2015: Flüchtlingsdrama im Südsudan
Marodierende Anhänger des amtierenden christlichen Präsident Kiir und des entmachteten ehemaligen christlichen Vizepräsidenten Machar bekämpften sich vorerst in der Hauptstadt Juba. Präsident Salve Kiir hatte im Juli 2013 seine Regierung umgebildet und dabei seinen Stellvertreter Riek Machar entlassen. Machar ist der Führer der Bewegung Sudan People's Liberation Movement (SPLM). Der militärische Arm der SPLM ist die SPLA (Sudan People's Liberation Army) . Am 16. Mai 2015 besetzen regierungsfeindliche SPLA-Truppen (Sudan People's Liberation Army) die Stadt Malakal im Bundesstaat Upper Nile. Bereits am 24. Mai 2015 vertrieben die SSA-Truppen ihre Gegner wieder aus dieser Stadt. Die SPLA-Verbände stiessen mit Unterstützungen verbündeten Truppen des Generals Olony in die bisher von Regierungstruppen kontrollierten Ölfelder von Paloch im Bundesstaat Upper Nile vor. Die Besatzer forderten das meist chinesische Personal auf, das ölreiche Gebiet zu verlassen. Friedensbemühungen auf Initiative von Kenia sind anfangs Mai 2015 in Südafrika wegen des Boykotts der SPLM gescheitert. Die amtierende Regierung des Südsudans hat im Mai den UN-Koordinator für humanitäre Hilfe im Südsudan des Landes verwiesen. Die Füchtlingsagentur UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees) berichtete anfangs Juni 2015, dass der junge Staat Südsudan nicht zur Ruhe kommt. Im April und Mai 2015 haben heftige Feuergefechte in den Bundesstaaten Unity und Upper Nile über 100'000 Menschen in die Flucht getrieben und gegen 650'000 Personen von der humanitären Hilfe abgeschnitten. Flüchtlinge berichten, dass sie vor allem wegen des Lebensmittelmangels ihre Heimat verlassen haben. Die UN-Agentur schätzt, dass gegenwärtig rund 3,8 Milllionen Menschen der insgesamt 11 Millionen Einwohner des Landes über ungenügend Lebensmittel verfügen. Die umliegenden Staaten Sudan, Äthiopien und Uganda melden einen starken Anstieg von Grenzübertritten von südsudanesischen Staatbürgern. Alllein 6'000 Flüchtlinge aus dem Südsudan haben in den sudanesischen Bundesstaaten White Nile und Kordofan Zuflucht gesucht. Im sudanesischen Bundesstaat Kordofan sind 72% der Flüchtlinge Kinder. 87% der Flüchtlingsfamilienwerden von Frauen geführt. Füchtlingsagentur UNHCR bereitet sich in den Grenzregionen auf den Zustrom von weitere Flüchtlingen vor.Wegen der bevorstehenden Regenzeit müssen die bestehenden Flüchtlingscamps schon vor dem Einsetzen der Regenfälle ausgebautund mit den notwendigen Lebensmitteln versorgt werden. Zu den Flüchtlingscamps müssen Zufahrtswege gebaut und über den Weissen Nil ein Fährdienst eingerichtet werden. Die Wasserversorgung und die sanitären Einrichten in den Lagern müssen dringend verbessert werden. In der Gambella Region im Westen von Äthiopien wurden im Mai 2015 über 6'100 neue Flüchtlinge gezählt. Im April 2015 waren es 4'800 Flüchtlinge. In den Monaten zuvor kamen etwa 1'000 Menschen aus dem Südsudan über die Grenze. An den Grenzübergängen in Pagak und Akobo warteten anfangs Juni 2015 rund 7'000 Flüchtlinge aus dem Südsudan auf die Registrierung. UNHCR errichtet zusammen mit Regierungsvertretern und ausländischen Partner einen neues Auffanglager in Pugnido. 47'000 Flüchtlinge, welche während der Regenzeit im letzten Jahr in überschwemmten Gebieten lebten, wurden in ein neues Flüchtlingslager in Jewi in der Nähe von Gambella (Äthiopien) umgesiedelt. Die früheren Flüchtlingslager in Leitchour und Nip Nip wurden geräumt und das Gelände wieder im ursprünglichen Zustand an die Gastgemeinden übergeben. In den vergangenen Monaten haben rund 4'000 neue Flüchtlinge Uganda erreicht. Die Flüchtlinge gaben an, dass wegen den Kämpfen in der Umgebung der Stadt Malakal im südsudanesischen Bundesstaat Upper Nile, dem Lebensmittelmangel und den steigendenden Preisen für die Güter des täglichen Bedarf geflohen seien. Die neuankommenden Flüchtlinge fanden im Transitzentrum Nyumanzi vorübergehende Aufnahme. Später werden sie in der erweiterten Siedlung Maaji eine Bleibe finden. Seit Beginn des Jahres 2015 sind 30'000 Menschen aus dem Südsudan in den Sudan geflohen. 