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Selenmangel in Lebensmitteln
Selen: Eine Spurensuche in hochalpiner Umgebung

Selen ist schwierig zu erforschen. Denn das Element hat eine komplexe Chemie und kommt in der Umwelt nur in winzigsten Mengen vor. Nun haben Wissenschaftler der Eawag und ETH Zürich neue chemisch-analytische Methoden entwickelt, die in Kombination mit atmosphärischen Modellen erstmals Annahmen über die Herkunft von Selen zulassen.

Weltweit nehmen bis zu einer Milliarde Menschen zu wenig Selen auf. Das ist ungesund, denn das Element spielt eine wichtige Rolle im Immunsystem und dient dem Körper als Baustein für zahlreiche Proteine. Tierische Produkte und vor allem Getreide enthalten viel Selen. In Pflanzen variiert der Selengehalt jedoch stark und ist davon abhängig, auf welchen Böden sie wachsen.

Generell gilt: Ist der Boden trocken und kohlenstoffarm, liegt meist auch der Selengehalt tief. «Das alleine erklärt die unterschiedliche globale Verteilung von Selen aber nicht», sagt die Biogeochemikerin Lenny Winkel, ETH-Professorin und Gruppenleiterin an der Eawag. In einer früheren Studie fand sie heraus, dass eine der Hauptquellen von Selen die Atmosphäre ist und die Verteilung mit den Niederschlagsmengen zusammenhängt. Allerdings: «Von woher das Selen in die Atmosphäre gelangt, ob vom Meer oder vom Kontinent, ist noch weitgehend unerforscht», erklärt Lenny Winkel.

Messungen auf fast 4'000 Metern über Meer

In einem vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Projekt versuchte die Biogeochemikerin den Ursprung des Selens auf dem europäischen Festland zu identifizieren. Dafür sammelte sie gemeinsam mit ihrem Team während zwei Jahren wöchentlich Regenproben auf dem Jungfraujoch im Berner Oberland sowie auf dem Pic du Midi in den Französischen Pyrenäen. An diesen abgeschiedenen Orten sollte die Zusammensetzung des Regens kaum durch lokale Quellen, etwa Fabriken, beeinflusst werden. Aber: «Die Analyse des Selens allein liess keine Rückschlüsse auf dessen Herkunft zu», erklärt Winkel, die deshalb ein neues Vorgehen entwickelte.

In einem ersten Schritt ermittelte sie gemeinsam mit Klimawissenschaftlern der ETH Zürich um Heini Wernli, woher der wöchentliche Niederschlag grösstenteils kam. Demnach stammt der Regen im Sommer vor allem vom eurasischen Kontinent, im Winter hingegen vom Atlantik. Gleichzeitig haben die Forschenden im Frühling, Sommer und Herbst eine relativ hohe Selenkonzentration gemessen, in der kalten Jahreszeit eine eher tiefe. In einem zweiten Schritt analysierten sie in den Regenproben die Bindungsformen von Selen, Iod, Schwefel und Brom sowie den Anteil des C-13-Isotops im Kohlenstoff.

Dank der Betrachtung von allen diesen Grössen in Kombination mit den Wettermodellen lassen sich nun erstmals Aussagen über die Herkunft des atmosphärischen Selens treffen: «Es scheint, dass im Sommer die kontinentale Biomasse eine wichtige Quelle darstellt», erklärt Lenny Winkel. Das ist erstaunlich, da man bisher von marinen und vor allem anthropogenen Quellen ausging. «Für definitive Aussagen müsste das Regenwasser künftig aber in kürzeren Abständen beprobt werden anstatt nur einmal pro Woche», sagt Winkel.

Forschungsexpedition nach Grönland

So plant die Biogeochemikerin diesen Sommer in Zusammenarbeit mit einem Team um Heini Wernli eine Messkampagne entlang der Küste Grönlands. «Unsere Forschenden werden während zwei Monaten während jedem Regenfall eine Probe sammeln. Zur gleichen Zeit werden die Klimaforscher berechnen, woher der Niederschlag kommt», erklärt Lenny Winkel. Ihr Ziel ist, einen Fingerabdruck im Selen zu finden, der dessen Ursprung verrät.

Der Selenkreislauf wird die Forscherin also weiterhin beschäftigen. Und sie betont denn auch: «Nur wenn wir die Prozesse genau verstehen, können wir Massnahmen ergreifen, um den Selenmangel in gewissen Regionen zu bekämpfen.»

Die Schweizer Regierung hat erkannt, dass der Selengehalt in Lebensmitteln stark vom Produktionsstandort abhängt. Angesichts des globalisierten Lebensmittelmarkts und der damit verbundenen wechselnden Herkunft von Getreide dürfte sich der Selenstatus bei der Schweizer Bevölkerung verschlechtern, schreibt der Bundesrat. Deshalb initiiert er nun ein Biomonitoring, um die Gesundheitssituation betreffend Selen zu überprüfen.

Originalpublikation

Elke Suess, Franziska Aemisegger, Jeroen E. Sonke, Michael Sprenger, Heini Wernli and Lenny H. E. Winkel (2019): Marine versus continental sources of iodine and selenium in rainfall at two European high-altitude locations. Environmental Science & Technology. DOI: 10.1021/acs.est.8b05533

Quelle: Text Stephanie Schnydrig, Eawag , 11. Februar 2019

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