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Materialsturz auf einem Stern - Neue Erkenntnisse zu Stern- und Planetenentstehung

Astrophysiker der Universität Wien halten erstmals Materialsturz auf Stern fest

Armin Liebhart und Manuel Güdel, beide Astrophysiker an der Universität Wien, haben mit ihrem Team Hochenergieprozesse in der Umgebung eines entstehenden Sterns mitverfolgt. Es handelt sich dabei um gewaltige Ausbrüche von Strahlung und Masse, die bei der Entstehung von Sternen und Planeten eine fundamentale Rolle spielen. Mit Hilfe des XMM-Newton-Röntgenobservatoriums der ESA und des Chandra-Röntgenobservatoriums der NASA konnten die Astrophysiker erstmals bisher nur indirekt nachgewiesene Masseströme auf einen jungen Stern aufzeigen, indem sie direkt die Abschattung des Röntgenlichts durch die gewaltigen Gas-Massen nachwiesen. Aktuell publizieren sie dazu in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics.

Bei der Entstehung eines Sterns aus ausgedehnten Gaswolken bilden sich im Verlauf der ersten Millionen Jahre ausgedehnte Gas- und Staubscheiben um den langsam wachsenden Stern. Diese Scheiben können so gross wie unser Sonnensystem werden. Gleichzeitig zieht der Stern von dieser Scheibe Materie an. Die Beobachtungen von Spektren junger Sterne zeigen, dass ein ständiger Massestrom für den Aufbau eines Sterns in der Grösse unserer Sonne bis zu 10 Millionen Jahre bräuchte. Jedoch bilden sich die Sterne innerhalb weniger als einer Million Jahre, und die Scheiben verschwinden erfahrungsgemäss bereits nach wenigen Millionen Jahren.

Spektakuläre Himmelsereignisse

"Seit langem wird deshalb spekuliert, dass gelegentliche gewaltige Instabilitäten in den Scheiben sehr grosse Mengen an Material in kurzer Zeit auf den Stern hinunter stürzen lassen. Diese episodischen Ereignisse würden sich bei jedem jungen Stern eventuell nur ein bis zwei Dutzend Mal im Abstand von Tausenden von Jahren ereignen, aber einen signifikanten Teil der Scheibe entfernen", erklärt Manuel Güdel, Professor am Institut für Astrophysik der Universität Wien. Damit gewinnt nicht nur der Stern an Masse - auch die in den Scheiben vor sich gehende Entstehung von Planeten wird dadurch erheblich beeinflusst.

Solche seltenen Ereignisse wurden in den letzten 80 Jahren tatsächlich bei einem knappen Dutzend Sternen je einmal beobachtet, und jedes Ereignis dauert Jahrzehnte an. Sie werden nach dem 1937 ausgebrochenen Prototypen auch FU Orionis-Ausbrüche oder "FUors" genannt. Diese Vorfälle sind spektakulär und weisen darauf hin, dass die ganze Sternumgebung verändert wird und die sonst kühlen Scheiben auf Temperaturen wie die der Sonnenoberfläche aufgeheizt werden. Das Licht des Objektes wird dadurch mindestens zehn bis 100 Mal heller.

FUor-Ausbruch mit ESA-Ausnahmegenehmigung beobachtet

Im Jahr 2010 wurde nach langem Warten der jüngste FUor-Ausbruch entdeckt, bei einem sich bildenden Stern namens HBC 722 im Gebiet des Nordamerikanebels im Sternbild Schwan. Manuel Güdel und Armin Liebhart von der Universität Wien und ihr Team liessen sich die Gelegenheit nicht entgehen. Sie holten eine Ausnahmebewilligung von der Leitung des XMM-Newton-Röntgenobservatoriums der ESA ein, damit der Stern schon in seiner Anfangsphase ohne lange Verzögerung zweimal in den Jahren 2010 und 2011 beobachtet werden konnte. Dem Team gelang schliesslich 2013 mit dem NASA-Röntgenobservatorium Chandra eine weitere Nachbeobachtung. "Obschon drei früher ausgebrochene FUors in ihrer späten Abklingphase auch im Röntgenlicht nachgewiesen werden konnten, gelang es uns jetzt zum ersten Mal, die bewegte Anfangsphase eines Ausbruchs aufzunehmen", so Armin Liebhart, Doktorand in Güdels Gruppe an der Universität Wien.

Überraschende Beobachtungen in der Anfangsphase des Sterns

Diese erstmaligen und einzigartigen Beobachtungen zeigten komplett unvorhergesehene Eigenschaften. Die erste Beobachtung während des anfänglichen raschen Ausbruchs wies zwar keine Röntgenstrahlung auf - möglicherweise gab es massereiche Gasströme zwischen Stern und Scheibe, die alles Röntgenlicht vom Stern absorbierten. Die zweite Beobachtung ein halbes Jahr später dagegen zeigt eine Röntgenquelle, wie man sie für einen derartigen Stern erwartet - nämlich eine heisse Röntgenkorona ähnlich der Sonnenkorona. Die Gasströme waren anscheinend bereits abgeklungen.

Zwei Jahre später hatte sich der Ausbruch jedoch erneut verstärkt. Die jetzt zehnmal stärkere Röntgenquelle wurde aber durch eine im Vergleich zu vorher bis zu hundertfach grössere Menge an Gas sehr stark abgeschwächt. Die Beobachtung zeigte zusätzlich, dass das Gas sehr heiss sein musste, weil der üblicherweise enthaltene Staub verdampft war. Die bisher vorausgesagten Masseströme auf den Stern wurden jetzt direkt durch ihre Abschattung des Röntgenlichtes nachgewiesen. Eine Abschätzung der Gasmenge liefert die vorhergesagten Ergebnisse. Nicht auszuschliessen sind auch Gasströme, die von der Scheibe in Form eines schnellen Windes ausströmen.

Die neuen Erkenntnisse über diese seltenen Ereignisse sind von grösster Wichtigkeit für unser Verständnis der Stern- und Planetenentstehung. Da der Ausbruch über viele Jahre weiter andauern dürfte, haben die beiden Projektleiter bereits wieder neue XMM-Newton-Beobachtungszeit für zusätzliche Nachfolgebeobachtungen beantragt.

Publikation in Astronomy & Astrophysics (Letter to the Editor):

X-ray emission from an FU Orionis star in early outburst: HBC 722: Armin Liebhart, Manuel Güdel, Stephen L. Skinner, Joel Green. Astronomy & Astrophysics, 570, L11 (2014). DOI: 10.1051/0004-6361/201424841

Quelle: Text Universität Wien, Institut für Astrophysik, Oktober 2014

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