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Haiti: "Heute bin ich eine andere Frau"
Bericht von Kettly Alexandre, MPP

Mimose Tinord lebt im ärmsten Land der westlichen Hemisphäre, in Haiti. Als Frau vom Land ist sie von der Armut besonders betroffen. Dennoch ist die sechsfache Mutter mit 35 Jahren voller Hoffnung. Die einstige Analphabetin hat ein ganz bestimmtes Ziel und holt deshalb nun die Schule nach. Eine Partnerorganisation des Fastenopfers hat ihr Leben völlig verändert.

Das Erbe der Diktatoren lastet schwer auf Haiti: so liessen Papa und Baby Docs sowie der Armenpriester Jean-Bertrand Aristide sämtliche Organisationen und Genossenschaften zerschlagen - allein aus Angst, "organisierte Menschen" könnten sich gegen sie auflehnen. Eines ihrer Opfer war Mimose Tinord, Mutter von sechs eigenen und einem adoptierten Kind, die damals noch keiner Organisation angehörte.

Es war nach dem Staatstreich 1991, als eines Tages eine Gruppe von Banditen zu Tinords Haus in der Region Papaye kam und ihr Gewalt antat. Weil sie angeblich Mitglied der Bauernorganisation Mouvement Paysan de Papaye (MPP) war. Die Banditen standen den Militärs nahe, die den Staatstreich gegen die Regierung von Aristide durchgeführt hatten. Sie blieben ungestraft.

Erst danach wurde Mimose Tinord Mitglied von MPP: "Obschon ich nicht Mitglied von MPP war, verfolgte man mich.

Also war für mich klar, dass ich Mitglied werde", erklärt sie trotzig.

Ausgrenzung der Bauernfamilien beenden

Durch die haitianische Gesellschaft zieht sich ein tiefer Graben: Wer auf dem land lebt, wird von den Menschen in der Stadt weitgehend ausgeschlossen. Dieser Ausgrenzung versucht MPP entgegenzutreten. Die Partnerorganisation des Fastenopfers im Departement du Centre nahe der Stadt Hinche hat sich zum Ziel gesetzt, den verarmten Bauernfamilien mit Weiterbildung und Kooperationen zu helfen.

80'000 Frauen und Männer haben sich MPP angeschlossen - eine eindrückliche Zahl. Die Organisation fördert insbesondere die Stellung der Frau innerhalb der Familie und der Gesellschaft. So wird die Hälfte aller Führungspositionen in der Organisation von Frauen besetzt. Durch gezielte Vernetzungsarbeit bleiben die Frauen nicht Einzelkämpferinnen, sondern packen gemeinsam Projekte wie die Aufforstung an.

Zusätzlich erlernen die Frauen die Grundsätze der nachhaltigen Landwirtschaft und des ökologischen Gartenbaus. So wird am Familientisch das Essen nicht nur reichhaltiger. Sondern die Frauen leisten mit der Produktion von Kompost, Herstellung von Briketts aus Stroh statt Holzkohle und der Verwendung alternativer Baumaterialien einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Umwelt. Und die Frauen entwickeln auch Ideen, wie sie überschüssige Produkte verkaufen können. Zudem werden sie hinsichtlich Gewalt gegen Frauen und Frauenrechten sensibilisiert.

Vom Wucherer ausgenommen

Früher lebte Mimose Tinord vom Kleinhandel mit Produkten des primären Bedarfs: Reis, Zündhölzer, Seife, Mehl, Speiseöl etc. Für ihr kleines Geschäft musste sie aber bei einem Wucherer ein Darlehen über 19 Dollar (rund 20 Franken) aufnehmen - zu einem Zins von 25% monatlich (5 Franken). Die Rechnung ging nicht auf und sie musste schliesslich eine Ziege verkaufen, um den Kredit zurückzuzahlen. Sie war gescheitert.

In der MPP-Frauengruppe Tèt Ansanm (kreolisch für "Têtes ensemble", zu deutsch: "Die Köpfe zusammenstecken") erfuhr sie durch eine Animatorin mehr über die üblen Praktiken der Wucherer, die arme Familien vom Land vollends in den Ruin stürzen. Die Animatorin sensibilisierte die Gruppenmitglieder für die Wichtigkeit des kollektiven Sparens und für die Notwendigkeit, als Frau selber Mitglied einer Spar- und Kreditgruppe zu werden.

Gemüse und Geld aus dem Garten
Im Jahr 2000 wurde Mimose Tinord Mitglied der MPP-Sparkasse in Papaye. Seither strengt sie sich an, um jeden Monat 15 oder 30 Rappen zu sparen und in die Kasse einzuzahlen. Sie respektiert die Prinzipien, die sie bei der Kasse gelernt habe: Nämlich mindestens 10% des zur Verfügung stehenden Geldes auf die Seite zu legen.

