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ESA-Kometensonde «Rosetta»
Zwei Jahre nach Rosetta

Am 30. September 2016 ging mit dem kontrollierten Absturz der Sonde auf der Oberfläche des Kometen Chury die aktive Phase der Rosetta-Mission der ESA zu Ende. Dank dem Berner Schlüsselexperiment ROSINA konnten Erkenntnisse zur Entstehung unseres Sonnensystems gewonnen werden. Über 2 Millionen Datensätze harren jedoch noch der Auswertung.

Die Rosetta-Mission der Europäischen Weltraumbehörde ESA hat den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko, kurz Chury genannt, während mehr als zwei Jahren im Detail untersucht und dabei sogar das Landemodul Philae auf dessen Oberfläche abgesetzt. Unter der Federführung der Universität Bern war zudem das Massenspektrometer ROSINA (Rosetta Orbiter Spektrometer für Ionen- und Neutralgasanalyse) entwickelt, gebaut, getestet und mittels Telekommandos beim Kometen betrieben worden. ROSINA konnte viele Bestandteile der Atmosphäre von Chury nachweisen, einen Grossteil davon sogar zum ersten Mal bei einem Kometen. «Der Duft des Kometen wäre wohl ziemlich streng», beschreibt Kathrin Altwegg, Projektleiterin des Massenspektrometers ROSINA, die Zusammensetzung von Churys Atmosphäre humorvoll.

Wasser, molekularer Sauerstoff und organische Verbindungen

Die Rosetta-Mission sollte Erkenntnisse liefern zur Entstehung unseres Sonnensystems. Eine grosse Frage ist beispielsweise die Herkunft des Wassers auf der Erde, denn diese war zu Urzeiten extrem heiss und wohl mit einem Ozean von Lava bedeckt. Haben möglicherweise Kometeneinschläge das Wasser später auf die Erde gebracht? «Wohl nicht Kometen vom Typ Chury», meint Kathrin Altwegg. Mittels Isotopenanalyse, einer Art DNS der chemischen Elemente, konnten Altwegg und ihr Team zeigen, dass sich das Wasser auf dem Kometen Chury vom Wasser auf der Erde unterscheidet. Auch gibt es Anzeichen dafür, dass das Kometeneis älter ist als unser Sonnensystem, das heisst dass das Wasser sich bereits vorher in der kalten Molekülwolke gebildet hat, aus der sich dann unser Sonnensystem formte.

Eine Überraschung war der Nachweis von molekularem Sauerstoff bei Chury, denn auf der Erde wird dieser oft mit Leben in Verbindung gebracht. «Aber auf dem Kometen gibt es kein Leben», so Kathrin Altwegg. Auch ist der molekulare Sauerstoff sehr reaktiv und überstand trotzdem Milliarden von Jahre im Eis des Kometen. «Ganze Forschungsteams beschäftigen sich heute damit, wie dieser molekulare Sauerstoff entstanden und wie er im Kometen-Eis gebunden ist», erklärt PD Dr. Martin Rubin, wissenschaftlicher Mitverantwortlicher im ROSINA Team.

Aus den relativen Häufigkeiten von hochvolatilen Gasen konnten die Forschenden auch eine Entstehungstemperatur des Kometen bestimmen. «Chury entstand bei etwa minus 250 Grad Celsius, also bei klirrender Kälte» meint Martin Rubin, Hauptautor der damaligen Studie.

Die Forschenden konnten mittels Isotopenanalyse zudem aufzeigen, dass, wenn auch nicht das Wasser, zumindest ein beträchtlicher Teil der Erdatmosphäre von Kometen stammen könnte. Interessant sind die vielen einfachen organischen Verbindungen bis hin zur Aminosäure Glyzin, welche von ROSINA nachgewiesen werden konnten. «Die Menge an organischen Verbindungen auf Chury ist beträchtlich, was die Möglichkeit eröffnet, dass Kometeneinschläge die Entstehung des Lebens auf der Erde begünstigt haben könnten» meint Kathrin Altwegg.

