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Finnwale lieben die Gewässer um Elephant Island

Tonaufnahmen belegen: Die Bartenwale nutzen fast ganzjährig die krillreichen Gewässer der Insel, die daher unter Schutz gestellt werden sollten

Finnwale sind in der Zeit des kommerziellen Walfanges so stark bejagt worden, dass nur ein kleiner Teil der Population auf der Südhalbkugel überlebt hat und Meeresbiologen bis heute nur wenig über das Leben der zweitgrössten Wale der Welt wissen. Um so erfreulicher sind nun Forschungsergebnisse von Wissenschaftler:innen des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und des Johann Heinrich von Thünen-Institutes für Seefischerei, wonach sich eine grosse Zahl der Bartenwale regelmässig in den krillreichen Gewässern um Elephant Island aufhält.

Beweise dafür liefern Unterwasser-Tonaufnahmen aus der Region, auf denen im Spitzenmonat Mai so viele Finnwalrufe zu hören sind, dass die einzelnen Laute zu einem Klangteppich verschmelzen, berichtet das Forscherteam jetzt im Fachmagazin Royal Society Open Science. Angesichts dessen fordern die Meeresbiologen nun Schutzmassnahmen für diesen wichtigen Lebensraum, um die sich andeutende Erholung der Finnwal-Population nicht zu gefährden.Finnwale sind immer noch selten und kommen laut Lehrbuch in Gruppen von drei bis maximal sieben Tieren vor. Umso überraschter war AWI-Meeresbiologin Elke Burkhardt, als sie im antarktischen Spätsommer 2012 auf einer Expedition des deutschen Forschungseisbrechers Polarstern in die Scotiasee mehr als 100 Finnwale im Meer nördlich der Elephant Island zählte.

War diese Ansammlung ein Zufallsfund oder treffen die zweitgrössten Bartenwale der Welt hier regelmässig in so grosser Zahl aufeinander? Und wenn ja, warum? Um Antworten auf diese Frage zu finden, brachten Elke Burkhardt und ihr Team im Januar 2013 eine Verankerung mit zwei Unterwasser-Akustik-Rekordern sowie einem Gerät zur Bestimmung des Nahrungsangebotes im Küstenbereich nordwestlich der Insel aus. Drei Jahre lang, von Januar 2013 bis Februar 2016, zeichneten die Instrumente die Geräuschkulisse der Unterwasserwelt sowie Daten zum Nahrungsangebot in der oberen Wassersäule auf und halfen somit, einen der wohl wichtigsten Lebensräume der südlichen Finnwale zu identifizieren.

"Unsere Polarstern-Beobachtungen waren kein Zufall. Wie unsere Aufnahmen zeigen, halten sich die Tiere regelmässig von Dezember bis August in den Gewässern rund um Elephant Island auf. Sie machen hier nicht nur Jagd auf Antarktischen Krill, sondern beginnen auch mit der Partnersuche. Die meisten Finnwal-Rufe haben unsere Rekorder nämlich genau in jener Jahreszeit aufgezeichnet, in der auch die Fortpflanzungszeit der Population auf der Südhalbkugel beginnt", berichtet Elke Burkhardt.

Identifizieren lassen sich die Finnwale anhand eines artspezifischen dumpfen Lautes: "Menschen würden ihn vermutlich nur als Vibration in der Magengrube wahrnehmen, denn seine zentrale Frequenz liegt bei etwa 20 Hertz und damit ausgesprochen tief", erklärt Elke Burkhardt. Paarungsbereite Finnwal-Bullen, die Weibchen anlocken wollen, stossen diesen Bass-Laut in schneller, regelmässiger Abfolge aus. "Ihr Werben erklärt vielleicht auch, warum unsere Rekorder im Monat Mai so viele dieser Rufe aufgezeichnet haben, dass sie zu einem Klangteppich verschmolzen sind und kaum noch als Einzellaute auszumachen waren", erzählt die AWI-Meeresbiologin.

Neue Argumente für ein Meeresschutzgebiet rund um Elephant Island

Ihre Freude über die vielen Finnwale an Elephant Island ist gross: "Sollte diese Ansammlung tatsächlich ein Anzeichen für eine wachsende Finnwal-Population sein, dann wäre das ein Achtungserfolg für das internationale Walfang-Moratorium, welches vor 35 Jahren in Kraft getreten ist", sagt die Meeresbiologin.

Gleichzeitig aber geben die neuen Erkenntnisse auch Anlass zur Sorge: "In der Scotiasee wird zum einen viel nach Antarktischem Krill gefischt; zum anderen wird dieses für Finnwale sehr bedeutsame Gebiet häufig von Kreuzfahrtschiffen besucht. Aus diesen Gründen ist es nun umso wichtiger, das Meeresgebiet rund um Elephant Island umfassend zu schützen und sowohl die Krillfischerei als auch den Tourismus so zu regulieren, dass ein Schaden für den Finnwal-Bestand ausgeschlossen werden kann", sagt Elke Burkhardt. Dafür sollte regelmässig das akustische Umfeld (Soundscape) aufgezeichnet werden, um Veränderungen der Bestände zu dokumentieren.

Wo verbringen die Finnwale von Elephant Island den Winter?

Bei der Analyse seiner Unterwasseraufnahmen stiess das Forschungsteam noch auf ein weiteres interessantes Detail. Der 20-Hertz-Ruf enthält mitunter einen Begleitklang mit einer Frequenz von 86 Hertz. Dieser wiederum gleicht Finnwal-Lauten, die chilenische Meeresbiologen vor der zentralen Küste Chiles aufgezeichnet hatten - und zwar vor allem in jener Jahreszeit, in der die Rekorder an Elephant Island nur selten Töne der Bartenwale aufzeichneten. Werden die Laute in beiden Regionen eventuell von ein und derselben Walpopulation erzeugt, die zwischen den südlichen Shetland-Inseln, zu denen Elephant Island gehört, und der Pazifikküste Chiles hin- und herwandert?

"Es wird vermutet, dass Finnwale populationsspezifische Begleittöne erzeugen, anhand derer man unterschiedliche Populationen voneinander unterscheiden kann. Sollte diese Annahme stimmen, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass jene Finnwale, die sich im Südsommer an Elephant Island aufhalten, ihre Kälber später im Jahr in den wärmeren Gewässern vor der chilenischen Pazifikküste auf die Welt bringen und diese Wale regelmässig zwischen beiden Gebieten pendeln", sagt Elke Burkhardt.

Um Gewissheit zu erlangen, seien jedoch weitere Untersuchungen notwendig, für die das Forschungsteam aus Bremerhaven weitere Unterwasserrekorder im Umfeld der Insel verankert hat. Diese sollen im Jahr 2022 geborgen werden. Derzeit werten die Meeresbiolog:innen ihre Unterwasseraufnahmen aus der Zeit nach 2016 aus. Erste Ton-Schnipsel sind vielversprechend: Der Finnwal-Treffpunkt an Elephant Island war auch in den Sommern nach 2016 sehr gut besucht.

Originalpublikation

Elke Burkhardt, Ilse Van Opzeeland, Boris Cisewski, Ramona Mattmüller, Marlene Meister, Elena Schall, Stefanie Spiesecke, Karolin Thomisch, Sarah Zwicker und Olaf Boebel (2021): Seasonal and diel cycles of fin whale acoustic occurrence near Elephant Island, Antarctica. R. Soc. Open Sci. 8: 201142. DOI:10.1098/rsos.201142

Quelle: Text Alfred-Wegener-Institut AWI, 27. Mai 2021
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