Einer der Grundbausteine des Lebens ist Stickstoff. Ein internationales Konsortium konnte dank einer Methode mit nachgebildeten Kometenoberflächen Ammoniumsalz, das Stickstoff enthält, auf der Oberfläche des Kometen Chury nachweisen. Die Methode, worauf die Studie zum Nachweis von Ammoniumsalz aufbaut, war an der Universität Bern entwickelt worden. Kometen und Asteroiden sind Objekte in unserem Sonnensystem, die sich seit der Entstehung der Planeten nur wenig entwickelt haben. So sind sie in gewisser Weise die Archive des Sonnensystems, und die Bestimmung ihrer Zusammensetzung könnte auch zu einem besseren Verständnis der Entstehung der Planeten beitragen. Eine Möglichkeit, die Zusammensetzung von Asteroiden und Kometen zu bestimmen, ist, das von ihnen reflektierte Sonnenlicht zu untersuchen, da die Materialien auf ihrer Oberfläche das Sonnenlicht mit bestimmten Wellenlängen absorbieren.
Jedoch war die genaue Art der Verbindungen, die für die gemessenen Absorptionsmerkmale von Chury verantwortlich sind, bis anhin nur schwer zu bestimmen. Nachgebildete Kometen lieferten des Rätsels Lösung Um festzustellen, welche Verbindungen für die Absorptionsmerkmale verantwortlich sind, haben die Forschenden um Olivier Poch vom Institut für Planetologie und Astrophysik der Université Grenoble Alpes Laborexperimente durchgeführt, in denen sie Kometen nachbildeten und Bedingungen wie im Weltraum simulierten. Poch hatte die Methode gemeinsam mit Berner Forschenden entwickelt, als er noch am Physikalischen Institut der Universität Bern tätig war. Die Forschenden testeten verschiedene in Frage kommende Verbindungen auf den nachgebildeten Kometen und massen deren Spektren, genauso wie das Instrument VIRTIS es an Bord von Rosetta mit der Oberfläche von Chury getan hatte. Die Experimente zeigten, dass für das bestimmte Spektrum von Chury Ammoniumsalze verantwortlich sind. Antoine Pommerol vom Physikalischen Institut der Universität Bern ist einer der Ko-Autoren der Studie, die heute im Journal Science erscheint. Er erklärt: «Während Olivier Poch an der Universität Bern arbeitete, haben wir gemeinsam Methoden und Vorgehen entwickelt, um Nachbildungen von Oberflächen von Kometenkernen herzustellen.» Unter simulierten Weltraumbedingungen seien die nachgebildeten Kometenoberflächen verändert worden, indem das Eis auf diesen Oberflächen sublimiert worden sei. «Diese realistischen Laborsimulationen ermöglichen es uns, Laborergebnisse und Daten zu vergleichen, die von den Instrumenten auf Rosetta oder anderen Kometenmissionen aufgezeichnet wurden. Die neue Studie baut genau auf diesen Methoden auf, um das stärkste spektrale Merkmal zu erklären, welches das VIRTIS Spektrometer bei Chury beobachtet hat», so Pommerol weiter. Nicolas Thomas, Direktor des Physikalischen Instituts der Universität Bern und ebenfalls Ko-Autor der Studie, sagt: «Unser Labor in Bern bietet ideale Möglichkeiten, um mit Experimenten Ideen und Theorien zu testen, die aufgrund von Daten formuliert worden sind, die Instrumente auf Weltraummissionen gesammelt haben. So kann sichergestellt werden, dass die Interpretationen der Daten wirklich plausibel sind.» Lebensbaustein «versteckt» sich in Ammoniumsalzen Die Ergebnisse decken sich mit denjenigen des Berner Massenspektrometers ROSINA, das ebenfalls an Bord von Rosetta Daten zu Chury gesammelt hatte
Die Ergebnisse tragen gemäss den Forschenden auch dazu bei, die Entwicklung von Stickstoff im interstellaren Raum und seiner Rolle in der präbiotischen Chemie besser zu verstehen. Angaben zur Publikation: O. Poch, I. Istiqomah, E. Quirico, P. Beck, B. Schmitt, P. Theulé, A. Faure, P. Hily-Blant, L. Bonal, A. Raponi, M. Ciarniello, B. Rousseau, S. Potin, O. Brissaud, L. Flandinet, G. Filacchione, A. Pommerol, N. Thomas, D. Kappel, V. Mennella, L. Moroz, V. Vinogradoff, G. Arnold, S. Erard, D. Bockelée-Morvan, C. Leyrat, F. Capaccioni, M. C. De Sanctis, A. Longobardo, F. Mancarella, E. Palomba, F. Tosi: Ammonium salts are a reservoir of nitrogen on a cometary nucleus and possibly on some asteroids, Science doi: http://dx.doi.org/10.1126/science.aaw7462 Berner Weltraumforschung: Seit der ersten Mondlandung an der Weltspitze Als am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solarwind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung. Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei. In Zahlen ergibt dies eine stattliche Bilanz: 25mal flogen Instrumente mit Raketen in die obere Atmosphäre und Ionosphäre (1967-1993), 9mal auf Ballonflügen in die Stratosphäre (1991-2008), über 30 Instrumente flogen auf Raumsonden mit, und mit CHEOPS teilt die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission. Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalsfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.
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