Häufigere Hitzewellen und Trockenperioden, zunehmende Naturgefahren wie Hochwasser und Erdrutsche, Veränderungen der Tier- und Pflanzenvielfalt: Der Klimawandel prägt unsere Umwelt bereits heute und wird dies in Zukunft noch stärker tun. Der Bundesrat hat deshalb am 19. August 2020 den Aktionsplan 2020-2025 zur Anpassung an den Klimawandel verabschiedet. Dieser setzt die bisherige Politik fort und enthält Massnahmen, um die Risiken des Klimawandels zu bewältigen und die Anpassungsfähigkeit von Natur, Gesellschaft und Wirtschaft zu steigern. In der Schweizer Klimapolitik steht die Verminderung der Treibhausgasemissionen an erster Stelle. Doch auch wenn die Ziele des Übereinkommens von Paris erreicht werden und die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt wird, sind Massnahmen zur Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels unumgänglich. Aus diesem Grund hatte der Bundesrat schon 2012 seine Strategie «Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz» beschlossen. Mit dem am 19. August 2020 verabschiedeten Aktionsplan führt er die Umsetzung dieser Strategie in den Jahren 2020-2025 fort. Der Aktionsplan enthält 75 Massnahmen auf Bundesebene. Sie sollen dazu beitragen, die grössten Folgen und Risiken des Klimawandels zu bewältigen. Dazu gehören eine häufigere und stärkere Hitzebelastung, Sommertrockenheit, zunehmende Naturgefahren und der Verlust der heimischen Tier- und Pflanzenvielfalt. Grundlage für den Aktionsplan sind die Schweizer Klimaszenarien CH2018. Heute handeln für morgen Die Massnahmen zur Bewältigung der zunehmenden Sommerhitze, insbesondere in dicht besiedelten Gebieten, fokussieren auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen. Kurzfristig müssen Personen, die durch Hitze gefährdet sind, Gesundheitsfachleute und Behörden auf die Hitzeproblematik aufmerksam gemacht und über geeignete Massnahmen informiert werden. Mittel- bis langfristig muss der Lebensraum an den Klimawandel angepasst werden: So brauchen Städte und Siedlungen Grün- und Wasserflächen, um der lokalen Überhitzung entgegenzuwirken. Gebäude sollen so gebaut und positioniert werden, dass sie ausreichend Schatten bieten und Durchlüftung erlauben, damit der Aufenthalt darin trotz zunehmender Hitzebelastung angenehm ist. Die zunehmende Trockenheit verlangt nach Massnahmen zum Umgang mit Wasserknappheit. Mehrere Bundesämter arbeiten gemeinsam daran, die Vorhersage von Trockenperioden und die Information während diesen Ereignissen zu verbessern. So können die nötigen Massnahmen frühzeitig eingeleitet werden. Gleichzeitig will der Bund die Kantone weiter bei der Umsetzung der Wasserressourcenplanung unterstützen. In der Landwirtschaft fördern Bund und Kantone die ressourcenschonende und an die trockeneren Bedingungen angepasste Bewirtschaftung, zum Beispiel den Anbau von Sorten, welche Trockenheit besser überstehen. Der Klimawandel verändert auch die Situation bei den Naturgefahren. Wegen zunehmenden Starkniederschlägen und wärmeren Wintern, in denen anstelle von Schnee mehr Regen fällt, häufen sich lokale Hochwasser. Flüsse, Bäche und Seen können vermehrt über die Ufer treten, und Regen fliesst über das offene Gelände ab, wenn der Boden ihn nicht schnell genug aufzunehmen vermag. Auch Erdrutsche können häufiger auftreten. Solche Veränderungen müssen frühzeitig erkannt und bei allen Aktivitäten zum Schutz und zur Bewältigung von Naturgefahren berücksichtigt werden. Mit genügend Raum für den Rückhalt und die Ableitung von Wasser, Geröll und Lawinen lassen sich Schäden wirkungsvoll verhindern. Im Aktionsplan sind auch Massnahmen zur Biodiversität enthalten. Mit dem Klimawandel verändern sich die Lebensräume, die Zusammensetzung von Tier- und Pflanzenarten und die Landschaft. Die Natur kann sich bis zu einem gewissen Grad an den Klimawandel anpassen, braucht dafür aber Freiräume. Der Aktionsplan sieht daher vor, Schutzgebiete zu schaffen und zu vernetzen. Dies dient auch dazu, die wichtigen Leistungen der Ökosysteme langfristig zu sichern - beispielsweise die Bestäubung durch Insekten oder der Lawinenschutz durch Wälder. Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden stärken Da sich der Klimawandel regional unterschiedlich auswirkt, ist die Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden zentral. Deshalb zielen verschiedene Massnahmen des zweiten Aktionsplans darauf ab, die Abstimmung zwischen den drei Staatsebenen zu verbessern. So entwickelt das Bundesamt für Umwelt BAFU für Gemeinden ein einfaches Online-Tool, das sie bei der Planung von eigenen Anpassungsmassnahmen unterstützen soll. Ausserdem ist ein Forschungsprogramm zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit, die Ökosysteme und die Infrastrukturen in der Schweiz geplant. Die Klimaszenarien CH2018 Die Klimaszenarien CH2018 zeigen, wie der Klimawandel die Schweiz trifft und was weltweite Anstrengungen zur Verminderung der klimaschädlichen Treibhausgase dagegen ausrichten können. Die Klimaszenarien verbinden Simulationen aktueller Klimamodelle mit Beobachtungen bisheriger Trends und erlauben den bisher genausten Blick in die Klimazukunft unseres Landes. Der Aktionsplan orientiert sich vorsorglich an einem Szenario ohne zusätzliche weltweite Klimaschutzmassnahmen, in dem die mittlere weltweite Erwärmung bis Ende Jahrhundert gegenüber heute ungefähr 2,6-4,8 Grad beträgt. Mehr Hitzetage: Die Höchsttemperaturen steigen erheblich stärker als die Durchschnittstemperaturen. Bis Mitte Jahrhundert wird es an den heissesten Tagen im Sommer 2-5,5 Grad wärmer als heute. Die Zahl der Hitzetage mit Temperaturen über 30 Grad wird sich je nach Region mehr als verdoppeln. Hitzewellen werden häufiger und extremer. Hitzesommer wie in den Rekordjahren 2003 und 2018 können zur Norm werden. Trockene Sommer: Die mittlere Regenmenge nimmt im Sommer langfristig ab, während die Verdunstung mit steigender Temperatur zunimmt. Bis Mitte Jahrhundert steigt die mittlere Sommertemperatur um 2,5-4,5 Grad im Vergleich zu heute. Gleichzeitig fällt bis zu einem Viertel weniger Regen. Die längste niederschlagsfreie Periode dauert bis zu 9 Tage länger als heute. Entsprechend werden die Böden trockener. Heftige Niederschläge: Starkniederschläge werden in Zukunft merklich häufiger und intensiver als wir sie heute erleben. Dies betrifft alle Jahreszeiten, aber besonders den Winter. Bis Mitte Jahrhundert wird die jährlich grösste Niederschlagsmenge, die an einem Tag fällt, um etwa 10% zunehmen. Schneearme Winter: Bis Mitte Jahrhundert werden die Winter deutlich milder sein als heute. Zwar fällt mehr Niederschlag - aber wegen der höheren Temperaturen vermehrt als Regen. Besonders in tieferen Lagen schneit es seltener und weniger. Die Zahl der Neuschneetage nimmt ab, die Schneefallgrenze steigt um 400-650 Höhenmeter. Leitlinien für eine klimaneutrale Schweiz bis 2050 Die langfristige Klimastrategie formuliert zehn strategische Grundprinzipien, welche die Schweizer Klimapolitik in den kommenden Jahren prägen sollen. Sie zeigt für die Sektoren Gebäude, Industrie, Verkehr, Landwirtschaft und Ernährung, den Finanzmarkt, die Luftfahrt sowie die Abfallindustrie mögliche Entwicklungen bis zum Jahr 2050. Für jeden dieser Sektoren definiert sie strategische Zielsetzungen. Die Strategie zeigt zudem auf, in welchem Umfang bis 2050 voraussichtlich schwer vermeidbare Emissionen verbleiben, die mit CO2-Abscheidungs- und -Einlagerungstechnologien (CCS) sowie Negativemissionstechnologien (NET) ausgeglichen werden müssen. CCS-Technologien fangen CO2 direkt dort ab, wo es bei Anlagen im Industrie und Abfallsektor entsteht. NET kommen für die Emissionen zum Einsatz, die nicht direkt abgefangen werden können, zum Beispiel aus der Landwirtschaft. Sie entziehen diese der Atmosphäre und speichern sie dauerhaft. Das Netto-Null Ziel ist erreichbar Die langfristige Klimastrategie zeigt, dass die Schweiz ihre Treibhausgasemissionen in den Bereichen Verkehr, Gebäude und Industrie bis 2050 um knapp 90 Prozent vermindern kann. Der Gebäudesektor und der Verkehr können bis 2050 emissionsfrei werden, und auch in der Industrie lassen sich die Emissionen aus dem Energieverbrauch praktisch vollständig beseitigen. In der Luftfahrt bieten nachhaltige erneuerbare Treibstoffe und neue Antriebstechnologien Potenzial zur Emissionsverminderung. Im Bereich Landwirtschaft und Ernährung ist eine Reduktion der Emissionen um mindestens 40 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 möglich. 