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Schweiz Interkulturelles Zusammenleben |
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Muslime
in der Schweiz |
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Wie berichten die Medien über die Muslime in der Schweiz? |
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Eine universitäre Studie nimmt diese Frage unter die Lupe |
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Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) veröffentlicht heute eine Studie, die sich mit der medialen Berichterstattung über Muslime in der Schweiz befasst. Wie gehen die gedruckten Zeitungen und ihre Online-Ausgaben mit Gesellschaftsthemen um, die diese Minderheit betreffen? Welche Aspekte und Sichtweisen stellen sie in ihren Artikeln in den Vordergrund? Die erhobenen Daten zeigen gewisse Problembereiche auf, die im Zusammenhang mit der Vielfalt der behandelten Themen und der Gesprächspartner sowie mit der starken Zunahme der Berichterstattungen stehen, die Distanz gegenüber Muslimen in der Schweiz erzeugen. Gestützt auf die Ergebnisse der Studie hält die EKR bestimmte Aspekte fest, die zur Stärkung der Zusammenarbeit und Präventionsarbeit mit den Medien beitragen sollen.
Die vom Forschungsinstitut fög der Universität Zürich durchgeführte Studie «Qualität der Berichterstattung über Muslime in der Schweiz» analysiert den Inhalt einer Stichprobe von Zeitungsartikeln, die zwischen 2009 und Mitte 2017 in 18 Printmedientiteln der drei grossen Sprachregionen publiziert wurden. Die Analyse umfasst insbesondere die Verwendung von Pauschalisierungen, die Vielfalt der behandelten Themen, das Spektrum der Akteure und Gesprächspartner und den Berichterstattungsstil. Aus den in dieser Studie erhobenen Daten konnten Aussagen abgeleitet und Problembereiche identifiziert werden, die vom Autor der Studie, Patrik Ettinger, zu Beginn des Berichts zusammengefasst werden.
Die Studie zeigt unter anderem eine starke Zunahme von Beiträgen, die Distanz gegenüber Muslimen in der Schweiz erzeugen. Zwischen 2009 und 2017 steigt ihr Anteil von 22 % auf 69 %. Dies ist teilweise mit der Konzentration auf die Themen Radikalisierung und Terrorismus erklärbar. Patrik Ettinger betont, dass diese Distanz erzeugende Berichterstattung vor allem dann problematisch ist, wenn sie mit Pauschalisierungen verbunden wird. Zwar steigt im Gegensatz zu früheren Jahren die Zahl der pauschalisierenden Beiträge nicht mehr, doch in 8 % der Beiträge werden pauschalisierende und Distanz erzeugende Aussagen verknüpft. Zudem bleiben Muslime in der Schweiz vor allem Objekt der Berichterstattung. In 55 % der Beiträge wird über sie berichtet, ohne dass sie selbst zu Wort kommen. Zu Wort kommen zudem vor allem jene Muslime, die polarisierende Positionen vertreten.
Die EKR befasst sich nicht zum ersten Mal mit der Berichterstattung über die diskriminierungsgefährdetsten Gruppen in den Medien. 2013 wurde eine ähnliche Studie über die Roma durchgeführt, und 2017 äusserte sich die EKR nach der Veröffentlichung einer Studie über den Anti-Schwarze-Rassismus zur Rolle, die die Medien bei der Bekämpfung von Diskriminierung spielen können.
Die Beobachtungen dieser drei Studien zeigten auf, dass Ähnlichkeiten in der Art der Berichterstattung über besonders exponierte Minderheiten bestehen. Die Analyse des Inhalts der Zeitungsartikel lässt wiederkehrende Problembereiche erkennen, die mit Medienfachpersonen diskutiert werden sollten. Da die Wahrnehmung der Minderheiten in der Schweiz stark durch die Berichterstattung in den Medien beeinflusst wird, will die EKR den Dialog mit den Medien zu diesem Thema weiterführen, wobei die Aus- und Weiterbildung sowie die Verantwortung der Medien für die Meinungsbildung und das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft im Vordergrund stehen.
