Umwelt
vorangehende Seite
end
Umwelt Welt
AWI Globale Plastikverschmutzung im Fokus 2021
Umwelt Weitere Informationen
RAOnline Informationsseiten über die Umwelt
RAOnline Berichte über die Umwelt
Weitere Informationen
Naturwissenschaften und Technik Klima
Umwelt - Mikroplastik in der Umwelt
Globale Plastikverschmutzung im Fokus

Folgen von Verwitterungs- und Abbauprozessen auf und warnt vor potentiell irreversibler Verschmutzung

Die gegenwärtigen Raten der globalen Plastikemissionen könnten Effekte auslösen, die wir nicht mehr rückgängig machen können, berichten Forschende aus Deutschland, Schweden und Norwegen in einer neuen Studie, die am 2. Juli 2021 im renommierten Wissenschaftsmagazin Science erschien. Nach Ansicht der Autorinnen und Autoren ist die Plastikverschmutzung eine globale Bedrohung und Massnahmen zur drastischen Reduzierung der Plastikemissionen in die Umwelt seien "die rationale politische Antwort".

Plastik ist überall auf dem Planeten zu finden: von Wüsten und Berggipfeln bis zu tiefen Ozeanen und arktischem Schnee. Im Jahr 2016 reichten die Schätzungen der weltweiten Emissionen von Plastik in Seen, Flüsse und Ozeane von 9 bis 23 Millionen Tonnen pro Jahr, wobei eine ähnliche Menge jährlich an Land emittiert wird. Es wird erwartet, dass sich diese Schätzungen bis zum Jahr 2025 fast verdoppeln werden, wenn die Weltbevölkerung weitermacht, wie bisher ("Business-as-usual"-Szenario). Das berichtet Mine Tekman vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) gemeinsam mit drei weiteren Fachleuten in ihrem Übersichtsartikel im Wissenschaftsmagazin Science, das dem Thema Plastik in der aktuellen Ausgabe ein ganzes Kapitel widmet.

"Plastik ist tief in unserer Gesellschaft verwurzelt, und es sickert überall in die Umwelt, selbst in Ländern mit einer guten Infrastruktur für die Abfallbehandlung", sagt Matthew MacLeod, Professor an der Universität Stockholm. Er führt aus, dass die Emissionen tendenziell steigen, obwohl das Bewusstsein für Plastikverschmutzung in Wissenschaft und Öffentlichkeit in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat.

Für Mine Tekman, Doktorandin am Alfred-Wegener-Institut, ist diese Diskrepanz nicht überraschend, denn die Plastikverschmutzung ist nicht nur ein Umweltproblem, sondern auch ein "politisches und wirtschaftliches". Sie glaubt, dass die derzeit angebotenen Lösungen wie Recycling und Reinigungstechnologien (Clean-up) nicht ausreichen und dass wir das Problem an der Wurzel packen müssen.

"Die Welt fördert technologische Lösungen für das Recycling und um Plastik aus der Umwelt zu entfernen. Als Verbraucher und Verbraucherinnen glauben wir, dass alles auf magische Weise recycelt werden kann, wenn wir unseren Plastikmüll richtig trennen. Technologisch gesehen hat das Recycling von Plastik viele Einschränkungen, und Länder, die über eine gute Infrastruktur verfügen, exportieren ihren Plastikmüll in Länder mit schlechteren Einrichtungen. Zudem gibt es ein grundsätzliches Problem mit biologisch nicht abbaubaren Materialien, die sich auch als Feinstäube und Fasern aus vielen Prozessen in der Umwelt verteilen. Daher sind drastische Massnahmen erforderlich, wie neue abbaubare Materialien zu entwickeln, Wege um den Wert von recyceltem Kunststoff zu erhöhen, und das Verbot des Exports von Kunststoffabfällen, es sei denn, er erfolgt in ein Land mit besserem Recycling", sagt Mine Tekman, die das AWI-Online-Portal litterbase.org mit entwickelt hat, das die wissenschaftliche Literatur zu Müll im Meer und dessen Auswirkungen laufend aktualisiert zusammenfasst.

