jahrhundert an Populariät. Nach der Chronik im "Weissen Buch" von Sarnen, welches um 1470 erschien, erschoss Tell den Landvogt Gessler in der Hohlen Gasse bei Küssnacht am Rigi . Die Tellskapelle in der Hohlen Gasse wurde 1638 erbaut.

18. Jahrhundert: Heftige innere Auseinandersetzungen unter zahlreichen Beteiligten

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war die Eidgenossenschaft mit heftigen inneren Auseinandersetzungen beschäftigt.

Den Höhepunkt erreichten diese Auseinandersetzungen, welche als Zweiten Villmergerkrieg in die Geschichte eingingen. Der Waffengang fand im Sommer 1712 in den damaligen Freien Ämtern auf dem Gebiet des heutigen Kantons Aargau. Nach der Entscheidungsschlacht vom 25. Juli 1712 wurde am 11. August 1712 zwischen den Beteiligten in Aarau der Vierte Landfrieden geschlossen.

Bis Ende des 18. Jahrhundert bestand das Gebilde, das wir heute Schweiz nennen, aus einer Vielzahl von selbständigen Gebieten.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts beschlossen 9 weitere Kantone, sich der Schweizerischen Eidgenossenschaft anzuschliessen.

Die europäischen Grossmächte wie Russland, Preussen, Frankreich oder Österreich waren häufig in irgendeiner Form an den Ereignissen beteiligt.

Die Französische Revolution von 1789 bis 1799 führte in Europa zu tiefgreifenden macht- und gesellschaftspolitischen Veränderungen. Die Französische Revolutionäre bekannten sich zu den Menschenrechten und strebten gerechtere Gesellschaftsverhältnisse (égalité, fraternité - Gleichheit und Brüderlichkeit) an.

Im Jahr 1799 wurde die Schweizerische Eigenossenschaft in die militärischen Machtkämpfe zwischen den europäischen Grossmächten hineingezogen.

1798: Helvetische Republik - Das Ende der Alten Eidgenossenschaft

Französische Truppen eroberten 1798 die Stadt Bern. Weite Teile des Mittellandes kamen unter französischen Einfluss. Die französischen Besetzer riefen 1798 die Helvetische Republik aus und besiegelten damit das Ende der Alten Eidgenossenschaft, welche noch die alten Gesellschaftideale vom einfachen, von den "gnädigen Herren" abhängigen Volk pflegte. Die katholischen Urkantone (Uri, Schwyz, Unterwalden und Luzern) leisteten den fremden Herren erbitterten Widerstand. Nachblutigen Schlachten eroberten die Franzosen die Innerschweiz.

1798 gründeten Schweizer Revolutionäre mit Hilfe von Frankreichs Herrscher Napoleon die zentralistische Helvetische Republik. Die Ideen der Revolutionäre fanden in der Bevölkerung keinen Rückhalt. Die Helvetische Republik stand als von den französischen Truppen besetztes Land unter der Kontrolle von Paris.

Während der Helvetik (1798 bis 1802) wurde die Souveränität des Alten Eidgenössischen Stände zerschlagen. So wurde das Gebiet des Standes Schwyz den zwei helvetischen Kantonen (Waldstätten und Linth) zugewiesen. In der neuen Republik erhielten die Menschen nach dem französischen Vorbild mehr Rechte. Der ständische Unterschied zwischen städtischen und ländlichen Gebieten wurde aufgehoben.

In den Wirren um die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts zogen grosse französische und russische Heere (wie jenes 1799 unter der Führung des Generals Suworow) durch die Schweiz. Aarau war für kurze Zeit die Hauptstadt der Republik. Es war eine besonders leidvolle Zeit für die Bevölkerung. Im Sommer 1799 standen am östlichen Limmatufer und am Unterlauf der Aare die österreichischen und russischen Truppen, am westlichen Ufer der Limmat das französische Besatzungsheer. Den Franzosen gelang es, an einem Brückenkopf den Fluss zu überqueren. Das von Süden heran marschierende Heer von General Suwarow war durch diesen militärischen Erfolg der Franzosen gezwungen, bereits in den Alpen nach Osten abzudrehen.

