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Armut in der Schweiz
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Armut Schweiz - Working Poor
Caritas Armut in der reichen Schweiz - die Fakten
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Armut Schweiz: Working Poor - Armut trotz Erwerbstätigkeit
Armut in der reichen Schweiz - die Fakten
von Dr. Carlo Knöpfel, Leiter Bereich Inland und Netz der Caritas Schweiz

Wer die Fakten zur Armut in der Schweiz kennt, muss Antworten auf drei zentrale Fragen geben können:

1) Wie viele Arme gibt es in der Schweiz?
2) Wer ist in der Schweiz arm?
3) Warum gibt es Armut in der reichen Schweiz?

Wie viele Arme gibt es in der Schweiz?

Arm sind Menschen in der reichen Schweiz, wenn sie in dieser Arbeitsgesellscchaft kein existenzsicherndes Einkommen für sich und ihre Familienangehörigen erzielen und später darum auch keine Rente beziehen können, die zum Leben reicht.

Wie viele Menschen sich in der Schweiz in einer solchen prekären Lebenslage befinden, ist der breiten Öfentlichkeit wenig bekannt. Schätzungen besagen, dass jede zehnte Person in der Schweiz in einem Haushalt lebt, der von einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze leben muss. Caritas Schweiz geht davon aus, dass 700'000 bis 900'000 Menschen so arm sind, dass Sie Hilfe vom Sozialstaat beanspruchen können. Längst nicht alle machen aber von diesem Recht Gebrauch.

Die Armutsquote der Personen im erwerbsfähigen Alter kann seit 1991 beobachtet werden. Sie schwankt in den vergangenen 15 Jahren stets zwischen sieben und neun Prozent. Eine markante tendenzielle Abnahme kann trotz vieler armutspolitischer Bemühungen nicht festgestellt werden. Bei der Sozialhilfequote lässt sich für den gleichen Zeitraum sogar eine leichte Zunahme feststellen. Die Entwicklung dieser beiden Sozialindikatoren muss zu denken geben. Ist die Sozialpolitik der Schweiz bei der Bekämpfung der Armut wirkungslos? Oder erzeugt der wirtschaftliche Strukturwandel immer mehr Arme und die Politik ist bereits erfolgreich, wenn die Armut nicht weiter zunimmt?

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Wer ist arm in der Schweiz?

Nicht alle Menschen tragen das gleiche Risiko, arm zu werden. Es sind vor allem vier Faktoren, die das Armutsrisiko von Haushalten bestimmen:

das Bildungsniveau,
die Zahl der Kinder,
der Wohnort und
vor allem die soziale Herkkunft.

Personen mit geringer Ausbildung erzielen in der Erwerbsarbeit oft so geringe Lohneinkommen, das sie davon nicht leben können,also zu den "Working Poor" gehören. Sie sind sehr viel häufiger langzeitarbeitslos und haben grössere Schwierigkeiten, wieder in den Arbeitsmarkt zurück zu kommen. Langzeitarbeitslosigkeit ist eines der grössten Armutsrisiken in der Schweiz.

Familien mit drei und mehr Kindern sind ebenfalls sehr oft arm. Selbst wenn beide Eltern berufstätig sind, reicht das Haushaltseinkommen zur Existenzsicherung nicht aus. Mehrere Kinder zu haben, dies ist und bleibt in der Schweiz ein Armutsrisiko.

Schliesslich bestimmt auch der Wohnort mit - genauer: die am Wohnort anzutreffenden steuerlichen und sozialstaatlichen Rahmenbedingungen - , ob ein Haushalt arm ist oder nicht. Die steuerlichen Belastungen, die Miete und die Krankenversicherung können - bei gleichem Bruttolohn - an einem Wohnort so gross sein, dass ein Haushalt trotz allen Sozialtransfers unter die kantonale Armutsgrenze fällt, während er in einem anderen Kanton noch nicht zu den Armen gerechnet werden muss.

