Schule und Bildung
Bildungsforschung
Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) 2006
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IGLU-E 2006 Zusammenfassung der Ergebnisse 2008
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IGLU-E 2006: Zusammenfassung der Ergebnisse
IGLU-E 2006 Ergebnisse zur Lesekompetenz Rahmenbedingungen für Erwerb
Schlussfolgerungen
IGLU-E steht für IGLU - Erweiterung um die Erhebung der mathematisch - naturwissenschaftlichen Kompetenzen am Ende der vierten Jahrgangsstufe.
1 Einleitung Mit der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) wird das Ziel verfolgt, langfristig Trends beziehungsweise Veränderungen der Leseleistungen von Schülerinnen und Schülern und der Rahmenbedingungen des Lesenlernens in Schulen und Elternhäusern aufzuzeigen. Dazu führt die IEA (International Association for the Evaluation of Educational Achievement) im Abstand von fünf Jahren in den an IGLU beteiligten Staaten Erhebungen durch, an denen sich Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Eltern und Schulleitungen beteiligen. Deutschland hat sowohl 2001 als auch 2006 an IGLU teilgenommen, so dass die Ergebnisse der beiden Erhebungen national, aber auch international verglichen werden können.
2 Ergebnisse zur Lesekompetenz
Lesen Gesamt
Kompetezniveau V
Im internationalen Vergleich hat Deutschland bei IGLU 2006 erfreulich gut abgeschnitten und in allen Dimensionen der Lesekompetenz bessere Ergebnisse in den Leseleistungen erzielt als bei der ersten Erhebung 2001. Auf der Gesamtskala Lesen erreichen die Schülerinnen und Schüler in Deutschland bei IGLU 2006 einen signifikant höheren Mittelwert als bei IGLU 2001. Darüber hinaus liegt Deutschland auch signifikant über den Teilnehmerstaaten der EU und der OECD. Erfreulich sind auch die geringe Breite der Leistungsverteilung und die relativ geringen Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen in den Leseleistungen. Der Anteil derjenigen Schülerinnen und Schüler, die mit ihren Lesewerten unter Kompetenzstufe III liegen, fällt in Deutschland vergleichsweise klein aus.

Grössere Unterschiede zeigen sich bezüglich der Ergebnisse in den Ver stehensleistungen: Während Deutschland vor allem bei den textimmanenten Ver stehensleistungen hohe Werte aufweist (555 Punkte), ist der Wert für die wissensbasierten Verstehensleistungen mit 540 Punkten vergleichsweise niedrig.

Die Differenz zwischen diesen beiden Leistungen ist im internationalen Vergleich als relativ hoch einzuschätzen. Werden die Ergebnisse der Länder der Bundesrepublik Deutschland im Einzelnen betrachtet, so zeigt sich insgesamt ein recht heterogenes Bild. Thüringen ist das einzige Land, in dem die Lesekompetenz der getesteten Schülerinnen und Schüler auf der Gesamtskala signifikant über dem deutschen Mittelwert liegt. signifikant unter dem deutschen Mittelwert liegen Hamburg und Bremen, jedoch liegen sie damit immer noch im Bereich der Mittelwerte der EU- und der OECD-Vergleichsgruppe.

In IGLU wird die Leseleistung beim Lesen von literarischen und informierenden Texten untersucht, um das Lesen mit verschiedenen Leseabsichten zu berücksichtigen. Wird die Ausgewogenheit der Leseleistungen bei literarischen und informierenden Texten als wichtiges Kriterium für erfolgreiches Lesen angesetzt, so ist festzustellen, dass lediglich in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen und im Saarland kein signifikanter Unterschied zwischen den Leseleistungen der Schülerinnen und Schüler bei diesen beiden Leseabsichten besteht.

In den Ländern, in denen Differenzen festgestellt werden können, schneiden die Kinder beim literarischen Lesen besser ab. Hier sollte darüber nachgedacht werden, wie das Lesen und Erschliessen von informierenden Texten besser gefördert werden kann. Bayern und Thüringen schneiden im Hinblick auf die in IGLU erfassten textimmanenten und wissensbasierten Verstehensleistungen vergleichsweise gut ab, jedoch schneiden die Schülerinnen und Schüler in allen Ländern bei den wissensbasierten Verstehensleistungen signifikant schlechter ab als bei den textimmanenten Verstehensleistungen. Der Anteil derjenigen Kinder, die die Kompetenzstufe III nicht erreichen, ist in Thüringen vergleichsweise gering und liegt unter dem deutschen Anteil. Dagegen ist der jeweilige Anteil von Schülerinnen und Schülern unterhalb der Kompetenzstufe III in Berlin und Bremen relativ gross und liegt über dem deutschen Anteil. Bremen weist darüber hinaus nur einen geringen Anteil von Kindern auf Kompetenzstufe V auf und liegt unter dem deutschen Mittelwert.

