Erbgut ordnet sich während der Entwicklung neu Die räumliche Anordnung des Erbguts im Zellkern spielt eine wichtige Rolle für die Entwicklung eines Lebewesens. Forschende der Universität Basel und der Harvard Universität haben eine Methode entwickelt, mit der sich Chromosomen in einzelnen Zellen verfolgen lassen. So konnten sie erstmals zeigen, dass sich das Erbgut während der Embryonalentwicklung umorganisiert. Die Studie ist in «Molecular Cell» erschienen. Unser Körper besteht aus verschiedensten Zellen mit unterschiedlichsten Aufgaben. Doch egal ob Herz-, Leber- oder Nervenzelle, sie alle enthalten die gleiche Erbinformation. Dass sich Zellen so unterschiedlich entwickeln, liegt daran, dass immer nur Teile der Chromosomen abgelesen werden. Einige Gene sind somit aktiv, andere dagegen auf stumm geschaltet. Für die Aktivierung von Genen spielt die Art und Weise der Verpackung sowie die räumliche Anordnung des Erbguts im Zellkern eine entscheidende Rolle. Die 3D-Architektur hat sich nun das Team von Prof. Susan Mango am Biozentrum der Universität Basel genauer angeschaut. Mit einer neuartigen Technik konnten sie einzelne Chromosomen während der embryonalen Entwicklung von Fadenwürmern verfolgen und zeigen, dass diese sich in der frühen Phase anders anordnen. Anordnung von Chromosomen ist nicht zufällig Aneinandergereiht wären alle DNA-Moleküle einer Zelle etwa zwei Meter lang. Damit die DNA in den nur wenige Mikrometer grossen Zellkern passt, muss sie dicht gepackt sein. Die einzelnen DNA-Fäden sind daher eng aufgewickelt und verpackt und bilden das Chromosom. Die Art und Weise wie sie aufgewickelt sind, bestimmt, welche Gene auf dem Chromosom abgelesen werden. Die Forscher um Prof. Susan Mango haben in ihrer Studie die Organisation einzelner Chromosomen während der frühen Embryonalentwicklung untersucht. Als Modell dienten ihnen embryonale Zellen des Fadenwurms C. elegans. «Mithilfe einer neuartigen Technik konnten wir in einzelnen Zellen mitverfolgen, wie sich die Chromosomen zu Beginn der Embryogenese räumlich anordnen», sagt Mango. «Der Vorteil dieser Methode ist, dass die Zellen und das Gewebe dabei vollkommen intakt bleiben.» Frühe Chromosomen sind hantelförmig Seit längerem ist bekannt, dass im Chromosom sich Regionen mit ähnlichen funktionellen Eigenschaften zusammenfinden und interagieren. So gibt es zwei voneinander abgegrenzte Bereiche, einen aktiven und einen stillgelegten. «In der frühen Phase der Embryonalentwicklung sind die Chromosomen jedoch etwas anders organisiert», sagt Ahilya Sawh, Erstautorin der Studie. «Im frühen Embryo haben sie eine hantelähnliche Form, in der Mitte befindet sich der aktive Bereich und an den beiden Enden die inaktiven.» Für diese Hantelform, so haben die Forscher herausgefunden, braucht es die Kernlamina - ein Proteinnetz, welches die Innenseite des Zellkerns auskleidet. Sie ist an den inaktiven Bereichen befestigt und zieht das Chromosom auseinander. Chromosomen organisieren sich während Embryonalentwicklung um «Erst ab einem späteren Zeitpunkt in der embryonalen Entwicklung, wenn die Keimblätter entstehen, sehen wir die bereits zuvor bekannte Abgrenzung in einen aktiven und einen inaktiven Bereich», erklärt Mango. «Durch unsere Chromosomen-Verfolgung konnten wir erstmals zeigen, dass sich die Chromosomen während der frühen Entwicklung neu anordnen, ein Reifungsprozess, bei dem die Kernlamina eine wichtige Rolle spielt.» Die Umorganisation der Chromosomen geht mit der Reifung der Zellen einher und ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung eines komplexen Organismus. Eine korrekte Chromosomen-Architektur ist wichtig, damit keine Entwicklungsstörungen auftreten. Originalarbeit Ahilya N. Sawh, Maxwell E.R. Shafer, Jun-Han Su, Xiaowei Zhuang, Siyuan Wang, and Susan E. Mango
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