Was ist aus den betroffenen Menschen geworden? Ein Jahrzehnt ihres Lebens war von den Auswirkungen des Erdbebens in Haiti von 2010 geprägt. Die betroffenen Menschen haben die Naturkatastrophe selbst erlebt - sie haben Angehörige verloren und gesehen, wie vieles zerstört wurde. Und sie mussten ihren Alltag unter schwierigen Bedingungen wieder aufnehmen. Wir erholt man sich von einem Erdbeben, dessen soziale, wirtschaftliche und ökologische Auswirkungen noch Jahre später spürbar sind? Hier erzählen drei Haitianerinnen, wie ihnen unsere Partnerhilfswerke mit Ihrer Spende geholfen haben.
Yvelaine, überlebende Schülerin, heute Küchenchefin «Als das Erdbeben kam, war ich auf dem Schulweg. Ich war 10 Jahre alt. Unser Haus lag in Trümmern. Als provisorische Überdachung verwendeten wir Tücher. Wir waren weder vor Wind noch vor Regen geschützt und wir hatten auch zu wenig Nahrungsmittel.» Die junge Haitianerin, die schon vor der Katastrophe verwaist war, überlebte die Tage nach dem Erdbeben nur dank der Unterstützung eines Familienzentrums unseres Partnerhilfswerks Terre des hommes - Kinderhilfe. «Dort bekamen wir jeden Tag eine warme Mahlzeit und Wasser», erinnert sich Yvelaine. Später konnte sie im Familienzentrum auch Schulungen machen. «Ich habe gelernt, wie ich mich schützen kann. Viele Mädchen und junge Frauen wurden Opfer von Missbrauch.» Dank Ihren Spenden konnte Yvelaine eine Ausbildung zur Küchenchefin machen. «Momentan arbeite ich nicht in Vollzeit, aber ich koche oft für an Anlässen für private Autraggeber. Mein Traum ist es, Konditorin zu werden.» Dieses Jahr wird Yvelaine 20 Jahre alt. Chantanne, ein neues Leben dank Kaninchenzucht «Ich kam gerade von meinem Garten, wo ich Kohl anpflanzte, als die Erde bebte. Ich habe Familienmitglieder und Freunde verloren», erzählt Chantanne, 39, Mutter eines 18-jährigen Sohns. «Seit dem Erdbeben von 2010 hat sich viel verändert. Das Leben ist schwierig, aber mit der Hilfe, die wir erhalten haben, konnten wir uns wieder eine Grundlage aufbauen.» Chantanne war in ihrer Region an Aufforstungsprojekten beteiligt und konnte mit der Unterstützung unseres Partnerhilfswerks Caritas eine Kaninchenzucht aufbauen, um ihre Arbeit als Gärtnerin breiter zu fächern. «Ich erhielt sechs Kaninchen, die sich dann vermehrten - und ich gab sechs an eine andere Familie. Sie sind ein gutes Nahrungsmittel für Diabetiker und mangelernährte Kinder. Die Kaninchenzucht ist jetzt mein neues Leben.» «Seit 2010 bin ich Maurerin» «Unser Haus wurde vom Erdbeben komplett zerstört und wir verloren unser ganzes Vieh. Damals lebte ich noch mit meinen Eltern und wir hatten kein Geld», erinnert sich Bellany. Die Spargruppe, die unser Partnerhilfswerk Helvetas nach der Naturkatastrophe in Haiti eingerichtet hatte, half der jungen Frau und ihrer Familie, sich wieder eine Zukunft aufzubauen. Das Hilfswerk schulte Bellany in Konstruktionstechniken für Latrinen. Heute kann sie von dieser Tätigkeit leben und hilft gleichzeitig ihrer Gemeinschaft. «Seit 2010 bin ich Maurerin», sagt die junge Frau. «Und ich schule die Familien, mit denen wir arbeiten, im Gebrauch der Latrinen.» «Gleichzeitig entwickle ich ein Sparprojekt. Ich bin für drei Spargruppen verantwortlich. Mit meinem Ersparten will ich mir irgendwann ein Haus bauen. Ich bin schwanger und werde für die Zukunft meines Kindes aufkommen können.» Wirkungsanalyse der Hilfe in Haiti: Hohe Zufriedenheit, trotz schwieriger Lebensumstände Zehn Jahre nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti am 12. Januar 2010, geben gemäss einer umfangreichen Wirkungsanalyse 90% der befragten Haushalte an, dass sie dank der von der Glückskette unterstützen Hilfsprojekte ihre Grundbedürfnisse abdecken und ihre Existenzgrundlage wieder herstellen können. Die Glückskette konnte bis 2018 dank der grossen Solidarität der Schweizer Bevölkerung mit knapp 63 Millionen Franken 91 Projekte finanzieren, die von 21 Partnerhilfswerken umgesetzt wurden. Unabhängig von der positiven Wirkung der geleisteten Unterstützung haben sich aber leider die Lebensumstände der Menschen in Haiti in den letzten Monaten aufgrund von politischen Unruhen wieder stark verschlechtert. Im Rahmen einer Wirkungsanalyse zur Hilfe in Haiti hat die renommierte und unabhängige Beratungsfirma Key Aid Consulting von Mai bis Oktober 2019 Projektunterlagen und bisherige Evaluationen studiert, eine quantitative Umfrage bei 525 Haushalten und eine qualitative Analyse mit weiteren Gruppen-Interviews durchgeführt. Untersucht wurde dabei, in welcher Form die Unterstützung der Hilfsorganisationen das Leben der Menschen nach dem verheerenden Erdbeben von 2010 beeinflusst hat. Nachhaltige Unterstützung mit partizipativem Ansatz Die Auswirkungen des Wiederaufbauprogramms der Glückskette sind auch heute noch spürbar: 92% der befragten Haushalte geben in der Befragung im Mai 2019 an, dass die wichtigste Veränderung ihres Lebens auf die von der Glückskette unterstützten Projekte zurückzuführen sei. 90% konnten dank der Hilfe ihre Grundbedürfnisse abdecken und ihre Existenzgrundlage wiederherstellen und ... 95% der Befragten, welche damals eine Unterkunft erhalten hatten, leben noch immer darin. Unter anderem wurden über 2'700 Häuser repariert oder neu aufgebaut (ebenso wie 4'850 Latrinen).