In Bayern und Thüringen ist dieser Anteil fast dreimal so hoch. Im Vergleich der Ergebnisse von IGLU 2001 und IGLU 2006 hat sich die Lesekompetenz der Viertklässlerinnen und Viertklässler nur in Bayern verbessert. In allen anderen Ländern, die zum Vergleich herangezogen werden können, lassen sich keine signifikanten Differenzen zwischen den beiden Erhebungszeitpunkten feststellen, wobei die meisten betrachteten Länder im Jahr 2006 nominell höhere Werte aufweisen als fünf Jahre zuvor. Was die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen betrifft, so erreichen Mädchen in Deutschland eine um 7 Punkte signifikant bessere Leistung auf der Gesamtskala Lesen als Jungen. In den Ländern ergeben sich für das Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt signifikante Unterschiede zugunsten der Leseleistung der Mädchen. In diesen Ländern ist zu überlegen, wie eine spezifische Leseförderung bei Jungen initiiert und umgesetzt werden kann. Neben Leseleistungen werden im Rahmen von IGLU das Leseselbstkonzept, die Lesemotivation und das Leseverhalten der Kinder untersucht.

Die Indexwerte, die für das Leseselbstkonzept errechnet wurden, sind insbesondere in Bayern vergleichsweise hoch. In Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Berlin fallen die Werte dagegen relativ niedrig aus. Hinsichtlich der Lesemotivation weisen 58 Prozent der Viertklässlerinnen und Viertklässler einen hohen Indexwert und damit sehr positive Einstellungen zum Lesen auf. Diese günstige Lesemotivation findet sich in einer Mehrzahl der Länder der Bundesrepublik Deutschland. Hinsichtlich des Leseverhaltens ist insbesondere der Anteil derjenigen Kinder von Interesse, die angeben, ausserhalb der Schule nie oder fast nie zum Vergnügen zu lesen. Die Anteile dieser Kinder liegen in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Bremen signifikant oberhalb des deutschen Anteils.

Auch in Hamburg, Thüringen und Rheinland-Pfalz liest ungefähr ein Sechstel der Schülerinnen und Schüler nach eigenen Angaben ausserhalb der Schule nie oder fast nie zum Vergnügen. Während sich in Bezug auf die Leseleistung gemessen am internationalen Massstab nur geringe Unterschiede zugunsten der Mädchen abzeichnen, sind die Differenzen in den motivationalen Merkmalen erheblich. Dies betrifft zunächst die Einstellung zum Lesen: In Deutschland weisen 68.5 Prozent der Mädchen und 46.9 Prozent der Jungen einen hohen Indexwert in der Einstellung zum Lesen auf. Ein niedriger Indexwert findet sich bei 3.4 Prozent der Mädchen und 11.6 Prozent der Jungen. Ähnlich zeigt sich dies auch in den Ländern. Besonders gross ist die Differenz bei der Lesemotivation zwischen Mädchen und Jungen in Baden-Württemberg, im Saarland und in Mecklenburg-Vorpommern.

Der Anteil an Jungen mit niedriger Lesemotivation ist in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und im Saarland besonders hoch. Bedenklich ist auch die Geschlechterdifferenz beim Anteil derjenigen Kinder, die angeben, ausserhalb der Schule nie oder so gut wie nie zum Vergnügen zu lesen. In Deutschland gilt dies für 8.8 Prozent der Mädchen und für 19.4 Prozent der Jungen. Diese Geschlechterdifferenz ist in Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Bayern, Thüringen und Berlin vergleichsweise stark ausgeprägt.

3 Rahmenbedingungen für den Erwerb von Lesekompetenz

IGLU liegt ein theoretisches Rahmenmodell zugrunde, das Schulleistungen als Ergebnis vielfältiger gesellschaftlicher, häuslicher, schulischer, unterrichtlicher und individueller Ausgangsbedingungen auffasst. Im Folgenden werden zentrale Ergebnisse zu einigen dieser Merkmale berichtet.

3.1 Unterrichts- und schulbezogene Merkmale

Im Jahr 2006 beträgt die durchschnittliche Klassenstärke des 4. Jahrgangs in der Bundesrepublik Deutschland 21.7 Schülerinnen und Schüler und ist damit mit der Klassenstärke der an IGLU 2006 beteiligten Staaten der EU (21.6 Schülerinnen und Schüler) vergleichbar. Die Jahresunterrichtszeit liegt laut Aussagen des Statistischen Bundesamts bei durchschnittlich 827 Stunden und damit im Bereich des Werts der EU-Vergleichsgruppe (824 Stunden).

Hinsichtlich der jährlich aufgewendeten Unterrichtszeit weisen Berlin, Bremen und Thüringen die höchsten Werte in der Bundesrepublik Deutschland auf, das Saarland dagegen die niedrigsten. Allerdings wird im Saarland und in Hamburg der höchste Anteil der Unterrichtsstunden für Sprachunterricht aufgewendet. Der diesbezüglich geringste Anteil zeigt sich in Bremen. Explizit für Leseunterricht nutzen Lehrkräfte in Hamburg die meiste Unterrichtszeit; in Bremen liegt der entsprechende Wert am niedrigsten. Lehrkräfte an Grundschulen in Deutschland wenden in der 4. Jahrgangsstufe verglichen mit den an IGLU 2006 beteiligten Staaten der EU (VGEU: 22.1 Prozent) in einem Schuljahr im Mittel deutlich weniger Zeit für Leseunterricht auf (13.9 Prozent). Dieser Anteil fällt sogar noch geringer aus als bei IGLU 2001 (18.0 Prozent).