Berglandwirtschaft
Bewirtschaftung von Alpgebieten - Verlauf der Kantonsgrenzen in der Urschweiz aufgrund von historischen Entwicklungen
Wirtschaft und Machtpolitik um 1800
Regelung des Grenzverlaufs im westlichen Tessin nach nichttopografischen Gesichtspunkten
Weideflächen im Valle Onsernone und im Valle di Campo wurden an das Königreich Italien übertragen

19. Jahrhundert: Nach dem Sonderbundskrieg entsteht die "moderne"Schweiz

Im Friedensabkommen von Lunéville erreichte Napoleon 1801, dass die Österreicher das heute aargauische Fricktal an die Franzosen abtreten mussten. 1803 wurde das Fricktal mit französischer Hilfe an den neuen Kanton Aargau angegliedert.

In der Folge erhielt die Eidgenossenschaft 1803 unter dem Diktat von Napoleon eine föderalistische Verfassung (Mediationsverfassung), in welcher die Kantone Aargau, Thurgau, St. Gallen, Tessin, Waadt und Graubünden endlich als gleichberechtigte Mitglieder verankert wurden.

Die Mediationsverfassung von 1803 korrigierte Korrektur die zentralistische helvetischen Ordnung. Die von Frankreich zuvor annektierten Kantone Genf und Wallis sowie Gebiete im Jura wurden in die Eidgenossenschaft eingegliedert. Die von Frankreich zuvor annektierten Kantone Genf und Wallis sowie Gebiete im Jura wurden in die Eidgenossenschaft eingegliedert.

Napoleons Feldzug gegen Russlands Zarenreich erwies sich als Pyrrhussieg. Napoleon musste 1812 seine mehr als 140'000 Soldaten zählende Streitmacht mit dem Beginn des harten russischen Winters wieder nach Osten abrücken lassen. Trotz einigen militärtaktischen geschickten Schachzügen wurde der Rückkzug für Frankreichs mächtige Armee zum Desaster.

Napoleon geriet in seinem Heimatland unter den politischen Druck von Kreisen der Oberschicht. Im Volk blieb das Ansehen des grossen Führers nach seinen vielen militärischen Erfolgen in der Vergangenheit intakt. Napoleon setzte sich heimlich mit seinen engsten Vertrauten von seinen auf dem Rückzug befindenden ausgebluteten Truppen nach Frankreich ab, wo er den aufkeimenden Unmut im Keime ersticken wollte. Der Rest der militärischen Führungsstäbe gelang ein wenig später zusammen mit einigen Tausend ausgehungerten Soldaten vor den drei bedrohlich nachrückenden russischen Heeren ins Heimatland zu flüchten. Der Russlandfeldzug kostete nach Einschätzung von Historikern über 600'000 Menschenleben von Zivilisten und Soldaten.

Auf der Basis seiner alten militärischen Führungsstäbe baute Napoleon 1813 eine neue Armee auf, welche 1815 bei Waterloo endgültig vernichtet wurde. Die Schlacht bei Waterloo (auch Schlacht bei Belle-Alliance) vom 18. Juni 1815 war die letzte Schlacht Napoleon Bonapartes. Napoleons und damit Frankreichs Macht in Europa war gebrochen. Die "Grande Nation" verlor ihren Einfluss in Europa. Russland wurde wieder zu einem entscheidenden Machtfaktor in Europa.

Die helvetischen Revolutionäre verloren mit Napoleon ihren wichtigsten Ideengeber und Mentor. Die Phase der Helvetischen Revolution und ihrer Republik wurde unter dem militärischen Druck der 16 Stände der Schweizerischen Eigenossenschaft beendet. Die Eidgenossen entrissen dem geschwächten Frankreich noch einige Gebiete im Westen der Bundesgebiete und gliederten diese als Untertanenbiete dem Staatenbund an.

Nach dem Sturz von Napoleon setzten ab 1815 die restaurativen Kräfte zunächst wieder auf die alte Ordnung.

Der Wiener Kongress von 1815 setze vor allem für den jungen Kanton Aargau wichtige Zeichen. Das noch verletzliche Staatsgebilde dieses Kantons wurde vor allem dank Zürcher Unterstützung nicht unter die Nachbarkanton aufgeteilt. Nach Einschätzung von Historikern trug viel diplomatisches Geschick von Vertretern aus dem Aargau dazu bei, dass das Aufbäumen der Vertreter der alten Ordnung nicht erfolgreiche waren.

