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Qualitätsmanagement - Qualitätskontrolle - Bildungsstandards
Fremdsprachen
Fremdsprachen an der Primarschule
Stellungnahme zum Beschluss EDK-Plenarversammlung
vom 25.03.04
Bildungsforschung u. Bildungsreformen
Stellungnahme zum Beschluss EDK-Plenarversammlung vom 25.03.2004

Alle Schülerinnen und Schüler sollen in der obligatorischen Volksschule neben der Lokalsprache noch eine zweite Landessprache und Englisch erlernen. Der Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer LCH teilt diesen im Konzept der EDK enthaltenen Anspruch. Er verlangt allerdings, dass die Kantone die nötigen zusätzlichen Mittel auch tatsächlich investieren. «Sprachenunterricht in der obligatorischen Schule: Strategie der EDK und Arbeitsplan für die gesamtschweizerische Koordination»

Der Beschluss der EDK ist zunächst zu begrüssen als ernsthafter Versuch, die Koordination in der Sprachenfrage doch noch zu schaffen und die Erfolgsbedingungen dafür zu nennen. Er wirft anderseits auch Fragen zur Vollständigkeit des Konzepts und zur Umsetzung auf. Wir denken, dass die Erfahrung und die Stimme der Lehrerschaft gerade bei diesem zentralen Geschäft Beachtung verdient. Denn der Lehrerschaft wird hier viel zugemutet und sie wird letztlich das Gelingen eines reformierten Sprachenunterrichts herbeiführen müssen.

Wir stützen uns auf frühere Positionsnahmen des LCH, auf den Beschluss der EDK sowie auf informative Gespräche mit dem Generalsekretär und seinen Mitarbeitern. Dies hat zu fünf Kernkommentaren geführt, welche wir kurz darlegen.


1. Zustimmung zur generellen Leitidee

Der LCH anerkennt ohne Vorbehalte die Leitidee der «Dreisprachigkeit» (Lokalsprache, 2. Landessprache und Englisch) als Bildungsziel für alle. In den meisten Kantonen werden diese Sprachen heute schon unterrichtet, neu und ebenfalls berechtigt ist der Anspruch, den Erfolg des Unterrichts in allen Sprachen - u.a. durch früheren Beginn - erheblich zu steigern, koordinierte Leistungsstandards für die einzelnen Bildungsstufen zu setzen, die Erfolgsbedingungen für deren Erreichen zu nennen und Instrumente für die überprüfung der Reform zu schaffen.

2. Ja zur Perspektive 2012

Angesichts der verfahrenen Lage, welche durch das Vorprellen einzelner Kantone entstanden ist, visiert die EDK-Strategie das Optimum an noch möglicher Koordination an. Mit dem Koordinationsziel 2012 wird ein Angebot gemacht, aus der Wettbewerbshektik heraus und zu einer seriösen Entwicklung zu finden. Wir hoffen sehr, dass die Strategie der Verlangsamung zu Gunsten verantwortlicher Entwicklungs- und Lernprozesse auch wahrgenommen wird, damit endlich ein verlässliches, längerfristig gültiges Konzept entsteht. Die jüngsten Entscheide etwa des Kantons Zürich oder der Innerschweizer Bildungsdirektoren- Konferenz machen allerdings deutlich, dass einige Kantone den Wechsel vom Tempowettbewerb zum Qualitätswettbewerb noch lernen müssten.

3. Sinnvolle Verknüpfungen im Arbeitsplan

Der Arbeitsplan der EDK macht Sinn. Es wird für den Erfolg entscheidend sein, das dort vorgesehene Zusammenspiel zwischen der Entwicklung von Lehrplangrundlagen (Kompetenzenbeschreibungen und Festlegen der Mindeststandards), Sprachenportfolios, Lehrerinnen- und Lehrerbildung, Austauschförderung, Sprachendidaktik und Evaluation auch wirklich so durchzuziehen.

4. Nachbesserung bei den Rahmenbedingungen nötig

Der LCH vermisst im EDK-Katalog der Gelingensbedingungen einzelne aus Praxissicht zentrale Ansprüche, welche vielleicht nicht alle in die Logik der EDK-Beschlüsse passen, aber spätestens bei der Umsetzung in den Kantonen unabdingbar werden: .

4.1 Kursänderung bei ungenügenden Erfolgsaussichten bzw. Evaluationsergebnissen ausdrücklich vorsehen

Der LCH hätte eine echte Etappierung des Vorgehens erwartet: Zuerst den Fremdsprachenbeginn weiter vorverlegen, die neue Situation konsolidieren und dann prüfen, ob und unter welchen Bedingungen die Primarschule eine zweite Fremdsprache erträgt. In der Zwischenzeit hätte mit Wahlangeboten ab 5. Klasse das drängende Bedürfnis einiger Eltern nach diesem erweiterten Angebot aufgefangen werden können. Mit den schon gefassten Beschlüssen einiger Kantone und der Präferenz für Englisch als erste Fremdsprache hat man sich diese Möglichkeit verbaut. Der LCH erwartet nun aber, dass die in der Strategie richtigerweise vorgesehene ständige Evaluation der Reformfortschritte die Möglichkeit zumindest ins Auge fasst, das Konzept 3/5 notfalls wieder rückgängig zu machen. Der Notfall liegt dann vor, wenn trotz guten Willens der Bildungsdirektion ein Kanton die erforderlichen Mittel für einen gelingenden Unterricht nicht aufbringen will oder kann und dann ein mittelmässiger oder gar schlechter Sprachenunterricht resultieren müsste. Eine solche Haltung des «Nicht um jeden (billigen) Preis» würde sowohl das Vertrauen der Lehrerschaft in die Qualitätsbotschaft hinter der Reform stärken wie auch den Willen der Regierungen und Parlamente, die erforderlichen Mittel bereitzustellen. In diesem Sinne unterstützt der LCH mit Nachdruck die Bestrebungen der EDK, für eine seriöse und «harte» Evaluation die nötigen Mittel zu beschaffen.