15'000 Menschen suchten in Äthiopien und 15'000 in Uganda Zuflucht. Die UNO schätzt, dass seit Dezember 2015 gegen 550'00 Menschen aus dem Südsudan in die umliegenden Staaten ausgewandert sind. 1,5 Millionen Südsudanesen sind in eigenen Land heimatlos. Die UNMISS hat ihr Mandat bis im November 2015 verlängert. Experten schätzen, dass 70% der Gesamtbevölkerung im Juli 2015 nicht über genügend Nahrung verfügen werden. In den Bundesstaaten im Norden, wo wegen des Erdöls besonders heftige Kämpfe stattfinden, leiden 80% der Bevölkerung unter Mangel- oder Fehlernährung. Von März bis Mai erfolgt die Aussaat auf den Feldern. Im Juli und August beginnt die Erntesaison. Die Periode von Mai bis Juli ist eine besonders kritische Zeit für die Versorgung mit Grundlebensmitteln. Normalerweise sind die Bauern in der Lage, sich mit Lebensmittelvorräten aus der letzten Ernte zu versorgen. Wegen des Bürgerkriegs können aber viele Bauern ihre Felder weder bearbeiten noch bestellen. Die steigenden Preise auf den Märkten haben längst auch jene Regionen im Südsudan erreicht, welche vom Konflikt nicht direkt betroffen sind. Der Südsudan steuert auf einen wirtschaftlichen Kollaps zu. Die Währung des Landes, das Pfund, verliert täglich an Wert. In den Wechselstuben musste man im Mai 2015 für einen US-Dollar 9,5 südsudanesische Pfund bezahlen. Im Jahr 2014 kostete ein US-Dollar noch etwa 4,5 Pfund. Die Treibstoffvorräte schwinden. Auf den Märkten ist kaum mehr Benzin erhältlich. Viele Leute haben ihren Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten bestritten. Heute gibt es kaum mehr Arbeitsangebote. Die Regierung investiert viel Geld in den Krieg. Für die Bevölkerung bleibt kaum mehr etwas übrig. In den zum Sudan gehörenden angrenzenden Bundesstaaten Darfur und Blue Nile waren im Mai und anfangs Juni 2015 militärische Aktionen im Gang, welche auch in diesen Gebieten eine neue Flüchtlingswelle auslösten. In East Darfur haben sich verfeindete Stämme blutig bekämpft. In South Darfur haben die sudanesischen Regierungstruppen die JEM-Rebellenarmee (Justice and Equality Movement JEM) im April 2015 besiegt. Im Juli 2015 hat das Parlament formell die Amtszeit des Präsidenten Kiir um drei weitere Jahre verlängert. Die für Juli 2015 vorgesehenen Wahlen wurden abgesagt. Als Begründung für diese ungewöhnlichen Massnahmen hat die Regierung die bürgerkriegsähnliche Lage im Land angegeben.
Die humanitäre Situation ist alarmierend Immer mehr Zivilisten werden durch die Eskalation der Kämpfe im Südsudan zu Opfern von Gewalt. Dringend benötigte humanitäre Hilfe wird behindert und zum Teil unmöglich gemacht, erklärte die Hilfsorganisation MSF. Spitäler und andere Gesundheitseinrichtungen wurden zerstört oder beschädigt, medizinisches Personal evakuiert. Ganze Städte wurden zerstört, Zehntausende sind in die Umgebung sowie in die Lager bei den UN-Stützpunkten geflohen. Die Gewalt betrifft vor allem die Bundesstaaten Unity, Jonglei und Upper Nile. Im Bundesstaat Upper Nile behandelt Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) Verwundete nach heftigen Kämpfen in den Städten Malakal und Melut. In beiden Städten sind Tausende in die UN-Schutzzone für Zivilisten geflohen - in dem Lager in Malakal leben nun 30'000 Vertriebene. Die Gewalt hindert Teams von MSF daran, in die Stadt Malakal hineinzufahren. Nach Melut können weder Personal noch Material gebracht werden, weil keine Flugzeuge mehr landen können. Im Bundesstaat Jonglei hat ein Team von MSF die Stadt Phom El-Zeraf (New Fangak) komplett zerstört vorgefunden. Die Häuser sind niedergebrannt, Schulen und das Spital zerstört. Im Bundesstaat Unity musste MSF am 9. Mai 2015 das Krankenhaus in der Stadt Leer evakuieren. 200'000 Menschen bleiben dadurch ohne medizinische Versorgung zurück. Ein südsudanesischer Mitarbeiter berichtete seinen früheren Kollegen, er sei mit vielen anderen auf eine Insel geflohen. Es gebe Todesfälle und Entführungen. In Bentiu kamen 11'000 Vertriebene, vor allem Frauen und Kinder neu in der UN-Schutzzone für Zivilisten an. MSF musste wegen der Gewalt die mobilen Kliniken in der Umgebung einstellen. Die Vertriebenen berichten von Angriffen und Tötungen, niedergebrannten Dörfern, von Verwundeten, die zurückgelassen werden mussten, sowie von sexueller Gewalt gegen Frauen und Kinder. Das Team in Bentiu behandelte alleine im April 150 Vertriebene mit Gewaltverletzungen. Ein neunjähriger Junge wurde sogar innerhalb der UN-Schutzzone für Zivilisten im Schlaf von einem Schuss getroffen.