Im Jahr 2006 haben 85 Prozent der Viertklässlerinnen und Viertklässler an ihrer Grundschule Zugang zu einem Computer, dies sind 24 Prozentpunkte mehr als bei IGLU 2001. 65 Prozent der Kinder haben Zugriff auf das Internet, dies sind 38 Prozentpunkte mehr als bei IGLU 2001. Allerdings zeigen sich bei IGLU 2006 erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern in der IT-Ausstattung: Lediglich in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen haben alle Kinder Zugang zu einem Computer. In Brandenburg (66 Prozent) und Bremen (31 Prozent) sind die Anteile derjenigen Kinder, die an ihrer Schule Zugang zu einem Computer haben, seit IGLU 2001 deutlich angestiegen. In der Hälfte der Länder der Bundesrepublik Deutschland können 2006 sogar mehr als 80 Prozent der Viertklässlerinnen und Viertklässler einen Computer in ihrem Klassenraum nutzen. In Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben nahezu alle Kinder an ihrer Schule Zugang zum Internet; Grundschulen in Brandenburg (63 Prozent) und Bremen (55 Prozent) verzeichnen seit IGLU 2001 diesbezüglich deutliche Zuwachsraten.

Im Vergleich zu IGLU 2001 ergreifen im Jahr 2006 mehr Schulen Massnahmen zur Verbesserung des Leseunterrichts. In diesem Zusammenhang hat sich insbesondere das Angebot an Fortbildungen, die von der Schule organisiert werden, deutlich erhöht. Eine erhöhte Zahl an Massnahmen zur Verbesserung des Leseunterrichts zeigt sich insbesondere in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Hessen; dagegen sind diese Angebote in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen eher selten zu finden. Massnahmen der Differenzierung und Förderung innerhalb der Klasse sind in Deutschland insgesamt immer noch selten. Nur 24 Prozent der Kinder besuchen Klassen, in denen zur Differenzierung niveauangepasstes Material eingesetzt wird. Eine innerhalb Deutschlands stärker ausgeprägte Förderkultur zeigt sich tendenziell in Nordrhein-Westfalen, Berlin, Sachsen und Bremen, nur gering ausgeprägt sind die genannten Differenzierungsmassnahmen in Hessen, im Saarland und in Rheinland-Pfalz.

Der Unterrichtsanteil der Schulleitungen, der in Deutschland sehr unterschiedlich ausgeprägt ist, liegt im internationalen Vergleich sehr hoch. Wird ins Kalkül gezogen, dass Schulentwicklung vor allem von der Einzelschule ausgeht (Rolff, 2007), benötigen Schulen Kapazitäten, um ihr Profi l zu schärfen und qualitätsverbessernde Massnahmen zu ergreifen. In Ländern, in denen die Schulleitungen weniger unterrichten, wird tendenziell mehr Zeit für Massnahmen der Schulentwicklung genutzt. Eine Reduzierung der Unterrichtszeit von Schulleitungen kann vermutlich aber nur dann als eine Investition in die Qualität von Schule angesehen werden, wenn gleichzeitig qualifi zierende Massnahmen für Schulleitungen durchgeführt werden. überraschenderweise ist seit IGLU 2001 der Anteil des Leseunterrichts am Gesamtunterricht in Deutschland zurückgegangen und liegt 2006 deutlich unter dem europäischen Durchschnitt.

Eine Erhöhung dieses Anteils wäre im Hinblick auf die Förderung aller Grundschülerinnen und Grundschüler wünschenswert, insbesondere aber für diejenigen relevant, deren Lesekompetenz als nicht ausreichend (unter Kompetenzstufe III) bezeichnet werden muss. Dabei könnten Förderaktivitäten wie Massnahmen der personellen Unterstützung und Formen des selbstgesteuerten, differenzierten Lernens im Unterricht ausgebaut werden, um jedem Kind auf seinem Leseniveau Lernfortschritte zu ermöglichen. Dazu gehört im Rahmen einer umfassenden Persönlichkeitsförderung von Kindern auch, Lernbiographien in den Blick zu nehmen, individuelle Stärken und Schwächen der Kinder mithilfe von förderdiagnostischen Verfahren beziehungsweise transparenten Kriterien zu erfassen und Konsequenzen für den Unterricht abzuleiten. Da der Anteil von Schülerinnen und Schülern auf der höchsten Kompetenzstufe (Kompetenzstufe V) in Deutschland noch deutlich ausbaufähig ist, sollten Massnahmen der Leseförderung gleichzeitig auch die guten Leserinnen und Leser ansprechen und erreichen.

