Kultur und Religion
Archäologie - Kultur - Geschichte - Religion
vorangehende Seite
end
Blickpunkt
Archäologie Welt
Eiszeitmenschen setzten Holzwaffen bei der Jagd ein 2020
Archäologie Welt
Weitere Informationen
Kultur, Geschichte und Religion Geografie-Erdkunde
Geschichte
Eiszeitmenschen aus Schöningen setzten Holzwaffen bei der Jagd auf Wasservögel und Pferde ein

300'000 Jahre alter Wurfstock dokumentiert die Evolution der Jagd

Die eiszeitlichen Jäger waren geschickt, hocheffizient und verwendeten ein Arsenal verschiedener Holzwaffen: Dies zeigt ein rund 300'000 Jahre alter "Wurfstock" aus der Freilandfundstelle Schöningen in Niedersachsen, den Archäologen vom Senckenberg-Zentrum für menschliche Evolution und Paläoumwelt der Universität Tübingen und der Universität Liége (Belgien) geborgen und im Detail analysiert haben. Homo heidelbergensis verwendete ihn vermutlich, um Wasservögel zu jagen und grössere Säugetiere bei der Jagd vor sich her zu treiben. Die Studienergebnisse wurden im Fachmagazin Nature Ecology & Evolution veröffentlicht.

Bereits vor 300'000 Jahren hätten Jäger unterschiedliche hochwertige Waffen wie Wurfstöcke, Wurfspeere und Stosslanzen in Kombination eingesetzt, erklärt Professor Nicholas Conard. "Nur dank der fabelhaft guten Erhaltungsbedingungen in wassergesättigten Seeufersedimenten in Schöningen können wir die Evolution der Jagd und die vielfältige Nutzung von Holzwerkzeugen dokumentieren."

Der Wurfstock stammt aus der Fundschicht 13 II-4, aus der bereits in den 1990er Jahren immer wieder sehr gut erhaltene Wurfspeere, eine Stosslanze sowie andere Holzwerkzeuge bislang ungeklärter Funktion ausgegraben wurden. Wie fast alle diese Funde ist auch der neue Wurfstock aus Fichtenholz gefertigt. Er ist 64,5 Zentimeter lang, hat in der Mitte einen maximalen Durchmesser von 2,9 Zentimetern und wiegt 264 Gramm. Er hat einen asymmetrischen Querschnitt, wobei eine Seite leicht gebogen und die andere relativ flach ist.

Aus den Gebrauchsspuren lässt sich auf seine Herstellung und Verwendung schliessen: So wurden die Astansätze abgeschnitten und geglättet. Einschlagspuren im mittleren Bereich ähneln den Beschädigungen an australischen und tasmanischen Wurfhölzern und liefern zum ersten Mal klare Belege für die Funktion eines solchen Gerätes.

Obwohl Wurfstöcke um ihren eigenen Schwerpunkt rotieren, haben sie eine andere Flugbahn als ein Bumerang und kehren nicht zum Werfer zurück: Vielmehr seien sie dafür gemacht, sich in eine lineare Richtung zu bewegen und durch Rotation eine hohe Treffgenauigkeit zu erreichen, erklärt Dr. Jordi Serangeli, ebenfalls Grabungsleiter. "Sie sind effektive Waffen über verschiedene Entfernungen, unter anderem bei der Jagd auf Wasservögel." Knochen von Schwänen und Enten seien aus der Fundschicht gut belegt. "Zudem ist es wahrscheinlich, dass mit dem Wurfstock grössere Säugetiere, wie beispielsweise Pferde, die häufig am Schöninger Seeufer gejagt wurden, aufgeschreckt und in eine bestimmte Richtung getrieben wurden." In Experimenten hätten Wurfstöcke, die in Gewicht, Form und Grösse vergleichbar seien, eine Höchstgeschwindigkeit von rund 30 Metern pro Sekunde erreicht.

Die Verwendung von Wurfstöcken bei der Jagd, sogenannte "rabbit sticks" oder "killing sticks", ist bereits aus Nordamerika, Afrika und Australien bekannt. "Die durch die Ethnologie dokumentierten Reichweiten messen dabei von kurzen Distanzen zwischen fünf bis 30 Metern bis zu Entfernungen von mehr als 100 Metern", sagt Dr. Gerlinde Bigga von der Universität Tübingen, die die Anatomie des Holzwerkzeugs analysiert hatte. Die detaillierte Untersuchung der Gebrauchsspuren hatte Dr. Veerle Rots von der belgischen Universität Liége durchgeführt.

"Die Chancen, bei der Ausgrabung paläolithischer Fundstätten Artefakte aus Holz zu bergen, sind normalerweise verschwindend gering", sagt Nicholas Conard. "Die Fundstelle Schöningen liefert bemerkenswerterweise mit Abstand die zahlreichsten und bedeutendsten paläolithischen Holzwerkzeuge und Jagdwaffen."

Die Ausgrabungen in Schöningen werden vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur finanziert und in Kooperation mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege durchgeführt.

Publikation

Nicholas J. Conard, Jordi Serangeli, Gerlinde Bigga and Veerle Rots: "A 300,000-year-old throwing stick from Schöningen, northern Germany, documents the evolution of human hunting.” Nature Ecology & Evolution, DOI: 10.1038/s41559-020-1139-0

Quelle: Text Universität Tübingen, 20. April 2020
Die Jungsteinzeit und die Bronzezeit dauerten von ca. 10'000 bis 1'000 vor Christus. Die Jungsteinzeit endete ca. 2'800 vor Christus.
Artefakt
Ein Artefakt ist ein künstlich hergestellter Kunstgegenstand.

nach oben

Radiocarbonmethode zur Altersbestimmung
Jungsteinzeit - Bronzezeit
Pfahlbaufundstellen im Kanton Zürich Stein- und Bronzezeit
Feuerstein-Bergbau aus der Jungsteinzeit
Jungsteinzeit und Bronzezeit Zahlreiche Kleider- und Ausrüstungsfunde
Graubünden Bronzezeit - Siedlungshügel Crestaulta Surin
Spiel mit dem Feuer - wie Eiszeitjäger das Landschaftsbild Europas prägten
Bevölkerungswandel am Ende der letzten Eiszeit
Feuerstein-Bergbau aus der Jungsteinzeit
Jungsteinzeit und frühe Bronzezeit: 5'000 Jahre altes Erbgut deutet auf Parallelgesellschaften in der frühen Schweiz hin
Thema Eiszeit
Klima in der Vergangenheit
Schnelle Klimawechsel während der letzten Eiszeit
Theorie zur Entstehung von Eiszeiten
Links
Externe Links
CH
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Universität Tübingen
top
vorangehende Seite