Statement von UNICEF Executive Director Anthony Lake vom 17. Juni 2015 Die Gewalt gegen Kinder im Südsudan hat eine neue Ebene der Brutalität erreicht. Die Einzelheiten über die zunehmende Gewaltanwendungen machen sprachlos. UNICEF darf nicht schweigen und muss darüber zu sprechen. Im Bundesstaat Unity wurden im Mai 2015 innerhalb von drei Wochen 129 Kinder getötet. Überlebende der Massaker berichteten,dass Knaben kastriert wurden. Die Knaben starben in ihren eigenen Blutlachen. Mädchen, welche weniger als 8 Jahre alt waren, wurden nach einer Massenvergewaltigung ermordet. Kinder wurden zusammengebunden und danach wurde ihnen die Kehle aufgeschlitzt. Kinder wurden bei lebendigem Leib in brennende Häuser geworfen. Kinder werden in einem grossen Ausmass von beiden Kriegsparteien mit Gewalt zum Kriegsdienst gezwungen. Geschätzte 30'000 Kindersoldaten müssen sich an einem bewaffneten, blutigen Konflikt beteiligen, welchen sie nicht mitverursacht und ihn auch nicht gewollt haben. Diese Brutalität und Barbarei muss im Namen der Humanität und der Menschenwürde beendet werden.
Seit dem neusten Cholera-Ausbruch im Südsudan wurden 170 Verdachtsfälle gemeldet und 18 Personen, darunter auch Kinder, sind bereits an den Folgen gestorben. Ohne sofortiges Handeln sind 5'000 Kinder unter 5 Jahren vom Risiko betroffen an Cholera zu sterben. Der erste Cholera-Fall wurde am 27. Mai 2017 in Juba, der Hauptstadt des Südsudans gemeldet. Seither haben sich die Verdachtsfälle auch auf umliegende Dörfer ausgeweitet, 15% davon sind Kinder unter 5 Jahren. Cholera ist besonders für Kinder gefährlich aufgrund der rasch auftretenden Dehydratation.
Am 26. August 2015 hat die amtierende Regierung des Südsudans dem starken internationalen Druck nachgegeben und ein Friedensabkommen zwischen der Regierung und der bewaffenten Oppositionsgruppe unter der Führung des ehemaligen Vizepräsidenten Machar unterzeichnet. Das Abkommen sieht eine Machtteilung zwischen dem amtierenden Präsidenten Kiir und seinem Kontrahenden Machar vor. Die Machtaufteilung sieht vor, dass die Regierung unter Präsident Kiir 53% der Macht auf nationaler Ebene erhält. Die Opposition unter der Führung von SPLM-Chef Machar bekommt im Abkommen 33% zugeteilt. Die Parteien und eine Gruppe von früheren politischen Gefangenen erhalten 14%. Die Soldaten der Regierungsarmee und der Rebellenarmee ziehen sich auf eine Linie 25 km ausserhalb der Hauptstadt Juba zurück. Bis zu einer Vereinigung der beiden Armeen verbleiben die Streikräfte unter der bisher gültigen Kommandostruktur. Präsident Kiir betonte bei der Unterzeichnung, dass er mit dem Abkommen nicht zufrieden sei und äusserte starke Bedenken. Das Abkommen nährt vorsichtige Hoffnungen, dass der rund 2 Jahre schwelende Konflikt zwischen den beiden um Macht und Einfluss kämpfenden Gruppierungen bald beigelegt werden kann. Der Zwist zwischen den Präsidenten und seinem von ihm abgesetzten Vizepräsidenten mündete in einen blutigen Bürgerkrieg, welcher grosse Teile der Bevölkerung in eine humanitäre Notsituation trieb.
