Schule und Bildung
Ergebnisse der PISA-Studie 2000
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PISA 2000 Realitäten - Utopien
Bildungsforschung u. Bildungsreformen
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Tatsache ist, dass bei den PISA2000-Tests in der Schweiz wohnhafte Schülerinnen und Schüler beim Lese- und Verständnistest und in den naturwischaftlichen Fächern eher mittelmässig, in der Mathematik überdurchschnittlich gut abgeschlossen haben. Wirklichkeit ist hingegen auch die Tatsache, dass PISA den messbaren Istzustand in der Bildungslandschaft festhält. Die nationalen Lehrpläne und der sozioökonomische Hintergrund der untersuchten Länder bleiben in der Untersuchung unberücksichtigt. Ebenso untersucht PISA nicht, ob Testkandidaten nach der Schule mit ihrem Wissen erfolgreich sind. Zudem war Mathematik bei PISA2000 gar nicht das Haupttestgebiet.

Trotz Vorbehalten liefert PISA gute Indikatoren, wo der "Hebel" bei Bildungsreformen angesetzt werden muss.

PISA 2000: Realitäten und Utopien
Bildungsreform nach ökonomischen Regeln
Realität ist auch, dass sich Bildungsprobleme nicht allein mit technokratischem Wissen lösen lassen. Der Mensch ist in einen sozialen, kulturellen und ökonomischen Hintergrund eingebettet. Bildungsreformen zeigen erst nach vielen Jahren nachhaltige erwünschte oder leider auch unerwünschte Auswirkungen. Produktivitäts- und Qualitätssteigerungen lassen sich nicht wie in der Wirtschaft mit Optimierungsprozessen oder fortschreitender Mechanisierung oder Digitalisierung praktisch "über Nacht" erreichen. Menschen lassen sich nicht nach ökonomischen Regeln optimieren.
Geleitete Schulen - Garantierter Erfolg?
Was geschieht, wenn die Schulleitung mangels Erfahrungen und Fähigkeiten die gesteckten Ziele nicht erreicht?
Ein Schwachpunkt der Bildungsreformpolitik war bisher, dass sie Lösungen vordringlich mit strukturellen Mitteln (Schulleitungen usw.) anstreben wollte. Flosskeln von Bildungstheoretikern wie "es wird erwartet, dass die geleiteten Schulen mithelfen, die Qualität des Schulunterrichts zu entwickeln und zu sichern" sind eher als Propaganda in eigener Sache zu werten. Der Glaube, eine Schulleitung würde es dann schon richten, ist trügerisch. Länder mit institutionalisierter Schulleitung finden sich auch "Ranglistenende" der PISA-Studie. Diese Realität wird oft ausgeblendet.
PISA-Gewinner Finnland und Kanada - Vorbilder?
Experten sind sich darin einig, dass die Schulmodelle der Studienbesten nicht 1:1 kopiert werden dürfen. Wichtig ist, dass nationale oder kantonale (und nicht schulinterne) Qualitätsstandards und die entsprechenden Kontrollsysteme aufgebaut werden müssen. Ein unabhängiger Nachweis der tatsächlich erbrachten Leistung muss möglich sein. Dass diese Massnahmen allein nicht genügen, zeigen die USA, welche Schulleitungen und nationale Vergleichprüfungen kennen. Experten glauben, dass die Einführung von Systemen, welche die Chancengleichheit und die Leistungsfähigkeit fördern, von Ganztagesschulen usw. die Bildungserfolge erhöhen würden. Die Vorschläge beschränken sich allerdings nur auf strukturelle Aspekte.
Weniger, dafür besser
Schulen wollen eine zeitgemässe Ausbildung gewährleisten. Nebst sportlichen und kulturellen Aktivitäten werden noch viele andere wichtige Aspekte berücksichtigt. Gleichzeitig wird die für den "Kernunterricht" benötigte Unterrichtszeit vermindert. Die Zielsetzungen des Lehrplans vermitteln oft klare Vorgaben für diesen Unterricht. Diese Ziele sind vielfach mess- oder überprüfbar (zum Beispiel duch PISA-Studien). Das Dilemma besteht darin, dass der Ausbau der Kern- und gleichzeitig der "Nebenaktivitäten" in der Regel oft zu schlechteren messbaren Leistungen im Schulalltag führt. Ein Lösungsansatz besteht darin, die bisherigen Bildungsinhalte zu straffen und die verbliebenen teilweise zu vernetzen. Der Umsetzung dieses Vorhabens steht die heute vielfach übliche Ausgestaltung der Stundenpläne entgegen: 07.30 Uhr - 08.15 Uhr Französich, ... Eine Vernetzung der Lerninhalte bedingt ganz zentral eine neue Struktur der Stundentafeln, die Einführung einer minimalen Jahrestundenzahl für jedes Fach sowie zusätzliche Massnahmen.
