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Bergdörfchen Guarda
Wo sich die Gemeindepräsidentin über Babywäsche freut und mit ihrer Ziegenherde spazieren geht

Wenn 48 Ziegen durch das Unterengadiner Bergdörfchen Guarda ziehen, kann das nur Maria Morell mit ihrer Herde sein. Denn solange die Tiere nicht auf der Alp Suot unterhalb des Sonnencremeberges Piz Buin sind, geht sie mit ihnen spazieren. Jeden zweiten Tag. "Ein wenig Auslauf muss schon sein", sagt die 59jährige, die mit ihrem Mann zudem 20 Schafe versorgt und als Gemeindepräsidentin - in Deutschland Bürgermeisterin genannt - für die 154 Einwohner des Ortes zuständig ist. Und zwischendurch Besucher und potentielle neue Mitbürger durch das 1639 Meter hoch gelegene Bilderbuchdorf mit seinen denkmalgeschützten Engadiner Häusern führt, das für vorbildlichen Heimatschutz ausgezeichnet und als "Ortsbild von nationaler Bedeutung" eingestuft ist.

Maria Morells Tag beginnt um halb sechs in der Früh: Nach dem Melken geht's in die Käserei. Aus 100 Liter Ziegenmilch, die täglich anfallen, werden zehn Kilo Käse, der fünf bis sechs Wochen reift und dann im Dorfladen ihrer Familie verkauft wird. Zum Glück hat's Maria Morell nicht weit. Der Stall ist unten im Haus, im Gewölbekeller drüber hat sie ihre Käserei, darüber den Laden und ganz oben wohnt sie mit ihrem Mann, einer ihrer Töchter samt Gatten und zwei Kindern. "Wir haben zwar zwei Küchen, aber wir essen immer gemeinsam", sagt die Patronin. "Das macht's einfacher."

Und die Politik? Die zieht sich wie ein roter Faden durch ihren Alltag. Denn der überzeugten Unterengadinerin, deren Vorfahren sich schon vor 600 Jahren hier niederliessen, ist die Heimat ans Herz gewachsen Für sie ist es kein Job, sondern ein echtes Anliegen, dass die dörfliche Infrastruktur mit Poststelle und "Lädeli" erhalten bleibt und dass junge Familien frisches Leben in das Bilderbuchdorf mit seinen alten Engadiner Häusern aus dem 17. Jahrhundert bringen.

"Unsere Häuser stammen aus den Jahren 1650 bis 1670. Sie wurden auf den Fundamenten errichtet, die beim grossen Brand im 30-jährigen Krieg stehen geblieben sind", so Maria Morell. Seitdem hat man hier und da aufgestockt und erweitert - aber immer im typischen Engadin-Stil: Meterdicke Mauern, die im Laufe der Zeit bauchig geworden sind, kleine Fenster, die wenig Kälte hereinlassen, aber viel Licht, weil die Einschnitte ins Mauerwerk trichterförmig verlaufen und sich zu den Scheiben hin verjüngen, riesige hölzerne Eingangstore, durch die früher Heu und Stroh mitten durchs Wohnhaus zum Stall gebracht wurde und Fassaden, die in aufwändiger Scraffito-Technik mit Ornamenten und Symbolen verziert sind, die einst in den noch feuchten Kalkverputz gekratzt wurden.

Wer die Sprüche an den Wänden entziffern will, muss Rätoromanisch verstehen, konkret Vallader, eines von fünf unterschiedlichen Idiomen, die von etwa 38.000 Menschen im Kanton gesprochen werden. Wenn man bedenkt, dass die Kinder bis zur 4. Klasse ausschliesslich in ihrem jeweiligen rätoromanischen Idiom unterrichtet werden, kann man sich ausrechnen, in welcher geringen Auflage die Schulbücher erscheinen.

Viel Beschaulichkeit und Pflege alter Traditionen - aber wenig Arbeitsplätze.

