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Lehrlingsauswahl: Integration und Ausschluss
Die Lehrlingsauswahl kleinerer Betriebe ist in der Schweiz uneinheitlich

Wirtschaftliche Interessen vor schulischen Kompetenzen

Kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) wenden bei der Lehrlingsauswahl uneinheitliche Kriterien an. Das führt zur ungleichen Behandlung der Lehrlinge hinsichtlich ihrer Nationalität und ihres Geschlechts. Besonders betroffen sind ausländische Jugendliche. Schulische Leistungen spielen bei der Auswahl keine primäre Rolle. Dies ist der Befund einer im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms "Integration und Ausschluss" (NFP 51) erstellten Studie.

Fast neunzig Prozent der Lehrstellen in der Schweiz werden von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) besetzt. Die Frage, nach welchen Kriterien die KMU ihre Lehrlinge auswählen, ist demnach von grosser volkswirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung. Die Studie "Lehrlingsselektion in kleinen und mittleren Betrieben", die vom Heilpädagogischen Institut der Universität Freiburg im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms "Integration und Ausschluss" (NFP 51) realisiert wurde, erlaubt es erstmals, diese Frage differenziert zu beantworten.

"Die Ergebnisse bisheriger Forschungen erlauben es kaum, einen Zusammenhang zwischen den schulischen Kompetenzen der Jugendlichen und ihrer Auswahl durch kleinere Betriebe herzustellen", sagt der Bildungsforscher Christian Imdorf. Die Forschenden fragten deshalb nach der Logik, die der betrieblichen Selektion zugrunde liegt. Sie wollten herausfinden, wie die Betriebe das Geschlecht, die Nationalität und die Schulkarriere der Bewerber und Bewerberinnen wahrnehmen.

Die Studie untersuchte die Lehrlingsauswahl in den folgenden Berufen: Autolackierer, Automonteur, Automechaniker, Schreiner, Dentalassistentin, medizinische Praxisassistentin sowie Kauffrau und Kaufmann. Als Datenbasis dienten hauptsächlich rund achtzig Interviews mit Ausbildungsverantwortlichen.

Die Studie hat bei der Lehrstellenvergabe eine potenzielle "institutionelle Diskriminierung" nachgewiesen. "Die KMU wenden eine betriebseigene Selektionslogik an, die eine systematische Unterscheidung zwischen vordefinierten Bewerbergruppen macht, ohne die Kompetenzen der einzelnen Bewerber und Bewerberinnen zu berücksichtigen", sagt Christian Imdorf.

Die Forschenden stellten fest, dass kleinere Betriebe ihre Lehrlinge anders als Grossunternehmen auswählen.

Diese wenden ein Verfahren an, das die aufeinander folgenden Schritte Bewerbung, Eignungstest und Assessment vorsieht. KMU benützen diese Stufen auch, besonders die Schnupperlehre, die dem Assessment gleichkommt, aber nicht einheitlich.

Bei der Auswahl der Lehrlinge ist nicht eine bestimmte Hierarchie von Kriterien, sondern ein "schwer durchschaubares Mosaik" von als relevant erachteten Merkmalen der Bewerber und Bewerberinnen entscheidend.

Die Vergabe der Lehrstellen durch KMU hat nur beschränkt mit den Kompetenzen der Jugendlichen zu tun.

Massgeblich für die Nichtberücksichtigung eines Bewerbers ist vielmehr eine aufgrund von Vorbehalten angezweifelte "Betriebstauglichkeit".

Benachteiligt werden ausländische Jugendliche, insbesondere solche aus Nicht-EU-Staaten wie dem ehemaligen Jugoslawien oder der Türkei. Als Gründe werden die sprachlichen und schulischen Defizite der Betroffenen angeführt.

Die Studie weist nach, dass die schulischen Leistungen bei der Vergabe der Lehrstellen keine vorrangige Bedeutung haben; Bewerber und Bewerberinnen mit unauffälligen Schulbiographien - keine Fleissnoten, keine Sonderschule, aber auch keine Matura - haben in der Regel gute Chancen.

Die realen Gründe für die Nichtberücksichtigung sind eher emotional: Man befürchtet, dass die ausländischen Jugendlichen Konflikte und eine unerwünschte Klientel in den Betrieb hineintragen.

Die Bewerber und Bewerberinnen werden häufig auch aufgrund des Geschlechts ausgewählt.

Das erlaubt Frauen vermehrt den Zugang zu Männerberufen, schliesst aber junge Männer von Berufen wie etwa demjenigen des Assistenten in einer Arztpraxis aus. Die Ausbildungsverantwortlichen befürchten, dass die Burschen das Funktionieren der Praxis gefährden. Dadurch werden sie vor einem schlecht bezahlten Beruf geschützt, und die ärzte können ihr Geschlechterverständnis bewahren.

Christian Imdorf betont, dass die "institutionelle Diskriminierung" nicht aus Böswilligkeit erfolge, sondern aus Sorge um das wirtschaftliche überleben des Betriebs. Allerdings übersähen die Verantwortlichen, dass die Ausschlussmechanismen gerade ökonomisch nachteilig seien, wenn man sich produktive Bewerber und Bewerberinnen entgehen lasse.

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"IntSep" (INTegration - SEParation)
Forschungsprogramm am Heilpädagogischen Institut der Universität Freiburg (CH)
Unter dem Namen "IntSep" (INTegration - SEParation) nahm das Heilpädagogische Institut der Universität Freiburg (CH) mitte 80er Jahre ein Forschungsprogramm zum Thema Integration auf. Die Grafik zeigt die verschiedenen Forschungsprojekte, die in den vergangenen Jahren zur Thematik bearbeitet wurden.

Die Studie "Lehrlingsselektion in KMU" ist Teil des Forschungsprogramms am Heilpädagogischen Institutder Universität Freiburg (CH)

Quelle: Schweizerischer Nationalfonds SNF , März 2007

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