Die europäischen Grossmächte anerkannten am Wiener Kongress die Neutralität der Schweiz und bestätigten die noch heute gültigen Landesgrenzen.

Der Bundesvertrag von 1812 fasst die verschiedenen eidgenössischen Bündnisse der 22 beteiligten Kantone zu einem einzigen Staatenbund zusammen.

Die Vertreter der alten Ordnung aus den konservativ-katholischen Kanton und die liberalen Kräfte konnten sich bei Fragen zur Ausgestaltung der neuen Verfassung nicht einigen. Von 1847 bis 1849 bekämpften sich die beiden Seiten im Sonderbundskrieg, einem Bürgerkrieg.

Im Nachgang zum Bundesvertrag von 1812 begannen die konservativen Kantone Zug um Zug die Ende des 18. Jahrhunderts herrschende Ordnung wieder einzuführen. Diese Restauration stiess auf das Missfallen anderer Kantone.

Im Kanton Schwyz führten die Auseinandersetzungen zwischen den restaurativ organisierten Alt-Schwyzern im Kernland und den Bezirken des "äusseren Kantons" zu einer kurzzeitigen Trennung der beiden Kantonsteile. Die eidgenössische Tagsatzung verfügte die Wiedervereinigung der beiden Kantonsteile. Trotz den Gleichstellungsfomulierungen in der Schwyzer Verfassung von 1833 blieb die Vormachtstellung der Alt-Schwyzer, den Leuten aus dem Alten Land oder dem Bezirk Schwyz, bis zur Inkraftsetzung der neuen Bundesverfassung 1848 erhalten.

Am 11. Dezember 1845 schlossen sich die Kantone Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden, Luzern, Zug, Freiburg und Wallis zu einer sogenannten Schutzvereinigung zusammen, den Kern des späteren Sonderbunds. Die Schutzvereinigung wollte keinen Bund akzeptieren, in welchem ihre Gebiete und ihre Souveränität geschmälert wurde.

Die Absicht der Schutzvereinigung widersprach dem Geist des Bundesvertrages von 1815. Dort stand geschrieben, dass die Bundesmitglieder keine Verträge oder Bündnisse zum Nachteil anderer Kantone abschliessen und keine Aktivitäten gegen die Interessen anderer Partner auslösen dürfen.

Der Konflikt zwischen den Konservativen (die Unitarier) und den Liberalen (die Föderalisten) eskalierte Schritt für Schritt zum Sonderbundskrieg. Am 24. Oktober 1847 bestimmte die eidgenössische Tagsatzung den strenggläubigen Genfer Protestanten Guillaume Henri Dufour zum General einer rund 50'000 Soldaten umfassenden eidgenössischen Armee. Die Stände Neuenburg und Appenzell IR stellten keine Truppenkontingente zur Verfügung. Die Sonderbundskantone, welche mit militärischer Hilfe aus Österreich rechneten, übertrugen dem protestantischen Graubündner Obersten Johann Ulrich von Salis-Soglio unter Ernennung zum General das Oberkommando für ihre Truppen.

Der Waffengang im Sonderbundskrieg begann am 3. November 1847 mit Vorstössen der eidgenössischen Truppen ins Tessin und ins Freiamt (Freie Ämter). Am 14. November 1847 kapitulierte als erster Sonderbundskanton Freiburg. In rascher Folge kapitulierten darauf Zug, Ob- und Nidwalden, Schwyz und Wallis. Am 24. November 1847 wurde der Bürgerkrieg mit der Kapitulation der Walliser beendet. Der Konflikt fordert knapp über 100 Todesopfer und fast 400 Verwundete. In der Folge wurde die Sonderbundskantone angewiesen, alle Jesuiten auszuweisen. Das Kloster- und das Jesuitenverbot waren wichtige Ankerpunkte im angestrebten eidgenössischen Bundesverfassung.