2050 verbleiben aus der Industrie, der Abfallverwertung und der Landwirtschaft Treibhausgasemissionen im Umfang von rund 12 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Diese lassen sich mit CCS und NET ausgleichen. Die Schweiz ist als innovations- und finanzstarkes Land mit fast CO2-freier inländischer Stromproduktion in einer guten Ausgangslage, um das Netto-Null Ziel bis 2050 zu erreichen. Klimaschutz kostet weniger als der ungebremste Klimawandel Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kosten eines ungebremsten Klimawandels übersteigen die Kosten von Massnahmen für den Klimaschutz bei weitem. Das Netto-Null-Ziel ist für die Schweiz deshalb auch von grossem wirtschaftlichen Interesse. Die Schweiz vermindert mit der Abkehr von fossilen Brenn- und Treibstoffen wie Öl, Gas, Benzin und Diesel zudem ihre Abhängigkeit vom Ausland. Geld, das heute ins Ausland abfliesst, wird künftig im Inland investiert. Davon profitiert das einheimische Gewerbe. CO2-Gesetz bildet das Fundament Die langfristige Klimastrategie knüpft an das revidierte CO2-Gesetz und dessen Ziele an. Das in der Herbstsession 2020 vom Parlament gutgeheissene CO2-Gesetz ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass das langfristige Klimaziel erreicht werden kann. Es soll 2022 in Kraft treten. Das Gesetz bringt die Schweiz auf Kurs für das Klimaziel von minus 50 Prozent Treibhausgasausstoss bis 2030 und stellt die Weichen für das Netto-Null-Ziel 2050. Da gegen das CO2-Gesetz das fakultative Referendum ergriffen wurde, stimmt die Bevölkerung darüber ab.
Eines der deutlichsten Signale der Klimaänderung ist die stetige Erwärmung. Für alle massiv spürbar wird dies vor allem im Sommer mit der zunehmenden Anzahl von Hitzetagen und den immer häufigeren Hitzewellen. Die zunehmende Sommerhitze betrifft nicht nur die Schweiz, sondern ganz Europa. Von Berlin über Genf und Lugano bis nach Wien Der Sommer ist in der Schweiz, in Deutschland und Österreich ab den 1990-er Jahren massiv wärmer geworden. Dabei fällt ein drastisches Phänomen auf: Die Temperatur der extremsten Sommer vor dem Jahr 1990 ist in den letzten 30 Jahren zum Sommerdurchschnitt geworden. Was früher ein extrem heisser Sommer war, ist heute ein normaler, das heisst ein durchschnittlicher Sommer. Selbst die kühlsten Sommer der letzten 30 Jahre blieben meist deutlich über dem langjährigen Durchschnitt vor 1990. Verdoppelung der Hitzetage Ein eindrücklicher Indikator für die Zunahme der Hitze ist die durchschnittliche Zahl der Hitzetage pro Jahr mit mindestens 30 Grad Celsius. Ein markanter Anstieg ist ab 1990 zu beobachten. Vor 1990 summierte sich die Zahl der Hitzetage in den drei Ländern durchschnittlich auf rund eine bis eineinhalb Wochen pro Jahr. Heute erreicht die Summe der Hitzetage durchschnittlich rund zwei bis drei Wochen pro Jahr. Mit der laufenden Klimaänderung hat sich die Zahl der Hitzetage etwa verdoppelt. Das Extreme wird normal Lugano auf der Alpensüdseite registrierte vor 1990 durchschnittlich nur zwei bis fünf Hitzetage pro Jahr, heute sind es durchschnittlich zwölf. In den 127 Jahren ab Messbeginn 1864 bis 1990 haben in Lugano nur gerade acht Sommer den heutigen Durchschnitt von zwölf Hitzetagen erreicht oder überschritten. Auch bei den Hitzetagen hat sich regional das frühere Extreme zum Normalen gewandelt. Mehr Hitzewellen Hitzewellen sind in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich in den letzten Jahrzehnten häufiger und länger geworden. In Regionen, die immer wieder davon betroffen waren, folgen sich Hitzewellen heute in kürzeren Zeitabständen. Regionen, die in der Vergangenheit nur wenige Hitzeperioden registrierten, müssen heute mehr oder weniger regelmässig damit rechnen. Das Muster der Häufung ab dem Jahr 2000 ist in allen drei Ländern vergleichbar, vom Norden Deutschlands in den Süden der Schweiz und bis in den Osten Österreichs. In Zukunft noch mehr Hitze Mit der erwarteten Temperaturzunahme bis 2060 wird sich in Genf die durchschnittliche Zahl der Hitzetage von heute knapp drei Wochen auf rund fünf Wochen, in Lugano von heute knapp zwei Wochen auf rund vier Wochen summieren. Eine starke Zunahme von Hitzewellen in der Schweiz wird als sehr wahrscheinlich eingestuft.
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