Das grösste Armutsrisiko ist aber wohl die soziale Herkunft. Kinder aus armutssbetroffenen und bildungsfernen Haushalten tragen im Vergleich zu den Kindern aus gut situierten Haushalten ein wesentlich grösseres Risiko, selber wieder als Erwachsene zu den Armen zu zahlen. Die Gesellschaft Schweiz ist eine Gesellschaft von Schichten, die wenig durchlässig sind.

Faktoren wie Nationalität, Fammilienform, Gesundheit, Alter und Geschlecht verstärken das Armutsrisiko weiter. Junge Menschen mit Migrationshintergrund weisen oft ein tiefes Bildungsniveau auf und sind darum besonders häufig auf Unterstützungsleistungen der Sozialhilfe angewiesen.

Alleinerziehende Mütter kämpfen nach ihrer Trennung und Scheidung ebenfallls mit knappen finanziellen Mitteln und müssen oft wegen der zu tiefen Alimenten oder der ungenügenden Alimentenbevorschussung Sozialhilfe beanspruchen.

Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen riskieren, ihre Stelle zu verlieren. Weil die Invalidenversicherung sehr streng geworden ist, müssen auch sie in vielen Fällen von der Sozialhilfe unterstützt werden. Zahlreiche Betagte haben während ihres Erwerbslebens nur wenig verdient und müssen sich mit der AHV unden Ergänzungsleistungen über die Runden bringen.

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Warum gibt es Armut in der reichen Schweiz?

Der wirtschaftliche Strukturwandel ist wohl die wichtigste Ursache für die heutige Armut in der Schweiz. Dieser Strukturwandel ist geprägt von einem fortschreitenden Globalisierungsprozess und einem damit eingehenden Standortwettbewerb. In ihrem Streben nach hoher internationaler Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren sich Unternehmen wie der Staat auf kapital-und wissensintensive wirtschaftliche Tätigkeiten.

Unternehmensaktivitäten mit tiefem Anforderungsprofil werden durch Maschinen ersetzt oder in Länder mit tieferen Löhnen verlagert. So mangelt es vor allem im industriellen Sektor an Jobs für wenig qualifizierte Erwerbstätige. Im Dienstleistungssektor wiederum müssen die Kunden sehr viele selber übernehmen, was früher durch Angestelllte erledigt wurde. Auch so gehen Arbeitsplätze für Menschen mit geringen beruflichen Möglichkeiten verloren. Wo trotzdem Arbeitsplätze für Menschen mit niedrigen beruflichen Qualifikationen angeboten werden, reichen die Löhne zur Existenzsicherung oftmals nicht aus.

Der soziale Wandel führt zu einer Vielfalt familiärer Lebensformen. Diesentwicklung ist eine zweitentscheidende Ursache für die Armut in der Schweiz. Den trotz dieser Veränderungen dominiert noch immer die Vorstellung, dass die Familie primär Privatsache ist. Eine solche Haltung kommt in der wenig entwickelten Famillienpolitik zum Ausdruck. Der Familienlastenausgleich deckt die Kosten von Kindernur ungenügend ab. Im Gegenteil: die Ausgaben der Familien für Gesundheit und Bildung steigen stärker an als die Erwerbseinkommen und die Sozialtransfers, und sie reduzieren die frei verfügbaren Einkommen immer stärker. Manche Familien werden dadurch in prekäre Lebenslagen gedrängt.

Quelle: Text Caritas Schweiz 2009

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Weitere Informationen
Schweiz Sozialhilfe- u. Armutstatistik im Vergleich 2009
Junge Erwachsene in Schwierigkeiten
Familien: Kinder- und Haushaltsbetreuung Schweiz 2007
Links
Externe Links
SKOS Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe Städteinitiative
Solidarnetz Armut
Sozialinfo Schweiz Pro Juventute

Bundesamt für Statistik Bundesamt für Sozialversicherungen
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