Über 2 Millionen Datensätze harren der Auswertung

Das Ende der Rosetta-Mission und somit das Ende der Messungen von ROSINA bedeutete noch lange nicht das Ende der Forschungsarbeiten. «Wir haben über 2 Millionen Datensätze», betont Kathrin Altwegg, «und viele davon sind noch nicht ausgewertet». Diese Arbeit dürfte die Forschenden noch über Jahre beschäftigen. «Die Analyse dieser Daten ist unser grosses Ziel, dafür sind wir überhaupt zu Chury geflogen» so Martin Rubin.

Die ESA wird durch ihre Mitgliedsstaaten finanziert, also auch der Schweiz. Entsprechend gehören diese Daten auch der Allgemeinheit. «Die Rohdaten, also so wie sie von ROSINA gemessen und zur Erde geschickt wurden, sind bereits öffentlich zugänglich» sagt Martin Rubin. Im Moment arbeitet das Team daran, diese Daten weiter aufzubereiten, so dass sie einfacher zu analysieren sind und zum Teil auch von Forschenden ohne Hintergrund in Massenspektrometrie benutzt werden können. Die Daten werden in ein paar Monaten auf dem ESA-Server zur Verfügung stehen und werden ohne Registrierung heruntergeladen werden können.

In diesem Zusammenhang ist es Kathrin Altwegg auch ein Anliegen sich bei den Geldgebern, dem Schweizerischen Bundesamt für Forschung und Innovation SBFI, dem Schweizer Nationalfonds SNF und auch dem Kanton Bern für die jahrelange Unterstützung zu bedanken: «Ohne diese tatkräftige Unterstützung wären Rosetta/ROSINA nie zu diesem Erfolg geworden».

Kometen: Boten aus der Urzeit unseres Sonnensystems

Kometen sind Objekte aus den Tiefen unseres Sonnensystems: sie sind die Überbleibsel aus der Entstehung von Sonne, Planeten und Monde. Die meiste Zeit haben sie weit weg im sogenannten Kuipergürtel ausserhalb der Bahn vom Zwergplaneten Pluto oder in der Oort'schen Wolke, welche bis zum Rande unseres Sonnensystems reicht, verbracht. Entsprechend ist ihre Zusammensetzung noch sehr ursprünglich. Erst wenn diese Objekte in ihrer fernen Bahn gestört und zur Sonne hin abgelenkt werden, nennt man sie Kometen. In der Nähe der Sonne wird das im Kometen enthaltene Eis verdampft, was dann zusammen mit dem Staub den bekannten Schweif bildet. Und eben diese Gase haben die Berner Forschenden mit ihrem Massenspektrometer ROSINA untersucht.

Angaben zu den Publikationen:

Altwegg, K., Balsiger, H., Berthelier, J. J., Bieler, A., Calmonte, U., De Keyser, J., Fiethe, B., Fuselier, S. A., Gasc, S., Gombosi, T. I., Owen, T., Le Roy, L., Rubin, M., Sémon, T., Tzou, C. Y., 2017. D2O and HDS in the coma of 67P/Churyumov–Gerasimenko. Philosophical Transactions of the Royal Society A: Mathematical, Physical and Engineering Sciences. 375.

Altwegg, K., Balsiger, H., Bar-Nun, A., Berthelier, J. J., Bieler, A., Bochsler, P., Briois, C., Calmonte, U., Combi, M. R., Cottin, H., De Keyser, J., Dhooghe, F., Fiethe, B., Fuselier, S. A., Gasc, S., Gombosi, T. I., Hansen, K. C., Haessig, M., Jäckel, A., Kopp, E., Korth, A., Le Roy, L., Mall, U., Marty, B., Mousis, O., Owen, T., Reme, H., Rubin, M., Semon, T., Tzou, C. Y., Hunter Waite, J., Wurz, P., 2016. Prebiotic chemicals-amino acid and phosphorus-in the coma of comet 67P/Churyumov-Gerasimenko. Sci Adv. 2, e1600285.

