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Computermodell simuliert Verbreitung und Entwicklung des Permafrosts

Eine gute Prognose hilft Kosten sparen

Wenn Permafrost in den Alpen taut, leidet die Stabilität von Bauwerken im Hochgebirge. Um die heutige Verbreitung und die zukünftige Entwicklung des Permafrosts im Fels abschätzen zu können, haben Wissenschaftler der Universität Zürich mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds neue Computermodelle und Messmethoden entwickelt.

Die vielversprechenden Resultate werden dazu beitragen, bei Wartungs- und Sanierungsarbeiten sowie bei der Planung neuer Bauvorhaben Kosten zu sparen.

Verborgen in Felswänden und ganzen Gipfelregionen existiert in den Alpen eine bis zu mehrere hundert Meter dicke Permafrostschicht, in der das ganze Jahr Temperaturen unter dem Gefrierpunkt herrschen.

Weil der Permafrost nur über die Temperatur definiert ist, handelt es sich um ein unsichtbares Phänomen. Der Nachweis seiner Existenz ist daher sehr schwierig.

Mit Hilfe von Modellrechnungen ist es Forschenden des Geographischen Instituts der Universität Zürich nun gelungen, die räumliche Verteilung und die zeitliche Entwicklung der Oberflächentemperaturen und damit des Permafrostes in den Felsregionen der Alpen zu bestimmen. Das von Stephan Gruber und Jeannette Nötzli mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds entwickelte Modell berechnet die Energiebilanz an der Felsoberfläche. Es basiert auf langjährigen meteorologischen Messreihen und digitalen Geländemodellen. Weil im Gebirge die Temperaturen in der Nordseite eines Berges oder steilen Grates auch von der viel wärmeren Südseite beeinflusst werden, reicht es aber nicht, nur die Oberfläche zu betrachten. Das Modell kann deshalb mit einem dreidimensionalen Modell gekoppelt werden, das auch den Wärmefluss im Berg berücksichtigt. "Damit lässt sich auch die Temperaturverteilung im Untergrund bestimmen», erklärt Nötzli.

Ziel der Wissenschaftler war es, ein Modell zu entwickeln, das die hochkomplizierte Topographie der Alpen mit ihren vielen Facetten berücksichtigt.

Wie gut das Modell die Realität abbildet, überprüfen Gruber und Nötzli mit Hilfe von Sensoren, die seit mehreren Jahren in über 30 Felswänden zwischen 2'500 und 4'500 m ü.M. montiert sind und die das ganze Jahr über die Temperaturen im Fels messen. "Wir waren selbst erstaunt darüber, wie gut unsere Modellrechnungen mit den Messungen im Gebirge übereinstimmten», freut sich Gruber. Auch Abweichungen haben seine Freude nicht gedämpft - im Gegenteil. "Die Untersuchung der Abweichungen hilft uns, Neues und oft unerwartete Zusammenhänge zu lernen und das Modell zu verbessern», erklärt Gruber.

Die verwendete Strategie von Messungen und Modellrechnungen erlaubte es zum ersten Mal, die Ausdehnung und die Temperaturen des Permafrostes in Felswänden zu quantifizieren. Die Resultate haben deshalb schnell ihren Weg in die Praxis gefunden: Sie bildeten eine wichtige Grundlage der im Sommer 2006 vom Bundesamt für Umwelt publizierten Karte zur potenziellen Verbreitung des Permafrosts in der Schweiz. Ziel der Übersichtskarte ist eine überprüfung und Anpassung der kantonalen Gefahrenkarten.

Permafrost ist in der Regel ein unspektakuläres Phänomen. Das kann sich aber ändern, wenn der Fels in steilen Lagen tief auftaut - so geschehen im Hitzesommer 2003, in dem sich zahlreiche Felsstürze in Permafrostgebieten der Alpen ereigneten. Da steile Felswände keine isolierende Schneedecke haben und Eis nur in Gesteinsporen und Spalten auftritt, reagieren sie sehr schnell auf veränderte Temperaturbedingungen. "Wenn sich Fels mit eisgefüllten Klüften erwärmt, verringert sich oft seine Stabilität», erklärt Gruber. Mit Hilfe ihres Modells, konnten die Forschenden 30 Ereignisse aus dem Jahr 2003 reanalysieren. Dabei zeigte sich, dass die Felstemperaturen im Bereich der meisten Anrisszonen nur wenig unter 0°C lagen. "Der grösste Teil der Bruchvorgänge geht demnach im Bereich des Permafrosts nahe des Gefrierpunkts vor sich», sagt Nötzli.

In den kommenden Jahrzehnten muss mit einer weiteren Erwärmung in Permafrostgebieten gerechnet werden. Dies hat ökonomische Konsequenzen. Die Abschätzung der zukünftigen Permafrostentwicklung ist deshalb eine Herausforderung für die Wissenschaft. Felsstürze, Steinschlag und Bodenverschiebungen bedrohen Infrastruktur wie Seilbahnstationen oder Berghütten. "Wartungs- und Sanierungsmassnahmen sowie Planungen von neuen Bauvorhaben werden voraussichtlich deutlich erhöhte Kosten verursachen», sagt Gruber.

Um mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen und damit Kosten einzusparen, will das Forscherteam in den kommenden Jahren Techniken und Werkzeuge für lokale Prognosen über die Permafrostentwicklung verfügbar machen. Ein wichtiger Schritt dazu, nämlich das Zusammenführen von bestehenden Klimamodellen mit dem Permafrostmodell, ist ihnen bereits gelungen. Erste Resultate zeigen, dass sich der Permafrost im steilen Gebirge bei steigenden Temperaturverhältnissen schnell erwärmt, weil die Wärme von mehreren Seiten in den Untergrund eindringen kann.

Nicht alle Auftauprozesse im Permafrost lassen sich aber mit ausreichender Genauigkeit modellieren. Kritische Stellen im Bereich von Bergbahnen und anderen Infrastrukturen im Hochgebirge müssen in Zukunft verlässlich und effizient überwacht werden. Zusammen mit Wissenschaftlern aus dem Nationalen Forschungsschwerpunkt "Mobile Informations- und Kommunikationssysteme» (NFS MICS) entwickeln und testen die Forscher deshalb neue Sensoren, die ihre Messdaten mit drahtlosen Netzwerken über das Internet sofort verfügbar machen.
Kontakt

Text: Schweizerischer Nationalfonds 2006
Glaciology and Geomorphodynamics Group
Physische Geographie, Geographisches Institut der Universität Zürich
Permafrostregion Grassen, Engelberg OW

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