Trotz der grossen Unsicherheit in Südsudans Teilstaat Upper Nile konnte UNICEF in Zusammenarbeit mit dem Welternährungsprogramm die dringendst benötigten Nahrungsmittel und Medikamente für Zehntausende von hilfsbedürftigen Menschen bereitstellen, die während Monaten von Hilfe abgeschnitten waren. Drei Viertel der in Malakal neu eintreffenden Flüchtlinge sind Kinder. Die andauernden Konflikte erschweren es, hilfsbedürftige Familien auf der Flucht mit Nahrung und Medizin zu versorgen und ihnen genügend Zufluchtsorte zur Verfügung zu stellen. UNICEF in Zusammenarbeit mit dem Welternährungsprogramm erreicht zurzeit mit mobilen Nothilfe Teams mehr als 27 000 Menschen in der Stadt Wau Shilluk nahe der Hauptstadt Malakal. Seit über 5 Monaten waren die Einwohner von Wau Shilluk von Hilfe abgeschnitten. Zugangsprobleme und Unsicherheit erschweren die Arbeit der Hilfsorganisationen Die unsichere Lage hatte zur Folge, dass humanitäre Organisationen seit Monaten die Flüchtlinge in Wau Shilluk nur beschränkt erreichen konnten. Viele Organisationen waren gezwungen, ihre Aktivitäten am westlichen Nilufer auszusetzen oder auf ein Minimum zu reduzieren, um das Leben ihrer Mitarbeitenden nicht zu gefährden. "Ohne Hilfe, ohne regelmässige Nahrung und medizinische Versorgung verharrten die Kinder in den Dörfern", sagte Jonathan Veitch, UNICEF Vertreter in Südsudan. "Die Situation ist enorm schwierig, die Leben der Kinder akut gefährdet." Zehntausende Menschen in Südsudan sind auf der Flucht Zehntausende von Menschen sind in den letzten Monaten aus entlegenen Gebieten geflüchtet, um das Flüchtlingslager in Malaka zu erreichen. Diese Menschen suchen Sicherheit und Hilfe. Die mobilen Teams ermöglichen dringende Hilfe - sie bilden eine Überlebensader für Kinder und Frauen im Südsudan. Viele vertriebene Menschen haben in Dörfern Zuflucht gefunden. Sie mit Hilfe dort zu erreichen ermöglicht es ihnen, sich auf ihrer Flucht vor den Konflikten nicht weiteren Gefahren auszusetzen. Nahrung und medizinische Versorgung sind überlebenswichtig UNICEF gemeinsam mit dem Welternährungsprogramm haben in Wau Shilluk Nahrungsmittelhilfe für mehr als 20 000 Menschen bereitgestellt. 3 000 Kinder unter 5 Jahren wurden auf Mangelernährung hin untersucht und erhalten die notwendige Pflege, rund 8 000 Kinder wurden gegen Masern, 7 800 Kinder gegen Kinderlähmung geimpft und über 400 schwangere Frauen wurden gegen Tetanus geimpft. Seit Beginn der Kriseninterventionen hat UNICEF zusammen mit Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen mehr als 1.3 Millionen Menschen erreicht, darunter 220 000 Kinder in schwer erreichbaren Gebieten. Die Organisationen rufen die Konfliktparteien dringend dazu auf, ihre Kampfhandlungen einzustellen und den Hilfsorganisationen einen offenen Zugang zu den hilfsbedürftigen Menschen zu ermöglichen. Zusätzliche Ressourcen dringendst benötigt Die Weiterführung der humanitären Hilfe vor Ort, die Abgabe von Nahrungsmitteln, die Eröffnung der Schulen, die Sicherstellung der medizinischen Versorgung ist vordringlich. Die andauernden Kämpfe, die Gewalt und fehlende humanitäre Hilfe haben grosse Flüchtlingsströme ausgelöst. Allein diesen Monat sind in Malaka 11 000 Flüchtlinge angekommen. UNICEF erwartet, dass das für 18 000 Menschen angelegte Flüchtlingslager in den kommenden Tagen und Wochen auf 50 000 Menschen anwachsen kann. Eine Situation, welche ohne rechtzeitige Hilfe für die Kinder lebensbedrohlich wird. Seit Beginn der Kämpfe im Dezember 2013 wurden mehr als zwei Millionen Menschen vertrieben. Die Nahrungsmittelkrise trifft aktuell 4.6 Millionen Menschen.
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