Wie auch in den anderen Bergdörfern des Unterengadins von Ardez über Ftan und Sent bis hin nach Tschlin zieht es die Jugend schon seit Jahrzehnten in die Stadt. "Ende der 1990er hatten wir fünf Jahre lang keine einzige Geburt in Guarda", sagt Maria Morell. Und ist stolz darauf, dass inzwischen wieder Babystrampler auf den Wäscheleinen flattern. Die aktive Ansiedlungspolitik der Gemeinde hat sichtlich Erfolg. Leer stehende Häuser werden von der Kommune aufgekauft, restauriert und jungen Familien gegen eine geringe Miete zur Verfügung gestellt. Gelder dafür fliessen unter anderem von der Stiftung Pro Guarda. Besonders froh ist Maria Morell, wenn sich die Neuen dann auch wirklich integrieren und mit von der Partie sind im Gesangsverein oder im Bauernverband.

Was die Unterstützungsbereitschaft von aussen anbelangt, ist Guarda als schönstes Dorf der Schweiz in einer vergleichsweise glücklichen Situation. "Wir haben viele Förderer", sagt die Gemeinderatspräsidentin. Und lässt im Gespräch Zeiten lebendig werden, in denen die nicht nötig waren. Als die Handelsroute von Venedig nach Augsburg noch durch die Bergdörfer an den Hängen des Silvretta-Gebirges führte, hatte hier jeder sein Auskommen. Doch 1892 gerieten die Orte mit der Eröffnung der neuen Engadinstrasse am Inn entlang in Vergessenheit. Heute können Besucher dank des konsequent gelebten Kultur-und Traditionsbewusstseins im Unterengadin von Guarda über Ardez und Ftan bis nach Sent und Tschlin durch intakte Bilderbuchdörfer schlendern, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint.

Am Dorfbrunnen erzählt Maria Morell von der Brunnenordnung, die früher den Zugang zum Wasser regelte. Morgens durften die Frauen hier waschen, dann war Schluss, weildas Wasser abends wieder sauber sein musste, um die Tiere zu tränken. Übrigens: Dass die Erker an den Häusern nicht unbedingt nach Süden ausgerichtet sind, hat einen einfachen Grund. Sie wurden als Logenplätze mit Brunnenblick gebaut - schliesslich wollte man sehen, wer sich mit wem im Zentrum traf.

Vom Brunnen ist es nicht weit zum Schellenursli-Haus, das jedes Schweizer Kind mit verbundenen Augen malen kann, seitdem die Schriftstellerin Selina Chöntz und der Illustratur Alois Carigiet ihm ein Denkmal gesetzt haben. In dem Buch, das inzwischen in 26 Sprachen übersetzt wurde und das der eidgenössische Nachwuchs in der Regel noch vor Heidi lieben lernt, geht es um den Chalandamarz-Brauch, bei dem die Knaben den Winter mit lautem Glockengebimmel vertreiben. Wer die grösste hat, darf vorne marschieren. Und weil Klein-Ursli auch einmal unter den Ersten sein will, geht er allein zur Alphütte seiner Eltern, um die grosse Kuhglocke zu holen. Die komplette Geschichte erfahren Besucher auf dem Schellenursli-Weg, der mit Kindern auch in einzelnen Etappen gewandert werden kann.

Das Haus, in dem die Gemeindepräsidentin lebt und käst, ist seit 1790 im Besitz der Familie ihres Mannes. Wo heute die Ziegen und Schafe stehen, waren bis vor 16 Jahren noch die Kühe zuhause. Doch ohne Gülle-Rinnen entsprach der Stall nicht mehr den Vorschriften für Kuhhaltung und so stellte man auf Ziegen um. "Zu denen hat man einfach eine engere Beziehung", vergleicht Maria Morell und freut sich schon wieder auf ihren nächsten Spaziergang mit Zickla, Cräzla und dem Rest der Herde. Auf der Bank oben am Berg wird sie sich ausruhen. Und den Blick über die geliebte Heimat schweifen lassen.

Quelle: Engadin Scuol-Tarasp Tourismus 2008
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