4.2 Die Nachteile bezüglich zeitliche und personelle Ausstattung für einen wirksamen Unterricht öffentlich anerkennen

Wenn der Sprachenunterricht effektiver werden soll, muss der Unterricht noch besser als heute vor- und nachbereitet werden können. Das von der EDK zu Recht anvisierte Arbeiten mit Kompetenzenmodellen, Standards, Portfolios, Strategien der individuellen Förderung und anspruchsvollen Tests ist auch bei guter Ausbildung der Lehrpersonen und guten Lehrmitteln weit aufwendiger, als es die heutigen Arbeitsbedingungen der Lehrerschaft zulassen. Der LCH erwartet von den Kantonen, dass endlich öffentlich anerkannt wird, wie sehr wir im internationalen Vergleich, etwa gemessen an den meisten PISA-Spitzenländern, bezüglich der «Produktionsbedingungen für qualitätsvollen Unterricht» hintennach hinken. In vielen erfolgreichen Ländern liegen die Pflichtlektionen-Zahlen nicht bei 28-30 wie bei uns, sondern bei 16-24, was bedeutet, dass in solchen Ländern 50-80% mehr Zeit auf eine seriöse Vorund Nachbereitung des Unterrichts verwendet werden kann. Die Anzahl Lehrpersonen pro Klasse liegt in vielen Spitzenländern nicht bei 1,2 wie in der Schweiz (Primarstufe), sondern näher bei 2, was bedeutend bessere Fördermöglichkeiten für einzelne Schülerinnen und Schüler bzw. Kleingruppen bietet. Die Lehrpersonen in diesen Ländern unterrichten nicht vier bis zehn Fächer, sondern eins bis drei. Und für die Unterstützung der Personal- und Schulentwicklung herrschen in diesen Ländern nicht «Drittelsschulleitungen» vor (ein Drittel Schulleitung und zwei Drittel Unterrichten), sondern hauptamtliche. Die Lehrerschaft in der Schweiz ist es leid, ständig «Muster-Länder» als Spiegel vorgehalten zu bekommen, ohne dass deren Produktionsbedingungen für guten Unterricht auch mitgenannt werden. Der Reformplan der EDK würde an Vertrauen gewinnen, wenn dieser - finanzpolitisch zugegebenermassen heikle - Punkt nicht ausgeklammert, sondern als notwendiger Handlungsbereich für die Kantone wenigstens genannt würde.

4.3 Bekenntnis zu einem ausgewogenen Bildungsverständnis formulieren

Die ersten Umsetzungen des Konzepts 3/5 in Kantonen machen deutlich, dass - nachdem zu Recht nicht mehr mit der «Mogelpackung Immersion» gearbeitet wird - die Stunden für den ausgebauten Fremdsprachenunterricht irgendwoher genommen werden müssen, und dass dann die Gefahr einer Schädigung anderer wichtiger Bildungsansprüche entsteht. Die Lehrerschaft erwartet ein Bekenntnis der EDK zu einem ausgewogenen breiten Bildungsverständnis. Dieses Bekenntnis muss konkret genug sein, um Kahlschläge wie z.B. im Bereich des Werkens oder der Musik verhindern zu helfen.

5. Den Leistungsauftrag durchsetzen oder ändern

Entscheidend für das Gelingen werden die tatsächlichen Investitionen der Kantone in die genannten Rahmenbedingungen für wirksamen Sprachenunterricht sein. Hier erwartet der LCH von der EDK, dass diese Verständnis für die grosse Sorge der Lehrerschaft um angemessene Gelingensbedingungen signalisiert. Die Lehrerschaft hat in den letzten Jahren in wiederholten Sparrunden eine ständige Verschlechterung vieler Förderbedingungen in den Schulen erlebt. Sie will keinen halbbatzigen Sprachenunterricht mitverantworten, und sie müsste sich auch dagegen wehren, dass man zu Gunsten des Sprachenprojekts andere Bereiche noch mehr beschädigt. Der LCH erwartet von den kantonalen Behörden und Parlamenten ein Leistungsauftrags- Denken, welches Leistungserwartungen an zureichende Mittel bindet. Der LCH wird seine Kantonalsektionen und Regionalorganisationen darin unterstützen, auf der Beachtung der Gelingensbedingungen zu insistieren oder dann bei ungenügender Ausstattung Abstriche im Leistungsangebot durchzusetzen. Wir bleiben vorläufig optimistisch und zählen darauf, dass sich die bildungspolitisch Verantwortlichen im Verteilkampf der Mittel vermehrt für eine qualitätsvolle Schule durchsetzen können.

Quelle: Text Geschäftsleitung des LCH, 31. März 2004
Bundesrat Stellung der Landessprachen in der Schule
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Erziehungsdirektoren-Konferenz
Verband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer LCH
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