Schule und Bildung
Bildungsforschung Schweiz
Kanton Zürich: Zürcher Lernstandserhebungen Primarschule
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Bildungsforschung Schweiz
Lernstand und Schulerfolg 2011
Referat: Lernstand vor dem Übertritt in die Sek I
Zürich Lernstandserhebung Primarschule 2005-2008
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Kanton Zürich - Lernstandserhebung in den Primarschulen
Referart von Herr Dr. Jürgen Oelkers, Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Zürich
anlässlich der Medienkonferenz der Bildungsdirektion des Kantons Zürich vom 9. Juni 2011
Lernstand vor dem Übertritt in die Sekundarstufe I
Die Zürcher Lernstandserhebung ist in dieser Form und bezogen auf die Volksschule im deutschen Sprachraum bislang einmalig. In Deutschland oder Österreich sind Lernstandserhebungen in aller Regel punktueller Natur. Sie werden im Blick auf Jahrgangsstufen durchgeführt, aber nicht im Sinne eines Längsschnitts, wie das in Zürich der Fall ist. Die Zürcher Studie beschreibt das Leistungsverhalten einer ganzen Kohorte und ist daher in vielen Hinsichten aufschlussreicher als punktuelle Leistungsmessungen.

Schulerfolg hängt neben der Anstrengungsbereitschaft wesentlich ab von der Beherrschung der Unterrichtssprache. Wer dem Unterricht sprachlich nicht folgen kann, hat in fast allen Unterrichtsfächern Nachteile. Auch die soziale Herkunft oder die Nähe bzw. Ferne zu den Bildungsanforderungen der Volksschule spielen eine wichtige Rolle. Wenn beides negativ zusammenkommt, ist trotz aller Anstrengungen die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Erfolg im Leistungsbereich ausbleibt.

Herkunftsbedingte Ungleichheit können Schulen nicht kurzfristig ausgleichen. Die Beherrschung der Unterrichtssprache dagegen kann durch gezielte und frühe Förderung gelernt werden. Daher ist eine konsequente Sprachförderung ein zentrales Mittel zur Gewährleistung von Erfolgen in der Schule. Das gilt ganz generell und besonders im Blick auf die zentralen Leistungsfächer Deutsch und Mathematik. Notwendig ist dafür auch eine gezielte Elternarbeit.

Die Ergebnisse der Zürcher Studie sind im Vergleich mit anderen Ländern nicht überraschend. Dass bei Beginn der Schulzeit der Kenntnisstand der Schülerinnen und Schüler in zentralen Unterrichtsfächern schon weit auseinanderliegt, ist in der Forschung kein unbekanntes Phänomen. Ebenso wenig ist überraschend, dass zwischen der dritten und der sechsten Klasse die Leistungsschere sich weiter öffnet, was vor allem mit der Zunahme der fachlichen Leistungsanforderungen zu tun hat. Vergleicht man die Ergebnisse mit der ersten Zürcher Leistungsstudie aus dem Jahre 1998, dann ist der Lernstand praktisch unverändert.

Vergleicht man die Ergebnisse im Kanton Zürich mit Leistungsstudien in deutschen Grossstädten, etwa mit München oder Stuttgart, wo ähnliche Evaluationsinstrumente verwendet werden, wenngleich kein Längsschnitt vorliegt, dann zeigt sich auch hier keine grosse Besonderheit. Auch diese Daten verweisen auf den Zusammenhang zwischen Schulerfolg und Beherrschung der Unterrichtssprache sowie auf die zentrale Bedeutung der sozialen Herkunft. Praktisch überall gibt es deutliche Risikogruppen, die einen Mindeststandard nicht erreichen.

Allerdings sind die Abstände unterschiedlich, je nachdem, welche Faktoren das Lernverhalten belasten und von der Schule nicht beeinflusst werden können. Eine Studie aus Berlin etwa weist nach, dass in Bezirken mit einer günstigen sozialen Struktur die mittleren Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler höher und zum Teil auch sehr viel höher liegen als in Bezirken mit starken sozialräumlichen Belastungen. Das trifft auf Stuttgart nicht im gleichen Masse zu. Besonders krasse Unterschiede zwischen den Bezirken gibt es etwa auch in Wien.

Neuere deutsche Studien zeigen, dass generell mit der Dauer der Schulzeit die Motivation der Schülerinnen und Schüler abnimmt. Diese Tendenz wird vor allem dort gemindert, wo es einen vollumfänglichen Ganztagsbetrieb gibt. Das spricht dafür, mit der Ganztagsbeschulung weiter fortzufahren und sie auszubauen. Das Kerngeschäft ist Unterricht, aber daneben muss das Angebot, auch im kommunalen Verbund, verbreitert werden.