Der Umfang der Lesehausaufgaben, der sich in den Ländern sehr unterschiedlich darstellt, kann mithilfe von quantitativen Krite rien kaum plausibel eingeordnet werden. Lesehausaufgaben sind insbesondere dann sinnvoll, wenn sie in einen Gesamtkontext sinnvoll eingebettet sind (sowie Kindern diesbezüglich transparent sind) und an den jeweiligen Lernvoraussetzungen anknüpfen. Insofern sollte zukünftig auch in diesem Bereich verstärkt über differenzierende Massnahmen nachgedacht werden, die den Erhalt und die Förderung von Lesemotivation als Ziel verfolgen.

Der Anteil des Leseunterrichts am Gesamtunterricht ist insgesamt nur als ein Indikator unter vielen anderen für die schulischen Rahmenbedingungen des Lesenlernens heranzuziehen, zumal Deutschland im internationalen Vergleich der Leseleistungen trotz tendenziell geringer Leseunterrichtszeit überdurchschnittlich gut abschneidet. Perspektivisch sollte darüber nachgedacht werden, ob der Leseunterricht stärker fäNcherübergreifend verankert werden kann (z.B. durch schuleigene Leselehrpläne) und zeitliche Potentiale des Ganztagsbetriebs für die Leseförderung intensiver genutzt werden können. Eine umfassende Leseförderung könnte im Unterrichtsalltag durchgängig und unabhängig von bestimmten Leseunterrichtszeiten vermutlich dann systematisch realisiert werden, wenn sie im Rahmen eines pädagogischen Leitkonzepts der Einzelschule konzeptionell stimmig verankert wäre und damit im Fokus aller Beteiligten stünde.

3.2 Soziale Herkunft und Schülerleistungen

Internationale Schulleistungsstudien haben in den vergangenen Jahren immer wieder auf die in Deutschland vergleichsweise sehr enge Koppelung zwischen dem sozialen Status des Elternhauses und dem Schulerfolg der Kinder hingewiesen. Diese sozial bedingten Disparitäten lassen sich auch in den Leistungen der hier getesteten Länder feststellen.

Die in diesem Band vorgelegten Analysen im Rahmen von IGLU 2006 zeigen, dass der Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft der Kinder und deren Lesekompetenz am Ende der 4. Jahrgangsstufe in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland sehr unterschiedlich ausfällt. Während sich Berlin und Hamburg durch ein sehr grosses Mass an sozialen Disparitäten auszeichnen, weist Bayern Werte auf, die auch im internationalen Vergleich als relativ gering einzuschätzen sind.

Es zeigt sich klar, dass die sehr geringen Unterschiede im mittleren sozialen Status der Länder nicht geeignet sind, um die Differenzen in der mittleren Lesekompetenz zu erklären. Ausgehend vom HISEI (einem etablierten Mass für den sozialen Status auf Basis des Berufs der Eltern) wären Lesekompetenzwerte zwischen 544 in Sachsen-Anhalt und 550 in Baden-Württemberg zu erwarten, tatsächlich streuen die Mittelwerte von 522 in Bremen bis zu 564 in Thüringen.

3.3 Migrationshintergrund

Sowohl IGLU 2006 als auch IGLU 2001 zeigen, dass eine multikulturell geprägte Schülerschaft heute für viele Grundschülerinnen und Grundschüler die Normalität darstellt, auch wenn regionale Unterschiede bezüglich der Anteile von Kindern mit Migrationsgeschichte stark ausgeprägt sind. In Deutschland ist insgesamt eine disproportionale Verteilung von Kindern mit Migrationshintergrund zu verzeichnen; es gibt hohe Anteile von Kindern mit Migrationshintergrund in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sowie niedrige Anteile dieser Gruppe von Viertklässlerinnen und Viertklässlern in den östlichen Ländern.

Im Bundesdurchschnitt erreichen Kinder, deren Eltern im Ausland geboren worden sind, auf der Leseskala niedrigere Werte als Kinder mit einem im Ausland geborenen Elternteil sowie Kinder mit in Deutschland geborenen Eltern. Die im Rahmen von IGLU 2006 durchgeführten Mehrebenenanalysen weisen nach, dass der Migrationshintergrund von Kindern auch bei Kontrolle weiterer Rahmendaten einen signifikant negativen Effekt auf das Leseverständnis hat. Wird zudem auch der heimische Sprachgebrauch berücksichtigt, hat der Migrationshintergrund von Kindern einen Effekt auf das Leseverständnis innerhalb der Klassen; der Effekt des Anteils von Kindern mit Migrationshintergrund als Klassenmerkmal fällt jedoch nicht statistisch signifikant aus.