Nach zwei Jahren betrug ihr Guthaben in der Kasse 5 Dollar (5 Franken). Nun konnte sie 10 Dollar zu einem Zins von 2% monatlich ausleihen.

Tinord hatte in der Zwischenzeit im Gemeinschaftsgarten der Gruppe einiges über den Gemüsebau gelernt.

Und obschon sie zuvor keine Landwirtschaft betrieben hatten, nutzte sie das Geld, um eine Parzelle zu pachten und mit Gemüse zu bepflanzen. Auf der 40m2 grossen Fläche konnte sie nach nur einem Jahr derart viel Gemüse ernten, dass sie vom Verkauf 34 Dollar (36 Franken) verdiente - nebst dem Eigenbedarf für die neunköpfige Familie.

In der Zwischenzeit hat Mimose Tinord die Gemüseproduktion erweitert: Pfeffer, Paprikaschoten, Spinat, Auberginen, Papaya etc. Sie wendet die Tropfenbewässerung an, die mit wenig Wasser auskommt. Weiterbildungsseminare über die Gemüseproduktion, zur Umwelt und über Kleintierzucht hat sie besucht. Nun kombiniert sie die Gemüseproduktion mit der Aufzucht von Hühnern. Um ihre Beete hat sie feinsäuberlich Stroh gelegt, um zu vermeiden, dass die Hühner ihre Pflanzen zerstören. Gelegentlich hilft ihr Mann Ducasse Noel bei körperlich schwerer Gartenarbeit.

Und so vermochte Mimose Tinord einen wichtigen Teil zum Bau eines neuen Hauses für die ganze Familie beizutragen. Ausserdem hat sie eine mit Sonnenenergie betrieben Installation gekauft, damit ihre Kinder am Abend Licht haben, um für die Schule zu lernen. Seither verwendet die Familie keine Petrollampen mehr.

"Aufforstung ist einzige mögliche Antwort auf Klimawandel"

Mimose Tinord ist zu Recht stolz auf das Erreichte. Ihr Zuhause hat sie in eine kleine Oase verwandelt. Mit Bäume und Blumen. Eine ökologische Nische in einem Land, wo der Baumbestand nur noch 2% der Gesamtfläche ausmacht. Der grosse Rest ist kahl. Hauptursache ist die fortschreitende Abholzung der verbleibenden Baumbestände auf Haiti, wodurch die Erosion der fruchtbaren Pflanzendecke weiter beschleunigt wird.

Haiti leidet bereits heute an den Folgen des Klimawandels. Zahl und Intensität der Wirbelstürme hat in den letzten Jahren zugenommen. Dazwischen kommt es regelmässig zu verheerenden Überschwemmungen. Leidtragende sind vor allem die Ärmsten der Armen, die über keine Reserven verfügen: Wenn ihnen ein Wirbelsturm das Haus zerstört oder eine Überschwemmung das Feld wegträgt, müssen sie Hunger leiden und von Null wieder eine neue Existenz aufbauen.

Umweltschutz wird deshalb bei MPP gross geschrieben: Um die Abholzung einzudämmen, werden die Mitglieder für Umweltfragen sensibilisiert. Allein in diesem Jahr wurden schon 25'000 Setzlinge gezogen, verteilt und gepflanzt. "Nachhaltige Aufforstung ist die einzige mögliche Antwort für die Menschen in Haiti", bringt es Romana Büchel, beim Fastenopfer verantwortlich für das Landesprogramm Haiti, auf den Punkt.

Mit 35 Jahren die Schule nachholen

Für Mimose Tinord ist MPP fast schon zu einer Religion geworden. Vielleicht sogar zu mehr. Sie ist dort Mitglied auf Lebenszeit, denn MPP hat ihr Leben verändert: "Ich habe gelernt, dass die Produktion, die Organisation und die Bildung das Leben einer Frau verändern können. Heute bin ich eine andere Frau."

Der Veränderungsprozess ist aber noch lange nicht abgeschlossen. Einst war Mimose Tinord Analphabetin. Heute, mit 35 Jahren, holt sie die Schule nach. Sie lernt lesen und schreiben. Denn sie hat ein Ziel: Sie will über ihre Aktivitäten eine genaue Buchführung erstellen.

Quelle: Text Fastenopfer Schweiz, 2009

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Quelle: Fastenopfer
"Heute bin ich eine andere Frau"
Entwicklung der bäuerlichen Gemeinschaft
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