Lehrpersonen aus dem Volk
Zyniker würden sagen, jede Gesellschaft bekommt jene Lehrpersonen, welche sie verdient hat. Tatsache ist , dass bisherige und zukünftige Lehrpersonen jenes Bildungssystem durchlaufen haben, welche es jetzt zu reformieren gilt.
Geld und Geist
Bildung , da sind sich (fast) alle einig, ist der wichtigste Rohstoff der Schweiz. Nicht ganz einig ist man sich dann, wenn es daran geht, die Sparschraube anzusetzen. Vorgaben wie "die Klassengrösse wird um 1,5 (?) Schüler/innen erhöht und gleichzeitig das individuelle Lernen im neugeschaffenen Fach Englisch zusätzlich gefördert" haben fatale Auswirkungen in der Praxis. Die Theorie und die Praxis kommen sich hier mächtig in die Quere.
Was sparen bedeutet, machen gegenwärtig (2003) die Versicherungen, die Fluggesellschaft Swiss, die Post usw. vor. Sparen heisst auch Leistungsabbau. Warum soll diese Norm gerade im Bereich Bildung nicht auch gelten?
Mehr, noch mehr ..
Im Zeitalter einer von den Medien mitgeprägten Schnelllebigkeit möchten auch Politiker und Bildungsverwalter einen schnellen Erfolg der von ihnen veranlassten Massnahmen vorweisen können. Rasch werden daher als Reaktion auf den PISA-Schock Massnahmen wie etwa zusätzlich Autorenlesungen usw. beschlossen. Autorenlesungen haben allerdings nur dann Aussicht auf nachhaltige positive Wirkungen im Unterricht, wenn die Themen vor- und nachbearbeitet sowie mit anderen Fachinhalten verknüpft werden. Die dazu erforderliche Unterrichtszeit wurde vielleicht schon für das Frühfranzösisch, das Frühenglisch oder andere Unterrichtsinhalte verplant.
Schall und Rauch
Bildungspolitiker wollen seit Jahren, dass sich die Lehrpersonen aufs Kerngeschäft konzentrieren. Es sei bisher zuviel Geld in Strukturen als in Bildungsinhalte "vor Ort" investiert worden, hört man von bürgerlicher Seite aus dem Bundesparlament. Weiterhin wird allerdings in Strukturen investiert. Die Reformen "vor Ort" sollen die Lehrpersonen mit ihrer Freizeit und Gesundheit bezahlen. Reformen, welche die Interessen beteiligter Menschen nicht berücksichtigen, werden langfristig keinen Erfolg haben.
"Kerngeschäft"
Was gehört eigentlich zum Kerngeschäft einer Lehrperson? Wie viel Kerngeschäft verträgt eine Lehrperson? Für welche Kerngeschäfte wurden die Lehrpersonen ausgebildet? Für welche Kerngeschäfte ist eine Lehrperson geeignet, für welche nicht?
Der Katalog des Kerngeschäfts wird laufend ergänzt und so der gesellschaftlichen und finanziellen "Wetterlage" angepasst.
Selbstbedienungsladen
Nach der Veröffentlichung der Ergebnisse der PISA-Studie werden von verschiedenen Seiten immer lauter Forderungen und Wünsche laut. Je nach Interessenlage werden die Prioritäten unterschiedlich gesetzt. Die einen fordern Tagesschulen (Vorbild Finnland), die anderen weniger Ausländer (Vorbild Finnland), wieder andere mehr Bibliotheksbücher (Vorbild Finnland) usw. usw.
Es ist allerdings eine Utopie zu glauben, die eine oder andere Massnahme würde isoliert zu einem Erfolg führen. So leicht lassen sich Bildungserfolge nicht erkaufen.

Verbesserungen sind nicht gratis Die Steuerungsgruppe PISA 2000 geht in einer "groben Schätzung" von wiederkehrenden Kosten zwischen 1,2 und 1,9 Mrd. Fr. aus, falls ihre Empfehlungen befolgt werden. Dazu kommen einmalige Kosten in der Höhe von 255 Mio. Franken. Experten glauben allerdings, dass diese Kostenberechnung nicht der Wirklichkeit entsprechen wird. Jeder Kanton wird separat schauen, wo er seine Anstrengungen verstärken will und wo die geforderten Massnahmen bereits umgesetzt sind. Die Mehrkosten werden deshalb von Kanton zu Kanton variieren.

Die Verhältnisse in den USA zeigen der Welt, dass sich Versäumnisse im öffentlichen Bildungssystem nachträglich kaum mehr korrigieren lassen. Notwendige Reformen sind kaum mehr finanzierbar.

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