Der heimische Sprachgebrauch der Kinder erweist sich zudem im Sinne einer aggregierten Information auf Klassenebene als eine bedeutende Erklärungsvariable für die gefundenen Unterschiede in der Lesekompetenz. Soziokulturelle und sozioökonomische Rahmenbedingen weisen sowohl bei der Betrachtung von Unterschieden zwischen Kindern innerhalb der Klassen als auch - zusammengefasst als Klassenmerkmal - bei der Erklärung von Unterschieden zwischen den Klassen einen deutlichen Effekt auf. Diese Abhängigkeit des Leseverständnisses von sozialen und ökonomischen Merkmalen der Familien stellt essentielle Herausforderungen an das Schulsystem.

Für Deutschland insgesamt kann festgestellt werden, dass Grundschulkinder mit Migrationshintergrund, vor allem Jungen, deren Familiensprache nicht Deutsch ist und die in einem sozioökonomisch und soziokulturell unterprivilegierten Elternhaus aufwachsen, auf der Gesamtskala Lesen bei IGLU 2006 niedrigere Werte erreichen als Kinder, auf die diese Merkmale nicht zutreffen. Diese Nachteile summieren sich zu einem Leistungsrückstand, der auf Individualebene mehr als ein Lernjahr umfassen kann.

Die hinzukommenden Klasseneffekte können die genannten Effekte verstärken. Somit stellt diese Gruppe der Kinder mit Migrationshintergrund eine besondere Herausforderung für Grundschulen in der Bundesrepublik Deutschland dar.

3.4 Lesesozialisation im Elternhaus

Die Befunde zur Lesesozialisation im Elternhaus auf Länderebene bestätigen die im ersten Berichtsband zu IGLU 2006 bereits für Deutschland dargestellten Ergebnisse (Stubbe, Buddeberg, Hornberg & McElvany, 2007). Die Ausstattung mit (Kinder-)Büchern und das Vorbildverhalten der Eltern sind im internationalen Vergleich als gut einzuschätzen. Hingegen erweist sich das Ausmass der leseförderlichen Aktivitäten im Elternhaus in allen deutschen Ländern als vergleichweise gering.

Die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern in den einzelnen Bereichen der Lesesozialisation und im Gesamtindex fallen insgesamt relativ gering aus. Theoriekonform zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang des Indexes der Lesesozialisation sowohl mit dem sozialen Status des Elternhauses als auch mit der Lesekompetenz am Ende der Grundschulzeit. Schülerinnen und Schüler, die in einem leseaffinen Elternhaus aufwachsen, weisen einen deutlichen Vorteil beim Kompetenzerwerb in der Grundschule auf. Hierbei handelt es sich überdurchschnittlich oft um Familien aus den oberen sozialen Lagen.

Die vorgestellten Analysen legen vor allem zwei Konsequenzen nahe. Zum einen könnte es hilfreich sein, die Elternhäuser schon deutlich vor der Einschulung der Kinder zu erreichen, um insbesondere bildungsferneren Familien die grosse Bedeutung von leseförderlichen Aktivitäten für den späteren Schulerfolg zu verdeutlichen. Zweitens dürfte es hilfreich sein, Lehrerinnen und Lehrer noch stärker zu sensibilisieren, damit Unterschieden in den Vorkenntnissen der Kinder bei der Einschulung beziehungsweise in den Möglichkeiten der häuslichen Unterstützung während der Schulzeit im Unterricht angemessen begegnet werden kann.


4 Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse zum Ländervergleich bei IGLU 2006 lassen eine Reihe von Schlussfolgerungen zu.

Erste Schlussfolgerung: Erhöhung der Effizienz des Leseunterrichts mithilfe von Förderaktivitäten.

Massnahmen der Differenzierung und Förderung im Unterricht sind in Deutschland insgesamt noch selten zu finden. Förderaktivitäten im Klassenraum wie Massnahmen der personellen Unterstützung oder Formen des selbstständigen, differenzierten Lernens können sinnvoll sein, um zu gewährleisten, dass jedes Kind auf seinem Leseniveau Lernfortschritte erzielen kann. Dazu gehört im Rahmen einer umfassenden Persönlichkeitsförderung von Grundschulkindern auch, Lernbiographien frühzeitig in den Blick zu nehmen, individuelle Stärken zu fördern sowie auf Schwächen lernförderlich - das heisst ermutigend und unterstützend - einzugehen.

Neben dem zielgerichteten Einsatz von förderdiagnostischen Verfahren (Beobachtung, standardisierte Testverfahren) ist es darüber hinaus notwendig, den Kindern ihre jeweiligen Leseentwicklungen kriteriengeleitet aufzuzeigen sowie entsprechend geeignete Formen der Leistungsbeurteilung und der Leistungsrückmeldung einzusetzen (Winter, 2006).

Perspektivisch ist darüber nachzudenken, wie der Leseunterricht noch stärker fächerübergreifend verankert werden könnte (z. B. mithilfe schuleigener Leselehrpläne) und wie zeitliche Potentiale des Ganztags für die Leseförderung gezielt genutzt werden können.