Bieler, A., Altwegg, K., Balsiger, H., Bar-Nun, A., Berthelier, J. J., Bochsler, P., Briois, C., Calmonte, U., Combi, M., De Keyser, J., van Dishoeck, E. F., Fiethe, B., Fuselier, S. A., Gasc, S., Gombosi, T. I., Hansen, K. C., Hässig, M., Jäckel, A., Kopp, E., Korth, A., Le Roy, L., Mall, U., Maggiolo, R., Marty, B., Mousis, O., Owen, T., Reme, H., Rubin, M., Semon, T., Tzou, C. Y., Waite, J. H., Walsh, C., Wurz, P., 2015. Abundant molecular oxygen in the coma of comet 67P/Churyumov-Gerasimenko. Nature. 526, 678-81.

Fayolle, E. C., Öberg, K. I., Jørgensen, J. K., Altwegg, K., Calcutt, H., Müller, H. S. P., Rubin, M., van der Wiel, M. H. D., Bjerkeli, P., Bourke, T. L., Coutens, A., van Dishoeck, E. F., Drozdovskaya, M. N., Garrod, R. T., Ligterink, N. F. W., Persson, M. V., Wampfler, S. F., 2017. Protostellar and cometary detections of organohalogens. Nature Astronomy. 1, 703-708.

Drozdovskaya, M. N., van Dishoeck, E. F., Jørgensen, J. K., Calmonte, U., van der Wiel, M. H. D., Coutens, A., Calcutt, H., Müller, H. S. P., Bjerkeli, P., Persson, M. V., Wampfler, S. F., Altwegg, K., 2018. The ALMA-PILS survey: the sulphur connection between protostars and comets: IRAS 16293–2422 B and 67P/Churyumov–Gerasimenko. Monthly Notices of the Royal Astronomical Society. 476, 4949-4964.

Marty, B., Altwegg, K., Balsiger, H., Bar-Nun, A., Bekaert, D. V., Berthelier, J. J., Bieler, A., Briois, C., Calmonte, U., Combi, M., De Keyser, J., Fiethe, B., Fuselier, S. A., Gasc, S., Gombosi, T. I., Hansen, K. C., Hässig, M., Jäckel, A., Kopp, E., Korth, A., Le Roy, L., Mall, U., Mousis, O., Owen, T., Rème, H., Rubin, M., Sémon, T., Tzou, C. Y., Waite, J. H., Wurz, P., 2017. Xenon isotopes in 67P/Churyumov-Gerasimenko show that comets contributed to Earth's atmosphere. Science. 356, 1069.

Rubin, M., Altwegg, K., Balsiger, H., Bar-Nun, A., Berthelier, J. J., Bieler, A., Bochsler, P., Briois, C., Calmonte, U., Combi, M., De Keyser, J., Dhooghe, F., Eberhardt, P., Fiethe, B., Fuselier, S. A., Gasc, S., Gombosi, T. I., Hansen, K. C., Hassig, M., Jäckel, A., Kopp, E., Korth, A., Le Roy, L., Mall, U., Marty, B., Mousis, O., Owen, T., Reme, H., Semon, T., Tzou, C. Y., Waite, J. H., Wurz, P., 2015. Molecular nitrogen in comet 67P/Churyumov-Gerasimenko indicates a low formation temperature. Science. 348, 232-5.

Rubin, M., Altwegg, K., Balsiger, H., Bar-Nun, A., Berthelier, J. J., Briois, C., Calmonte, U., Combi, M., De Keyser, J., Fiethe, B., Fuselier, S. A., Gasc, S., Gombosi, T. I., Hansen, K. C., Kopp, E., Korth, A., Laufer, D., Le Roy, L., Mall, U., Marty, B., Mousis, O., Owen, T., Reme, H., Semon, T., Tzou, C. Y., Waite, J. H., Wurz, P., 2018. Krypton isotopes and noble gas abundances in the coma of comet 67P/Churyumov-Gerasimenko. Sci Adv. 4, eaar6297.

Quelle: Text Universität Bern, 30. September 2018

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