Zu Beginn des Jahres 1848 versuchten die europäischen Mächte Frankreich, Österreich und Preussen, nochmals Einfluss auf die Innenpolitik der Eidgenossenschaft zu nehmen.

Am 12. September 1848 nahm die Tagsatzung nach erfolgreichen Volksabstimmungen in den Kantonen die neue eidgenössische Bundesverfassung an. Die Annahme erfolge nicht einstimmig: von den 22 Kantonen stimmten 15,5 Stände für die neue Verfassung. Widerstand gegen das neue Werk kam vor allem aus der Innerschweiz, von Appenzell Innerhoden und von Bern. Nidwalden stemmte sich am längsten gegen die Einführung der neuen Bestimmungen.

Am 22. September 1848 fand die letzte Tagsatzung statt.

Bundesverfassung von 1848

Mit der Bundesverfassung von 1848 begann die Epoche der modernen Schweiz. In die Verfassung wurden Elemente der direkten Demokratie sowie viel liberales Gedankengut eingebaut.

Mit der neuen Verfassung konnten der Kulturkampf zwischen den liberalen und den konservativen Kreise entschärft werden. Die Wahl von Bern als neue Bundeshauptstadt war eine Kompromisslösung, welche dem neuen "eidgenössischen Geist" förderlich war.

Das Verhandeln der verschiedenen Interessensgruppen "auf Augenhöhe" und das Suchen nach Kompromislösungen blieb bis heute das prägende Element in der Politik der Schweiz, der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

1979 spalteten sich nach einigen nationalen und kantonalen Volksabstimmungen einige Gebiete im Berner Jura vom Kanton Bern ab und bildeten einen eigenen Kanton Jura innerhalb der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Der nachfolgende Prozess der Loslösung dauerte bis weit ins 21. Jahrhundert hinein.

Text: RAOnline
Quelle: Peter Dürrenmatt, Schweizer Geschichte, Band 1 und Band 2, 1976

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Geschichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1848 - 1874

Die am 12. September 1848 in Kraft gesetzte erste Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (CH = Confoederatio Helvetica) wurde durch die Ergebnisse des Sonderbundkrieges im November 1847 beeinflusst.

Im Sonderbundskrieg bekämpften sich die liberal ausgerichteten Kantone und die katholisch geprägten wertkonservativen Kantone. Im Sonderbunde waren die Kantone Freiburg, Obwalden, Nidwalden, Luzern, Schwyz, Uri, Zug und Wallis vereinigt. In der Armee der Schweizerischen Eidgenossenschaft waren Truppenteile der übrigen Kantonen ausser Appenzell Innerrhoden und Neuenburg integriert.

Die Verfasssungsvorlage wurden in einer Abstimmung von den männlichen Stimmbürgern der Kantone mehrheitlich angenommen. In den Kantonen Appenzell Inner- und Ausserrhoden, Glarus, Nid- und Obwalden und Uri wurde der Entscheid nicht an der Urne sondern an einer Landsgemeinde sowie im Kanton Freiburg im Grossen Rat gefällt. Im Kanton Graubünden wurde mit dem System der Commitialstimmen (Entscheid der Gerichtsgemeinden) abgestimmt.

Auffallend am Abstimmungsergebnis von 1848 ist, dass sich die überwiegende Mehrheit der abstimmenden Männer in den ehemaligen Sonderbundskantonen nicht für die neue Verfassung entscheiden konnten.

Die Bundesverfassung von 1848 schmiedete aus den zuvor 25 in einem Staatenbund verbündeten souveränen Kantonen einen Bundesstaat. Der Bund mit seinem parlamentarischen Zweikammersystem und seiner Bundesregierung waren allerdings mit sehr wenig Rechten und Befugnissen ausgestattet. Er durfte u.a. über die Aussenpolitik, das Münzregal und das Festlegen von Massen und Gewicht bestimmen. Die Kantone verfügten weiterhin über weitreichende und wichtige Kompetenzen im Militärwesen, im Bildungs- und Schulwesen sowie im Zivil- , Straf- und Prozessrecht. Auch die Gesetzgebung für die Bereiche Wirtschaft, Handel und Finanzwesen wurden von den Kantonen bestimmt.