Eine schwer umkehrbare Verschmutzung von abgelegenen Bereichen der Umwelt

Kunststoff reichert sich in der Umwelt an, wenn die emittierten Mengen diejenigen übersteigen, die durch Reinigungsinitiativen und natürliche Umweltprozesse entfernt werden. Letzteres geht durch einen mehrstufigen Prozess vonstatten, der als Verwitterung bekannt ist. "Die Verwitterung von Plastik geschieht aufgrund vieler verschiedener Prozesse, und wir sind bereits weit gekommen, um sie zu verstehen. Aber die Verwitterung verändert ständig die Eigenschaften der Kunststoffverschmutzung, was neue Fragen aufwirft", sagt Hans Peter Arp, Forscher am Norwegischen Geotechnischen Institut (NGI) und Professor an der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie (NTNU). "Der Abbau ist sehr langsam und kann die Akkumulation nicht stoppen, so dass die Belastung durch verwitterten Kunststoff nur zunehmen wird", sagt Hans Peter Arp. Plastik ist daher ein "schlecht reversibler Schadstoff", sowohl wegen seiner kontinuierlichen Emissionen als auch wegen seiner Umweltpersistenz.

Abgelegene Gegenden sind besonders bedroht, wie Annika Jahnke, Wissenschaftlerin am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und Professorin an der RWTH Aachen, erklärt: "In abgelegenen Umgebungen kann Plastikmüll nicht durch Aufräumarbeiten entfernt werden, und die Verwitterung grosser Plastikteile führt unweigerlich zur Entstehung einer grossen Anzahl von Mikro- und Nanoplastikpartikeln sowie zur Auswaschung von Chemikalien, die dem Plastik absichtlich zugesetzt wurden, und anderen Chemikalien, die das Polymerrückgrat des Plastiks abbauen. Kunststoff in der Umwelt ist also ein sich ständig bewegendes Ziel von zunehmender Komplexität und Mobilität. Wo es sich anreichert und welche Auswirkungen es verursachen kann, ist schwierig oder vielleicht sogar unmöglich vorherzusagen."

Ein potenzieller Auslöser für irreversible Umweltschäden

Zusätzlich zu den Umweltschäden, die Plastikverschmutzung allein durch das Verheddern von Tieren und toxische Wirkungen verursachen kann, könnte sie auch in Verbindung mit anderen Umweltstressoren in abgelegenen Gebieten weitreichende oder sogar globale Auswirkungen auslösen. Die neue Studie führt eine Reihe von hypothetischen Beispielen für mögliche Auswirkungen auf, darunter die Verschärfung des Klimawandels aufgrund der Störung der globalen Kohlenstoffpumpe und der Verlust der Artenvielfalt im Meer. Dort wirkt die Plastikverschmutzung als zusätzlicher Stressor zur Überfischung und zum fortschreitenden Lebensraumverlust aufgrund von Veränderungen der Wassertemperaturen, der Nährstoffversorgung und der chemischen Belastung.

Alles zusammengenommen sieht das Forschungsteam die Bedrohung, dass Plastik, das heute emittiert wird, in der Zukunft Auswirkungen von globalem Ausmass auslösen kann, die kaum reversibel sind, als "zwingende Motivation" für massgeschneiderte Massnahmen zur starken Reduzierung der Emissionen.

"Im Moment belasten wir die Umwelt mit immer grösseren Mengen an schwierig umkehrbarer Plastikverschmutzung. Bis jetzt sehen wir keine weit verbreiteten Beweise für schlimme Folgen, aber wenn die Verwitterung von Plastik einen wirklich schlimmen Effekt auslöst, werden wir wahrscheinlich nicht in der Lage sein, ihn rückgängig zu machen", warnt Matthew MacLeod. "Die Kosten, die entstehen, wenn man die Anhäufung von langlebiger Plastikverschmutzung in der Umwelt ignoriert, könnten enorm sein. Das Vernünftigste, was wir tun können, ist, so schnell wie möglich zu handeln, um den Eintrag von Plastik in die Umwelt zu reduzieren."