Im Einzelnen sind folgende Aspekte in Bezug auf die Verbesserung des Lese unterrichts bedeutsam:

Verringerung des Anteils von Schülerinnen und Schülern auf den unteren Kompetenzstufen Kinder, die am Ende der 4. Jahrgangsstufe bezüglich ihrer Leseleistung unterhalb der Kompetenzstufe III einzuordnen sind, benötigen dringend eine gezielte Förderung. Sowohl in Berlin (mit einem Anteil von 24.9 Prozent) und Bremen (22.5 Prozent) als auch in Hamburg (22.1 Prozent) ist darüber nachzudenken, wie spezifische Leseförderprogramme eingesetzt werden könnten. Es ist anzunehmen, dass sich der Anteil leseschwacher Schülerinnen und Schüler minimieren liesse, wenn schon in den ersten Grundschulklassen früh einsetzende und gezielte Fördermöglichkeiten greifen würden, zum Beispiel auch durch das Heranziehen von Experten, Schulpsychologen, Sozialpädagogen und Sprachheilpädagogen. Vorbilder dazu finden sich vor allem in den skandinavischen Staaten. Auch eine Verbesserung des Erstunterrichts sowie der Förderdiagnostik beim Schriftspracherwerb (Hofmann & Valtin, 2007), die mit einer verbesserten Lehrerausbildung einhergehen muss, könnte dazu verhelfen, dass einzelne Kinder aufgrund ihrer Lernrückstände nicht weiter zurückfallen (Hanke, 2007; Kirschhock, 2004; Schründer-Lenzen, 2004; Valtin, 2003). Als wirksam hat sich auch die Förderung spezifischer Teilleistungen bei schwachen Leserinnen und Lesern erwiesen (Scheerer-Neumann & Hofmann, 2005). Für viele Kinder aus bildungsfernen Milieus und für Kinder mit Migrationshintergrund könnten weiterhin vorschulische Fördermassnahmen sinnvoll sein. Eine auf Basis einer Sprachstandsfeststellung am Ende des 4. Lebensjahres gezielte Sprachförderung erfolgt zum Beispiel in Kindergärten in Nordrhein-Westfalen. Darüber hinaus ist zu überlegen, wie Elternhäuser schon vor der Einschulung einbezogen werden könnten, um insbesondere bildungsferneren Familien die Bedeutung von leseförderlichen Aktivitäten für den späteren Schulerfolg verdeutlichen zu können.

Verbesserung der Leseleistung bei wissensbasierten Leseaufgaben Eine unterrichtliche Herausforderung, der sich alle Länder zu stellen haben, ist die Verbesserung der Leseleistung bei den "wissensbasierten" Leseaufgaben. Stärker betont werden sollten Aufgaben, die dem tieferen Verständnis eines Textes dienen, den Bezug zum eigenen Weltwissen herstellen sowie Sprache prüfen und bewerten. Wie die Angaben der Lehrkräfte zeigen, sind folgende Aktivitäten vergleichsweise selten Bestandteil der Unterrichtspraxis: Das Gelesene mit den eigenen Erfahrungen vergleichen, Voraussagen machen, was als Nächstes passieren wird (Text antizipieren), sowie das Gelesene mit anderen Dingen vergleichen, die bereits gelesen wurden. In den europäischen Staaten, die signifikant höhere Werte als Deutschland in den wissensbasierten Verstehensleistungen erreichen (Italien, Ungarn und die Russische Förderation), sind derartige übungen regelmässiger Bestandteil des Unterrichts. In Deutschland sind zudem Aktivitäten relativ selten, die einen produktiven Umgang mit dem Gelesenen erfordern, wie zum Beispiel gemeinsame Literaturprojekte durchführen oder eigene lektürebezogene Textproduktionen der Schülerinnen und Schüler anregen (Lankes & Carstensen, 2007).

Steigerung des Anteils der Schülerinnen und Schüler auf der höchsten Kompetenzstufe Im innerdeutschen Vergleich weisen Bremen (5.5 Prozent), Hamburg (6.8 Prozent), Hessen (8.1 Prozent) und Berlin (8.6 Prozent) einen vergleichsweise niedrigen Anteil von Kindern auf der höchsten Lesekompetenzstufe auf. Hier wäre darüber nachzudenken, wie sich dieser Anteil erhöhen liesse. Es gibt inzwischen viele Massnahmen im Leseunterricht, die sich als effektiv bei der Förderung von Leseleistungen nach der alphabetischen Phase erwiesen haben, wie zum Beispiel die Verbesserung des Leseverstehens (Wedel-Wolff & Crämer, 2007) oder die gezielte Förderung von Lesestrategien (Gold, 2005; Rühl, 2005; Scheerer-Neumann & Schnitzler, 2008) und von metakognitiven, reflexiven Prozessen, die der Steuerung des Leseprozesses dienen (Kollenrott, Kölbl, Billmann-Mahecha & Tiedemann, 2007). Da die wissensbasierten Verstehensleistungen der Lesekompetenz gegenüber den textimmanenten Verstehensleistungen tendenziell als komplexer und voraussetzungsreicher einzuschätzen sind, ist zu vermuten, dass sich durch eine gezielte Förderung der wissensbasierten Verstehensleistungen die Anteile der Leserinnen und Leser auf der höchsten Kompetenzstufe erhöhen liessen.