Obwohl die Schweiz im damaligen von Monarchien geprägten Europa eine demokratisch-republikanische Insel war, enthielt die Verfassung von 1848 in den Augen der liberal orientierten Kräfte über viele demokratische Defizite. Die direktdemokratischen Aspekte fehlten. Das Volk verfügte über zu wenig Einflussmöglichkeiten auf das Staatswesen und das politische Geschehen. Das Frauenstimmrecht fehlte. Einige Bevölkerungsgruppen hatten kein Wahlrecht. Die wahlberechtigten Männer durften nur den Nationalrat wählen. Beim Ständerat konnten nur die männlichen Mitglieder der Kantonsparlamente mitbestimmen. Die Wirtschaft und die Politik des Bundesstaates wurde immer mehr durch Machtzirkel und einflussreiche Männer, Bundesbarone genannt wie Alfred Escher, einem wichtigen Politiker und Wirtschaftsführer, bestimmt. Auch die katholisch-konservativen Kantone konnten sich mit wichtigen Teilen der Verfassung nicht anfreunden. Wie die "Föderalisten" stellten sie sich gegen die Entwicklung, dass sich damals immer mehr Entscheidungsbefugnisse in Richtung Zentralstaat verschoben. Die Menschen in der Westschweiz wollten mehr politische Möglichkeiten, um sich gegen das "Diktat" der deutschsprachigen Mehrheit zu wehren.

Im Bundesstaat formierte sich zusehends Widerstand gegen die politischen Verhältnisse im Land. Gleichzeitig verschärfte sich der Kulturkampf zwischen den liberalen, eher reformiert orientierten Bevölkerungskreisen und den wertkonservativen, eher hierarchiefreundlichen katholischen Kantonen. Die katholische Kirche und ihre Klöster gerieten zur Zielscheibe liberal denkender Gruppen.

Bundesverfassung von 1874

Eine Totalrevision der Verfassung scheiterte 1872 am Widerstand der Föderalisten und der Konservativen. Am 19. April 1874 wurde der nochmals überarbeitete Verfassungsvorlage an einer Volksabstimmung angenommen. Der Kanton Schaffhausen nahm die Vorlage mit 97% Ja-Stimmen an, Zürich mit 95%, Basel-Landschaft mit 87%, Basel-Stadt mit 86%, Appenzell Ausserrhoden mit 83%. Die grössten Anteile mit Nein-Stimmen gab es in den Kantonen Uri mit 92% Nein, Appenzell Innerrhoden mit 86%, Obwalden 83%, Schwyz 82%, Nidwalden 81%.

Die wichtigsten Punkte, welche in der Bundesverfassung von 1874 verändert wurden:

- Ausbauen der direkten Demokratie: Das fakultative Gesetzesreferendum wurde eingeführt. Das Frauenstimmrecht und die eidgenössische Volksinitiative fehlten weiterhin in der Vorlage.

- Religionsfreiheit: Alle Religionsgemeinschaften, welche sich an die Verfassung und die Gesetze halten, werdenkünftig gleich behandelt.

- Gerichtsbarkeit: In Lausanne wurde ein ständiges Bundesgericht installiert.

- Wirtschaftsfreiheit: Die Handels- und Gewerbefreiheit wurde als Grundrecht in die Verfassung aufgenommen.

- Kirchenrecht: Die Neugründung von Klöstern wurde verboten. Die Gründung neuer Diözesen wurde der Bewilligungspflicht unterstellt.

- Ausdehnung der Bundeskompetenz auf die Volksschule: Unentgeltlicher Primarunterricht für Knaben und Mädchen.

Die neue Bundesverfassung führte die allgemeine Wehrpflicht für Männer und die Schulpflicht für alle Kinder ein. Die Todesstrafe wurde abgeschafft. Die neue Zivilehe ermöglichte ein rechtlich abgesichertes Ehebündnis ohne den Einfluss und die Vorgaben der Kirchen.

Bis 1866 genossen die Juden in der Schweiz keine Niederlassungsfreiheit. Zuvor wurde die jüdische Bevölkerung in den zwei Dörfern Lengnau und Endingen im Kanton Aargau angesiedelt. 1874 unterzog die neue Schweiz ihre Bundesverfassung einer Totalrevision. Die Religionsfreiheit wurde u.a. in der Bundesverfassung verankert.

