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Swissaid: Agrotreibstoffe in Afrika - Versuchung und Hoffnungsschimmer

von Mamadou Goita, Direktor IRPAD, Bamako (Mali)

Afrika wird einmal mehr zum Spielball fremder Interessen. Wie früher gaukeln äussere Kräfte dem Kontinent grosse Gewinn- und Entwicklungsmöglichkeiten vor. Multinationale Konzerne und nationale Unternehmen, die nach Profit bringenden Lösungen für das Problem des übermässigen Treibstoffverbrauchs suchen, versprechen Afrika ein «Agrotreibstoff-Manna» wie einst das «Erdöl-Manna». So werden Agrotreibstoffe heute als teilweiser Ersatz für fossile Treibstoffe propagiert und angesichts der Gefahr einer Energiekrise, die sich durch den Anstieg des Erdölpreises auf dem Weltmarkt ankündigt, als Allheilmittel dargestellt.

Die Nachfrage nach Agrotreibstoffen erlebt deshalb einen wahren Boom. Mit verschiedenen Argumenten und zum Teil verdeckten Motiven versuchen Unternehmen, den Anbau von Pflanzen zur Gewinnung solcher Treibstoffe durch afrikanische Kleinbauern zu forcieren. Dabei stellt sich aber eine Reihe grundlegender Fragen für die Zukunft.

Wunderpflanze Jatropha

Wie in den meisten westafrikanischen Ländern werden auch in Mali mit der Wunderpflanze Jatropha die Vorteile einer Neuausrichtung der afrikanischen Landwirtschaft auf den Anbau von Agrotreibstoffpflanzen angepriesen.

Jatropha wird in Mali seit langem als «lebender Zaun» zur Abgrenzung der Felder und wegen ihres Öls genutzt.

Heute wird die Pflanze indessen als Lösung für die lokalen Entwicklungsprobleme präsentiert. Neben den westafrikanischen Regierungen investieren private Akteure - oft für multinationale Konzerne und Länder des Nordens - in den grossflächigen Anbau von Jatropha, um aus ihrem Öl Treibstoff zu gewinnen.

Die Baumwollkrise, die seit einigen Jahren in verschiedenen Ländern herrscht, bot eine günstige Gelegenheit, die Bauern in den Baumwollgebieten zu einer Produktionsumstellung zu bewegen. Da sich die Rahmenbedingungen ständig verschlechtern, suchen nämlich viele Bauern nach Möglichkeiten, um ihre Existenz nachhaltig zu sichern. Für sie ist es aber schwierig, die Chancen und Risiken der Agrotreibstofferzeugung gegeneinander abzuwägen. Die Diskussion ist deshalb sogar in Bauernorganisationen kontrovers, welche an sich die Förderung der Ernährungssouveränität anstreben.

In den vergangenen Jahren haben sich in Afrika verschiedene Agrotreibstoffkulturen stark ausgeweitet. So wird in Teilen des Kontinents heute Zuckerrohr für die Gewinnung von Treibstoffen angepflanzt. Besonders stark ausgeprägt ist diese Neuorientierung der Landwirtschaft in Mosambik. Fast alle afrikanischen Länder haben Pläne für den Agrotreibstoffanbau ausgearbeitet oder sind dabei, dies zu tun. Dafür gibt es einen Afrikanischen Fonds für die Entwicklung der Agrotreibstoffe, der vom Privatsektor der Länder Afrikas sowie des Nordens gemeinsam getragen wird.

Das Vorgehen der multinationalen Unternehmen und bi- und multilateralen Organisationen zwingt die afrikanischen Regierungen zu politischen Entscheidungen. Deshalb ist eine Debatte in Gang gekommen, welche die negativen Auswirkungen einer Entscheidung für den Agrotreibstoffanbau auf die Ernährungssouveränität der einzelnen Länder, aber auch ganzer Regionen aufzeigen will. So hat die heutige (zum Teil künstlich hervorgerufene) Ernährungskrise den sozialen Bewegungen in Afrika und auf anderen Kontinenten Gelegenheit geboten, um die folgenden grundsätzlichen Probleme in Erinnerung zu rufen:

Auswirkungen der Ausweitung der Agrotreibstoffkulturen auf die lokale, regionale, nationale und internationale Produktion:

Heute wird beispielsweise in Mali auf einem ständig wachsenden Anteil des Kulturlandes Jatropha angebaut. In einigen Fällen hat die Fläche, die früher für den Anbau dieser Pflanze genutzt wurde, um über 300% zugenommen. Dadurch sinkt die Produktion lokaler Getreidesorten. Ausserdem sinkt die Möglichkeit, bestimmte Felder in der Trockenzeit für den Gemüseanbau zu verwenden.