Zieht man die Pisa-Resultate zu Rate, dann wird noch einmal deutlich, welche Bedeutung die beiden genannten Faktoren haben. Pisa-Spitzenreiter wie Finnland oder Japan erzielen ihre Bildungserfolge in weitgehend homogenen Kulturen und mit hoher Unterstützung der Schulen durch die Eltern, in Japan mit der Besonderheit, dass auf der Sekundarstufe I neben der Regelschule spezielle Nachhilfeinstitute besucht werden, damit die Prüfungsanforderungen der weiterführenden Schulen erfüllt werden können. Das ergibt für die Schülerinnen und Schüler einen Arbeitstag von 12 bis 14 Stunden.

In Finnland liegt der Anteil der Ausländerinnen und Ausländer bei etwa 2%. Die weitaus meisten von ihnen wohnen und arbeiten im Ballungszentrum Helsinki. Die Schulen haben dort spezielle Programme für das Erlernen der finnischen Sprache. Das Land selbst ist dünn besiedelt, die meisten Schulen sind klein, übersichtlich und homogen. Der Faktor "soziale Herkunft" muss daher ganz anders gewichtet werden als in Genf, Basel oder Zürich. Und Finnland erreicht seinen Spitzenwert im Übrigen mit einer liberalen Unterrichtskultur, also ganz anders als etwa in Südkorea.

Bei der Bewertung des Schulerfolges dürfen nicht nur die Leistungen in bestimmten Fächern betrachtet werden. Hinter dem Pisa-Test steht ein Konzept der Allgemeinbildung, das davon ausgeht, hohe Schulleistungen in zentralen Bereichen seien in jeder Hinsicht anschlussfähig an den Arbeitsmarkt. Pisa misst die Leistungen am Ende der Sekundarstufe I, also bei 15-Jährigen. Die Verwendbarkeit der schulischen Leistung wird nicht erhoben.

Ein aufschlussreiches Datum ist die Quote der Jugendarbeitslosigkeit im europäischen Vergleich. Sie lag in Finnland - dem System mit der besten europäischen Allgemeinbildung - im Jahre 2000 bei 21,4%. Im April 2011 lag die Quote bei 21,3%. Italien, ein Land mit einem schlechten Gesamtschulsystem, hatte im Jahre 2004 26,3% Jugendliche ohne Beschäftigung, im April 2011 waren es 28,4%. Den niedrigsten Wert aller EU-Länder halten seit Jahren die Niederlande. Hier betrug die Quote der Jugendarbeitslosigkeit im April 2011 6,9%. Zum gleichen Zeitpunkt lag die Quote in der Schweiz bei 3,5%.

Schulerfolg bemisst sich nach dem Slogan der OECD daran, dass "kein Abschluss ohne Anschluss" bleibt. Dabei steht Leistung im Mittelpunkt, aber auch die Anschlussfähigkeit des Gelernten. Ein gut ausgebautes System der Berufsbildung gewährleistet für den grösseren Teil der Jugendlichen einen solchen Anschluss. Zur Bewertung der Zürcher Lernstandserhebung muss auch in Rechnung gestellt werden, dass nach der 6. Klasse erhebliche Anstrengungen unternommen werden, die Kinder und Jugendlichen auf den künftigen Arbeitsmarkt vorzubereiten.

Was kurz- und mittelfristig getan werden muss, liegt auf der Hand. Im Blick auf die Risikogruppe muss gezielt gefördert werden. Es wird darum gehen, tatsächlich Mindeststandards für alle Schülerinnen und Schüler durchzusetzen, entsprechende Leistungstests zu implementieren und Rückmeldungen bis zur Stufe des Unterrichts zu geben, damit die Lehrkräfte mit den Daten arbeiten können. Der Lehrplan 21 wird klare Lernziele enthalten, an denen sich die Lehrpersonen orientieren können. Die künftige Lehrmittelproduktion wird sich auf Kompetenzstufen einstellen und auch von daher die Leistungsentwicklung unterstützen.

Quelle: Text Bildungsdirektion des Kantons Zürich, Institut für Bildungsevaluation, Assoziiertes Institut der Universität Zürich, Juni 2011

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Kanton Zürich
Folienvorlagen zum Referat von Herr PD Dr. Urs Moser
Institut für Bildungsevaluation der Universität Zürich
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Kanton Zürich
Lernstandserhebung zu Beginn beim Eintritt in die ersten Klasse

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