Zusammenfassung der Studie «Für die eilige Leserschaft»
Qualität der Berichterstattung über Muslime in der Schweiz
von Patrik Ettinger, September 2018
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Diese Studie analysiert die Qualität der Berichterstattung über Muslime in der Schweiz in 18 Printmedientiteln anhand einer repräsentativen Stichprobe. |
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Die Qualität bemisst sich an der Vielfalt der Berichterstattung (Vielfalt der thematischen Aspekte, der Akteure und Argumente sowie Vermeidung von Pauschalisierungen) und an ihrer Rationalität (sachlicher Berichterstattungsstil und Vermittlung von Hintergrundinformationen). |
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Die Intensität der Berichterstattung wird einerseits durch Terroranschläge im europäischen Ausland beeinflusst. Nach solchen Anschlägen wird regelhaft mehr als doppelt so häufig über Muslime in der Schweiz berichtet. Andererseits können politische Akteure durch Kampagnen im Vorfeld von Volksinitiativen regelmässig eine Intensivierung der Berichterstattung herbeiführen. |
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Die Vielfalt der thematischen Kontexte, in denen über Muslime in der Schweiz berichtet wird, ist vergleichsweise hoch. Allerdings zeigt sich seit 2015 eine zunehmende Konzentration auf die Themen «Radikalisierung» und «Terror» (2017 zusammen 54%). Dagegen bleiben die Themen «gelingende Integration» (2%) und «Alltag» (2%), die die Lebenswelt der Mehrheit der Musliminnen und Muslime in der Schweiz spiegeln, in der Berichterstattung marginal. |
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Der Anteil der Beiträge, deren Tonalität Distanz gegenüber muslimischen Akteuren in der Schweiz erzeugt, wächst relativ kontinuierlich zwischen 2009 und 2017 von 22% auf 69%. Dies erklärt sich teilweise mit der erwähnten Verschiebung der Aufmerksamkeit auf Themen wie «Radikalisierung», «Terror» und «gefährdete Integration». Allerdings zeigen sich im Vergleich der Medientitel deutliche Unterschiede, die auf unterschiedliche redaktionelle Strategien zurückzuführen sind und Handlungsspielräume im Umgang mit dem Thema aufzeigen: In der Weltwoche weisen 84% der Beiträge einen Distanz erzeugenden Tenor auf; in Boulevardzeitungen wie SonntagsBlick und Blick 63% resp. 59% und in Abonnementszeitungen wie NZZ und Le Temps 31%. |
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Eine Distanz erzeugende Berichterstattung ist dort problematisch, wo sie mit Pauschalisierungen verknüpft wird. Eine solche Verknüpfung findet sich in 8% der Beiträge - und auch hier weisen Weltwoche (48%) und die Boulevardzeitungen SonntagsBlick (24%) und Blick (11%) überdurchschnittlich hohe Werte auf. |
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Die Vielfalt der Akteure und Argumente wurde anhand der drei Fallstudien (Kommunikationsereignisse) «Verhüllungsverbot im Tessin», «Handschlagaffäre Therwil» und «An’Nur-Moschee» untersucht. Insgesamt ist die Verteilung der Akteurskategorien relativ vielfältig. Neben den Medien (27.5% der erfassten Argumente) kommen muslimische Akteure (24.0%) sowie politische Akteure der Exekutive (12.1%) und der Legislative resp. Parteien (14.9%) prominent zu Wort. Und auch Vertreter der Zivilgesellschaft (9.0%) und Experten (9.5%) können ihren Argumenten in der Berichterstattung Gehör verschaffen. |
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Am grössten ist die Vielfalt in der Berichterstattung über die Abstimmung zum Verhüllungsverbot im Tessin. Die Berichterstattung über die Handschlagaffäre Therwil wird als Konfrontation zwischen den beiden Jugendlichen und dem sie unterstützenden IZRS (33%) einerseits und den Vertretern der Exekutive (22%) andererseits aufgebaut - und die Argumente beider Lager sind bereits früh etabliert. In der eher deskriptiven Berichterstattung zur An’Nur-Moschee dominiert die Interpretation der Moschee als Hort der Radikalisierung (35%). Als Mittel gegen Radikalisierung wird vor allem eine Verschärfung der Sicherheitsmassnahmen gefordert (17%). Dabei werden die Argumente vor allem von den Medien selbst vorgebracht (41%), die sich häufig auf andere Medien beziehen. |
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In der Berichterstattung über Muslime in der Schweiz bleiben die Betroffenen, d.h. muslimische Akteure, überwiegend Berichterstattungsobjekte. In 55% der Beiträge wird über sie geschrieben, ohne dass sie selbst zu Wort kommen, in weiteren 25% kommen sie nur am Rande des Beitrags zu Wort. |
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Dort wo Muslime zu Wort kommen, geschieht dies häufig in einem polarisierenden Setting. Hohe Resonanz erzielen wenige Exponenten der An'Nur-Moschee und des IZRS einerseits und anderseits Saïda Keller-Messahli, die sich als Kritikerin der muslimischen Dachverbände in der Schweiz etabliert. Vertreter dieser Dachverbände kommen dagegen eher selten zu Wort. |
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Die Studie ist auf der der Website der Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) (www.ekr.admin.ch) als PDF-Dokument erhältlich.
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Quelle:
Text Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR), 3. September 2018 |
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