Weitere beteiligte Institutionen:

Universität Stockholm
Norwegian Geotechnical Institute
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)

Originalpublikation

Matthew MacLeod, Hans Peter H. Arp, Mine B. Tekman, Annika Jahnke: The global threat from plastic pollution, Science (2021). DOI: 10.1126/science.abg5433

Quelle: Text AWI 5. Januar 2021
Grönland Mikroplastik: Meeresverschmutzung in der Framstrasse 2020
Kunststoff im Schnee der Alpen und der Arktis nach 2019
Rekordkonzentration von Mikroplastik im arktischen Meereis 2018
Müllmenge in der arktischen Tiefsee steigt stark an 2017
Mikroplastik
Mikroplastik werden Plastikpartikel, -fasern, -pellets und andere Kunststofffragmente bezeichnet, die in Länge, Breite oder Durchmesser im Bereich von wenigen Mikrometern - der tausendste Teil eines Millimeter - bis unter fünf Millimeter liegen.
Kunststoffgranulate, die als Ausgangsmaterial zur Herstellung von diversen Kunststoffprodukten, aber auch von Kosmetika und Haushaltsartikeln dienen (primärer Mikroplastik)
Kunststoffteile, die beim Zerfall grösserer Plastikteile in der Umwelt entstehen, z.B. durch Verwitterung oder mechanische Beanspruchung (sekundärer Mikroplastik). Quelle: empa 2019
Kunststoffgranulate, die als Ausgangsmaterial zur Herstellung von diversen Kunststoffprodukten, aber auch von Kosmetika und Haushaltsartikeln dienen (primärer Mikroplastik)
Kunststoffteile, die beim Zerfall grösserer Plastikteile in der Umwelt entstehen, z.B. durch Verwitterung oder mechanische Beanspruchung (sekundärer Mikroplastik). Quelle: empa 2019
Makroplastik
Makroplastik werden Plastikpartikel und andere Kunststofffragmente bezeichnet, die in Länge, Breite oder Durchmesser grösser als fünf Millimeter sind.
Makroplastik (Partikel grösser als 5 mm sowie Kunststoffabfälle) gelangt vor allem durch Littering und falsch entsorgte Kunststoffprodukte in die Umwelt. Die unsachgemässe Entsorgung von Kunststoffverpackungen und Plastiksäcken im Grüngut ist beispielsweise eine wichtige Quelle von Kunststoffen in den Böden. Wird Makroplastik nicht entfernt, zersetzt es sich nach und nach zu Mikroplastik. Daneben gelangen Kunststoffe mit dem Regenwasser und über die Luft in Böden und Gewässer - oder mit unbehandeltem Abwasser in Flüsse und Bäche. Dank der Abfallentsorgung und der Reinigung des öffentlichen Raums, der Strassenentwässerung und Abwasserbehandlung lassen sich bedeutende Mengen an Kunststoffen zurückhalten. Gemäss aktuellem Wissensstand gelangen viel mehr Kunststoffe auf und in die Böden als in die Gewässer.Quelle: BAFU 2020
Kunststoffabfälle und Mikroplastik
Mikroverunreinigungen in Abwasserreinigungsanlagen 2018
Mikroorganismen können Plastik im Boden zersetzen 2018
Mikroplastik in der Umwelt: Von der Nanoforschung lernen 2017
Nanopartikel unter der Lupe 2009
Nanotechnologie

nach oben

Hintergrundinfomationen zum Thema Umwelt
DKRZ /MPI-M Arktisches Meereis Atmosphäre Forschungsinstitute
DKRZ /MPI-M Klimamodell-CMIP5 Kryosphäre Landbiosphäre
DKRZ /MPI-M Ozean
RAOnline Antarktis Arktis Atolle und Korallen
RAOnline Atmosphäre Küsten und Meere Meeresströmungen
RAOnline Meereis der Arktis Regenwaldklima Treibhausgase
RAOnline Tropen und Subtropen Wetter Wolken

nach oben

Links
Externe Links
AWI
European Environment Agency EEA engl.
Europäische Umweltagentur EUA dt.
end
vorangehende Seite