Art und Weise der Aneignung von Land in Afrika, der Zugang zu diesem Land und die Art der Bewirtschaftung:

Bereits heute eignet sich der Privatsektor Landwirtschaftsland an, um Agrotreibstoffe zu erzeugen. In Ländern wie Mosambik soll nun auf über 100'000 Hektar Land Zuckerrohr für die Agrotreibstofferzeugung angebaut werden. Staaten wie Senegal, Mauretanien (wo die Getreideproduktion bereits jetzt zu niedrig ist) und andere haben Vorbereitungen für riesige Agrotreibstoffkulturen getroffen.

Auswirkungen auf die Produktionsstruktur in Familienbetrieben:

Die neue Form des Anbaus von Pflanzen, deren Auswirkungen auf die Umwelt und auf den Anbau der lokalen Produkte kaum bekannt sind, bedroht das Gleichgewicht der Produktionssysteme in Afrika. Die Landwirtschaft wird industrialisiert und hauptsächlich auf die Produktion für den internationalen Markt ausgerichtet. Diese Entwicklung verschärft die existierenden Probleme und wirkt sich zum Nachteil der Kleinbauern aus, welche für die Ernährungssicherheit in den afrikanischen Ländern von zentraler Bedeutung sind.

Auswirkungen auf die Biodiversität und den Schutz der Wälder:

Für den Anbau von Pflanzen, die zur Erzeugung von Öl dienen, wird immer mehr Wald abgeholzt. Vor allem für die Länder der Sahelzone wird dies katastrophale Folgen haben. Denn die Jatropha-Pflanze hat nicht dieselbe Schutzwirkung wie die Pflanzen, die zerstört werden.

Auswirkungen auf die Einkommen der schwächsten Bevölkerungsgruppen:

Insbesondere die Frauen und die jungen Leute müssen immer mehr Land für den Anbau von Jatropha oder anderer Agrotreibstoffpflanzen an die Männer abtreten.

Agrotreibstoffe und gentechnisch veränderte Organismen (GVO):

Dass die meisten multinationalen Konzerne, die GVO vor allem in Afrika propagieren, auch den Anbau von Agrotreibstoffen forcieren, erstaunt nicht. Damit wird versucht, auch in Länder vorzudringen, die bisher beim Anbau von GVO gezögert haben. Wenn man die Akteure im Bereich der Agrotreibstoffe unter die Lupe nimmt, zeigt sich, dass sämtliche wichtigen Unternehmen des Erdölsektors und der Biotech-Industrie involviert sind.

Heute muss sich Afrika mehr denn je die Frage stellen, wie es sein Produktionssystem gestalten soll, das auf dem Grundsatz der Ernährungssouveränität basieren muss. Die Entscheidung für den Agrotreibstoffanbau ist eine grosse Versuchung. Allerdings gibt es einen Hoffnungsschimmer: Durch die gegenwärtige Ernährungskrise wird Afrika eindringlich daran erinnert, an seine Ernährungssouveränität zu denken. Hoffen wir, dass daraus die richtigen Konsequenzen gezogen werden.

Mamadou Goita ist Entwicklungsökonom und Direktor des Instituts für Erforschung und Verbreitung von Entwicklungsalternativen (IRPAD) in Bamako (Mali). Er ist Mitglied der regionalen Koordinationsgruppe der Koalition für den Schutz der des genetischen Erbe Afrikas (COPAGEN), arbeitet in verschiedenen Bauernorganisationen und sozialen Bewegungen Westafrikas mit und hat Lehraufträge an Universitäten und Instituten in Ouagadougou (Burkina Faso) und Dakar (Senegal). Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Konfiktmanagement, Regierungsführung, Baumwolle, Dezentralisierung und Migration.

Quelle: Text Swissaid, Mai 2008

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