Weckung und Steigerung der Lesemotivation, insbesondere bei Jungen Neben Massnahmen, die sich auf die eher kognitiven Aspekte des Lesens richten, sind die Weckung und Steigerung der Lesemotivation insbesondere bei den Jungen erforderlich. Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland in Bezug auf die Einstellung zum Lesen und den Anteil der Kinder, die angeben, ausserhalb der Schule nie oder fast nie zum Vergnügen zu lesen, sehr günstig ab. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Ländern sowie die Geschlechterdifferenzen erheblich. In den letzten Jahren haben die Jungen als das "benachteiligte Geschlecht" besondere Aufmerksamkeit erfahren (Valtin, Wagner & Schwippert, 2005). Zahlreiche Projekte sind aus diesem Grund mit dem Ziel durchgeführt worden, die Leseleistung und das Interesse der Jungen am Lesen zu verbessern (vgl. Garbe, 2003; Müller- Walde, 2005; Wienholz, 2005). Aus der Sicht von IGLU 2006 scheinen diese Massnahmen indirekt erfolgreich, da bei dieser Erhebung im Vergleich zu IGLU 2001 die Jungen ihre Leistungen um 11 Punkte, Mädchen dagegen ihre Leistungen um 6 Punkte steigern konnten. Deshalb gehen die signifikant besseren Leseergebnisse für Deutschland im Jahr 2006 mitunter auch auf das Konto der Jungen. Erfreulich ist weiterhin, dass bei IGLU 2006 ungefähr ebenso viele Jungen (57 Prozent) wie Mädchen (59 Prozent) einen hohen Indexwert im Selbstkonzept aufweisen, gilt doch das leistungsbezogene Selbstvertrauen als eine Voraussetzung für die Entwicklung von Motivation (Pekrun, Frenzel, Zimmer & Lichtenfeld, 2005). Bei IGLU 2001 verfügten demgegenüber nur 40 Prozent der Jungen und 46 Prozent der Mädchen über einen hohen Indexwert im Leseselbstkonzept.

Als auffällig erweisen sich nach wie vor die geringe Lesemotivation der Jungen (vor allem in Brandenburg, Mecklenburg- Vorpommern, Sachsen-Anhalt sowie im Saarland) und der hohe Anteil der Kinder, die ausserhalb der Schule nicht zum Vergnügen lesen (besonders in Rheinland- Pfalz, Brandenburg, Bayern, Thüringen und Berlin). In der Forschungsliteratur gibt es weitgehende Einigkeit bezüglich der Möglichkeiten zur Steigerung von Lesemotivation, von der insbesondere Jungen profi tieren können (Artelt et al., 2005; Linnakylä, 2008; Richter & Plath, 2005). Diese beziehen sich sowohl auf den gesamten Unterricht (z. B. durch ein weites Textangebot) als auch individuell auf die Motivierung des einzelnen Kindes. Insbesondere literarische Texte bieten im Rahmen von Anschlusskommunikationen (Hurrelmann, 2002) vielversprechende Möglichkeiten, emotionale und soziale Fähigkeiten auszubilden und sich affektiv beim Lesen zu engagieren (Identifikation, geniessendes Lesen), um Lesemotivationen zu schaffen und langfristig aufrecht zu erhalten. Insgesamt hat es sich als günstig erwiesen, Massnahmen zur Förderung der Lesemotivation nicht isoliert einzusetzen, sondern in die Vermittlung von Lese- und Lernstrategien zu integrieren und refl exive Leseprozesse anzubahnen (Artelt et al., 2005). Eine entsprechend umfassend angelegte Leseförderung (Rosebrock, 2003) wird insbesondere durch die Erkenntnisse der lesebiographischen Forschung nahegelegt, die zudem darauf hinweist, dass die ersten vier bis sechs Schuljahre als entscheidende Phase der Leseförderung zu betrachten sind (Garbe, 2005).

Zweite Schlussfolgerung: Den Leseunterricht und die Lehrerbildung in der Sekundarstufe I reformieren.

Als Fazit ihres Beitrags zum PISA 2003-Ländervergleich schreiben Drechsel und Schiefele (2005, S. 100): "Als grosse Herausforderung bleibt in den Schulen aller Länder, eine kumulative Entwicklung der Lesekompetenz auf der Sekundarstufe in unterschiedlichen Sach- und Fachzusammenhängen anzubahnen und zu fördern".

Diese Anbahnung hat in Deutschland in der Grundschule - wie die Ergebnisse von IGLU insgesamt zeigen - durchaus stattgefunden. In Anbetracht der Tatsache, dass die Leseleistungen derjenigen Kinder, die für eine bestimmte Sekundarstufenart empfohlen werden, jeweils über drei Kompetenzstufen streuen (Arnold, Bos, Richert & Stubbe, 2007), sind allerdings auch in der Sekundarstufe I - und zwar in allen Schulformen - gezielte Leseförderprogramme sinnvoll, und zwar vor allem für diejenigen Kinder, deren Leseleistung nicht über die Kompetenzstufe III hinausgeht.