Schliesslich ist auch der langfristig geplante Projektausstieg, bei dem lokale Strukturen am Ende der Projekte die Arbeiten fortsetzen konnten, eine weitere Besonderheit der von der Glückskette finanzierten nachhaltigen Hilfe in Haiti. Schwierige Lebensbedingungen Auch wenn die Menschen gemäss Befragung ihre Existenzgrundlage wiederherstellen konnten, so haben weitere Projekte - wie zum Beispiel berufliche Aus- und Weiterbildungen - welche zum Aufbau des Lebensunterhalts beitragen sollten, aufgrund der wirtschaftlichen Lage, nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Die befragten Personen unterstreichen jedoch die hohe Qualität der beruflichen Bildung, auch wenn diese aufgrund der Schwäche des Arbeitsmarktes bei den wenigsten zu einer dauerhaften Beschäftigung geführt haben. Fazit der Glückskette Die Ergebnisse der breit angelegten Wirkungsanalyse zeigen unter anderem auf, dass die humanitäre Arbeit der Partner der Glückskette von den betroffenen Familien und Gemeinden sehr geschätzt wird und der Einsatz der Spendengelder Wirkung zeigt. Insgesamt hätten die Projekte ihre Ziele erreicht, konstatiert Roland Thomann, der neue Direktor der Glückskette:«Wir sind erfreut, dass die Verknüpfung von Nothilfe mit Wiederaufbau und Entwicklungszusammenarbeit offenbar einen erhöhten positiven Effekt für die betroffenen Menschen hat. Entsprechend wird die Glückskette zukünftig vermehrt in diese Art der Unterstützung investieren, um möglichst effizient und nachhaltig Hilfe leisten zu können. » Leider habe sich aber im vergangenen Jahr die Lebenssituation der Bevölkerung in Haiti aufgrund gewalttätiger Proteste und Unruhen weiter gravierend verschlechtert. Ernst Lüber, Leiter Programmabteilung bei der Glückskette zeigt sich besorgt: «Die prekäre Situation hat fatale Folgen für die Lebenssituation der Menschen in Haiti und behindert ausserdem die aktuelle weiterführende Arbeit vieler Hilfswerke. Wir hoffen deshalb auf eine schnelle Rückkehr zur Normalität.» Volle Transparenz Die Resultate der Wirkungsanalyse sind für alle Interessierten transparent und in der von den unabhängigen Expertinnen und Experten von Key Aid Consultant verfassten Version öffentlich zugänglich. Mit dieser vollumfänglichen Transparenz will die Glückskette aufzeigen, dass eine glaubwürdige und transparente Kommunikation im heutigen Spendenumfeld unerlässlich ist und zudem Vertrauen schafft.
Die Glückskette Die Glückskette ist der Ausdruck der Solidarität der Schweizer Bevölkerung mit den Opfern von Naturkatastrophen, Konflikten und Menschen in Not in der Schweiz und im Ausland. Sie ist eine unabhängige, von der SRG geschaffene Stiftung und kofinanziert im Ausland mit den ihr von der Bevölkerung, Firmen, Kantone und Gemeinden anvertrauten Spenden Projekte ihrer 26 Schweizer Partnerhilfswerke. Die Stiftung gewährleistet eine effiziente und zielgerichtete Verwendung der gespendeten Gelder, indem sie die Projekte einer vertieften Analyse und wiederholten Evaluationen vor Ort durch Experten unterzieht und die Einhaltung der internationalen Normen für Soforthilfe, Rehabilitation und Wiederaufbau garantiert. In der Schweiz unterstützt die Glückskette Projekte für Menschen in Not. Nach Unwettern im eigenen Land unterstützt sie Privatpersonen, Gemeinden oder KMU, die grosse Schäden erlitten. Seit 1946 hat die Glückskette mehr als 1,8 Milliarden Franken an Spendengeldern gesammelt. Mehr unter www.glueckskette.ch oder auf medien.glueckskette.ch
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