Wenn Grossraubtiere in ihren natürlichen Lebensraum zurückkehren, führte das oft zu Konflikten, die nicht selten im Gerichtssaal endeten und zu unüberbrückbaren Differenzen führten. Auch in der Schweiz sind viele Jahre mit Auseinandersetzungen der Naturschutz- und Nutzerverbände verstrichen. Ende 2010 wurde auf Initiative von JagdSchweiz, Pro Natura, Schweizerischem Schafzuchtverband und WWF Schweiz ein Prozess in Gang gebracht mit dem Ziel, künftig gemeinsam von allen Seiten konstruktive Lösungen anzustreben. Die Gespräche zwischen den vier Verbänden wurden vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) moderiert und vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und der KORA (Koordinierte Forschungsprojekte zur Erhaltung und zum Management der Grossraubtiere in der Schweiz) begleitet.
In langwierigen, aber konstruktiv geführten Verhandlungsrunden wurde ein gemeinsames Grundsatzpapier erarbeitet, das nun von allen Organisationen verabschiedet worden ist. Es beinhaltet vier Grundsätze, vier Ziele und sechs Handlungsfelder (S. Beilage). Alle Verbände betrachten die Rückkehr und die Bestandesbildung der Grossraubtiere auf Schweizer Territorium als natürlichen Prozess. Ebenso werden Regulationsabschüsse nicht mehr ausgeschlossen, wenn dadurch deren Bestand in der Schweiz nicht gefährdet wird. Bei Schäden an Nutztieren können die Schaden stiftenden Einzeltiere weiterhin gemäss den gültigen Konzepten abgeschossen werden. Zentraler Pfeiler für die weitere Strategie ist die Weiterentwicklung des Schutzes von Nutztierherden mit geeigneten und zumutbaren Massnahmen. Die beteiligten Interessengruppen vereinbaren eine konstruktive Zusammenarbeit. Bei Konflikten um die Grossraubtiere, die Nutztierhaltung und die jagdliche Nutzung von Wildtieren sind sie bereit, nach Kompromissen und gemeinsam getragenen Lösungen zu suchen. Das schafft unterschiedliche Sichtweisen und Interessen nicht aus der Welt. Aber es verlagert die Lösung von Konflikten vom medialen oder gerichtlichen Schlagabtausch an den Sitzungstisch oder die gemeinsame Feldbegehung. In den Augen der beteiligten Verbände wird hiermit ein wichtiger Paradigmenwechsel erreicht.
«Das gemeinsame Papier wird uns in Zukunft helfen, Konflikte konstruktiv anzugehen. Züchter und Halter sind bereit, unter Berücksichtigung der regionalen Verhältnisse zumutbare Massnahmen zum Schutz der Herden zu ergreifen, um ein Nebeneinander von Grossraubtieren und einer nachhaltigen Nutztierhaltung zu ermöglichen», sagt German Schmutz, Präsident Schweizerischer Schafzuchtverband. «Die vereinbarten Grundsätze fordern von allen viel Kompromissbereitschaft: Doch an einem Tisch oder im Feld miteinander reden und nach Lösungen suchen bringt dem Wolf mehr als Gerichtsverhandlungen», sagt Mirjam Ballmer, Projektleiterin Naturschutzpolitik bei Pro Natura. «Luchs und Wolf sind in unserer einheimischen Tierwelt heute wieder präsent wie Reh, Hirsch und Gämse. Eine nachhaltige Jagd ist auch mit der Anwesenheit von Grossraubtieren möglich», sagt Peter Zenklusen, Vizepräsident von JagdSchweiz. «Herdenschutz ist das A und O um Konflikte mit Grossraubtieren zu vermindern, funktioniert aber nicht in allen Situationen. Wir sind bereit, regional und lokal abgestimmte Lösungen mitzutragen, auch wenn die Verbreitung von Wölfen damit weiterhin langsamer voranschreitet, als wir uns dies wünschen», sagt Kurt Eichenberger vom WWF.
Gemeinsame Grundsätze, Ziele und Handlungsfelder von: Schweizerischer Schafzuchtverband Mit der Verbesserung der ökologischen Bedingungen für die Grossraubtiere in den Alpen und im Jura breiten sich Wolf, Luchs und Bär in ihrem ursprünglichen Lebensraum wieder aus. In der Schweiz ist die Rückkehr der Grossraubtiere auf unterschiedliche Weise erfolgt: vereinzelte Wölfe und Bären wandern seit den letzten Jahrzehnten aus den Nachbarländern ein, während der Luchs aufgrund eines Bundesratsbeschlusses im Jahre 1971 wieder angesiedelt wurde. Die Rückkehr der Grossraubtiere in die Kulturlandschaft Schweiz bringt spezifische Herausforderungen mit sich, da sie Konflikte mit menschlichen Landnutzungsaktivitäten wie der Nutztierhaltung oder der Jagd verursachen können. Unterschiedliche Lösungsansätze im Umgang mit diesen Konflikten haben in den vergangenen Jahren zwischen den Betroffenen in den ländlichen Regionen sowie den nutzungs- und naturschutzorientierten Organisationen zu emotionalen Diskussionen geführt. Die Verantwortlichen für das Grossraubtiermanagement der Organisationen JagdSchweiz (Peter Zenklusen), Pro Natura (Mirjam Ballmer), Schweizer Schafzuchtverband (German Schmutz) und WWF (Danielle Gugolz / Kurt Eichenberger) treffen sich auf Anregung der Schutzverbände seit 2010 regelmässig zu Gesprächen, um den gemeinsamen Nenner für den zukünftigen Umgang mit Wolf, Luchs, Bär und den daraus entstehenden Interessenkonflikten mit den Menschen zu finden. Diese Gespräche werden vom BAFU (Reinhard Schnidrig) moderiert. An die Treffen eingeladen sind zudem das BLW (Samuel Vogel) sowie der Verein KORA (Urs Breitenmoser). An sechs Sitzungen wurden die folgenden Grundsätze, Ziele und Handlungsfelder gemeinsam ausgearbeitet. Grundsätze
Ziele
Handlungsfelder
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