Durch Teilrevisionen wurde die Bundesverfassung von 1874 immer wieder abgeändert oder ergänzt. Die Wiedereinführung des Todesstrafe auf kantonaler Ebene wurde bereits 1879 wieder eingeführt. 1891 erfolgte die Einführung der Volksinitiative auf Bundesebene. 1893 wurde das Schächtverbot in die Verfassung aufgenommen.

1999 wurde die Bundesverfassung wieder einer Totalrevision unterzogen. Dabei wurden u.a. die Verfassungstexte übersichtlich gegliedert und die Grundrechte systematisch geordnet. Das Recht auf Datenschutz wurde aufgenommen. Das Absinthverbot in der Verfassung gestrichen. Die neue Gewichtung des Völkerrechts rief eine starke Opposition auf den Plan. 8 Kantone und 4 Halbkantone haben in der Volksabstimmung die neue Verfassung mehrheitlich abgelehnt.

Text: RAOnline
Quelle: Historisches Lexikon der Schweiz
1291 - 1874 Die Schweizerische Eidgenossenschaft
1291 - 1979 Die Schweizerische Eidgenossenschaft

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Wiener Kongress: Zwischen Geopolitik und Geselligkeit

Vor 200 Jahren wurden im Rahmen des Wiener Kongresses (September 1814 - Juni 1815) Grundsätze verankert, die noch heute die internationale Politik bestimmen. Wesentlich zur Neuordnung Europas beigetragen haben dabei der Walzer und die Diplomatie.

Der Genfer Charles Pictet de Rochemont hatte am Kongress die Anerkennung der Schweizer Neutralität erreicht. Gabriel Eynard war sein persönlicher Sekretär. Der Freiburger Jean de Montenach war einer der drei Schweizer Gesandten am Wiener Kongress.

Anna Eynard-Lullin, der Ehefrau von Jean-Gabriel Eynard, und Jean de Montenach hattenihre Erlebnisse am Kongress je in Tagebüchern aufgezeichnet. Die beiden Tagebücher zeigen deutlich, welchen Stellenwert das gesellige Rahmenprogramm des Kongresses hatte: Die Musik, die Bälle und die Bankette sorgten für Möglichkeiten des Austausches und der Diskussionen, von welchen gerade die "kleinen Staaten" wie die Schweiz zu profitieren versuchten, um ihre politischen Positionen voranzubringen. Jean de Montenach und Anna Eynard-Lullin waren zugegen in den Wiener Palästen, wo die Siegermächte die Karte Europas neu zeichneten. Sie hielten ihre Erinnerungen und Eindrücke für die Nachwelt fest und lieferten uns damit eine stereoskopische Betrachtung der Neuerschaffung Europas durch einen Kongress, der nicht zuletzt im Zeichen des Amusements stand.

Am 18. Juni 1815 wurde die Schlussakte des Wiener Kongresses (Acte final) ratifiziert. In der Schweiz werden die Ergebnisse des Wiener Kongresses auf die "Kantonsgeschichte" reduziert (der Wiener Kongress als Erfolg für die Kantone Waadt und Genf und als Katastrophe für den Jura, der dem Kanton Bern zufiel).

Zusammen mit Alexandre Dafflon des Freiburger Staatsarchivs hat sich Benoît Challand, Professor am französischsprachigen Bereich für Zeitgeschichte der Universität Freiburg mit den täglichen Aufzeichnungen von Anna Eynard-Lullin und Jean de Montenach befasst. Die bisher unveröffentlichten Aufzeichnungen wurden im Buch «Journaux du Congrès, Vienne 1814 -1815, "J'ai choisi la Fête"» zusammengetragen. Das Buch ist in französischer Sprache bei der Société d'histoire du canton de Fribourg SHCF erhältlich.

Quelle: Universität Freiburg, Juni 2015
Überarbeitung: RAOnline

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Staatskunde Schweiz
Strukturen der Alten Eidgenossenschaft innerhalb der "modernen"Schweiz
Bewirtschaftung von Alpgebieten - Verlauf der Kantonsgrenzen in der Urschweiz aufgrund von historischen Entwicklungen
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