Ansonsten werden diese Kinder voraussichtlich in allen Fächern Schwierigkeiten bei der Erarbeitung neuer Lerngegenstände haben. Leseförderung sollte daher als Aufgabe aller Fächer wahrgenommen werden. Der Sachverhalt, dass die Anzahl der Fünfzehnjährigen bei PISA, die angeben, nicht zum Vergnügen zu lesen (Artelt, Schneider & Schiefele, 2002), in den Ländern bis zu dreimal so gross ist wie bei den Viertklässlerinnen und Viertklässlern, deutet auf einen dringenden Bedarf an Weckung, Aufrechterhaltung und Steigerung der Lesemotivation in der Sekundarstufe I hin. Dies könnte auch zu Konsequenzen hinsichtlich einer Reform der Lehrerbildung führen.

Dritte Schlussfolgerung: Massnahmen zur Förderung von Kindern aus bildungsfernen Milieus.

Um die Abhängigkeit des Schulerfolgs von der sozialen Herkunft zu mindern, scheinen verschiedene Massnahmen sinnvoll:

Gezielte Elternarbeit fördern Es könnte versucht werden Möglichkeiten zu finden, wie die Elternhäuser schon vor der Einschulung der Kinder erreicht werden können, um insbesondere bildungsferneren Familien die grosse Bedeutung von leseförderlichen Aktivitäten für den späteren Schulerfolg zu verdeutlichen. Weiterhin könnte über Möglichkeiten nachgedacht werden, die insbesondere bildungsferne Familien zum Aufbau einer häuslichen Schriftkultur anregen (Sasse & Valtin, 2006).

Ausbau vorschulischer Einrichtungen Eine gezielte Sprachförderung im Vorschulalter, die auf der Grundlage einer frühzeitig erfolgten Lernstandserhebung stattfindet, ist eine gute Vorbereitung für den Schriftspracherwerb. In den vorschulischen Institutionen sollte dafür gesorgt werden, dass bei Kindern die Freude am Lesen geweckt beziehungsweise aufrecht erhalten wird und sie Lesen als eine gesellige Praxis erfahren lernen.

Verbesserung förderdiagnostischer Kompetenzen der Lehrkräfte Lehrerinnen und Lehrer könnten noch stärker dafür sensibilisiert werden, Unterschieden in den Kenntnissen der Kinder bei der Einschulung beziehungsweise in den Möglichkeiten der häuslichen Unterstützung während der Schulzeit im Unterricht angemessen zu begegnen sowie adäquate Formen förderdiagnostischer Verfahren (z. B. Beobachtung, Standardisierte Tests) systematisch einzusetzen.

Einrichtung von Ganztagsgymnasien Die Gründung von Ganztagsgymnasien kann sinnvoll sein, wenn leistungsstarke Kinder aus unterprivilegierten Schichten am Nachmittag dort das anregungsreiche Lernmilieu vorfinden, das ihnen die eigenen Elternhäuser nicht bieten können. Alle hier genannten überlegungen betreffen im übrigen auch eine mögliche Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund.

Vierte Schlussfolgerung: Gezielte Förderung für Kinder mit Migrationshintergrund.

Die Förderung für Kinder mit Migrationshintergrund sollte in der Grundschule einen besonderen Stellenwert erhalten und intensiviert werden. Angesichts dessen, dass ein nicht hinnehmbarer Teil der Kinder, deren Eltern im Ausland geboren wurden, am Ende der vierten Jahrgangsstufe nicht über die entsprechenden Kompetenzen verfügt, die es erlauben, sicher und selbstständig mit Texten umzugehen, besteht dringender Handlungsbedarf.

Ein umfassender Förderbedarf liegt für diese Kinder wahrscheinlich auch im Sekundarschulbereich vor, da sie sonst vermutlich überproportional zu denjenigen gehören, die ohne Berufsabschluss bleiben. In dem Hamburger Leseförderprojekt (HELP 2006/07, 2007/08), einer Interventionsstudie in Klassenstufe 5, wurde beispielsweise ein integriertes schriftsystematisches und schriftkulturelles Konzept zur Leseförderung eingesetzt, von dem nach den bisherigen Auswertungsergebnissen sowohl Kinder mit Migrationshintergrund als auch Kinder aus bildungsfernen Familien profitieren (Blatt, Müller & Voss, 2007; Blatt, Voss, Gebauer & Kowalski, 2008; Blatt, Müller, Voss & Gebauer, in Vorb.). Insgesamt zeigen die Ergebnisse von IGLU 2006, nicht zuletzt auch im Vergleich zu IGLU 2001, dass die Grundschule in Deutschland auf einem vielversprechenden Kurs liegt und ihre Hausaufgaben gemacht hat. Für die Länder gilt: einige mehr, einige weniger.

Quelle: Text IGLU 2006 Deutschland, Dezember 2008
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