Geomorphologie: Massenbewegungen
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Verkehrswege am Grimselpass - Massenbewegungen
Referat Auswirkungen des Klimawandels - Korridorstudie Grimselpassstrasse 2013
Korridorstudie Auswirkungen des Klimawandels - Grimselpassstrasse
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Auswirkungen des Klimawandels
Korridorstudie Grimselpassstrasse im Haslital BE
Referat von Frau Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer am 27. Mai 2013 in Innertkirchen

1. Ausgangslage

Seit 2009 beschäftigt der Spreitgraben bei Guttannen das kantonale Tiefbauamt und die Gemeinde Guttannen. Im Einzugsgebiet des Spreitgrabens haben sich damals nach einem Felssturz im mutmasslichen Permafrostgebiet auf rund 3'000 Meter über Meer grosse Murgänge entwickelt, welche in den letzten Jahren enorme Geschiebemassen in die Aare verfrachtet haben. Dadurch wurde die Sohlenlage der Aare stellenweise um mehr als 20 Meter angehoben. Die grossen Blöcke des Murgangs drohten das Dach der Strassengalerie zu durchschlagen. Diese Prozesse gefährden nun auf einzelnen Abschnitten den Bestand der Kantonsstrasse und damit den Lebensnerv des Grimselgebiets.

Auch bewohnte Gebäude sind bedroht. Dass im Winter 2010/11 ein Gebäude abgebrochen werden musste, welches bereits seit dem 18. Jahrhundert dort gestanden hat, zeigt eindrücklich, dass es sich hier nicht um alltägliche Prozesse handelt.

Wegen der Klimaänderung muss davon ausgegangen werden, dass irgendwann in den nächsten Jahrzehnten andernorts ähnliche Prozesse ablaufen könnten. (siehe: Verwitterung und Erosion) Deshalb hat meine Direktion, die Bau-, Verkehrsund Energiedirektion, beschlossen, entlang der Grimselstrasse eine Korridorstudie erstellen lassen, um mögliche weitere, künftige Problemstellen identifizieren zu können. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Studie stellen wir nun vor. Gleichzeitig zeigen wir auf, was der Kanton zur Sicherstellung der Verkehrsachse im Raum Guttannen in den nächsten Jahren plant. Für die Korridorstudie und die Kantonsstrasse ist meine Direktion zuständig.

Die Gemeinde Guttannen hingegen ist verantwortlich für den Umgang mit den von den Geschiebemassen bedrohten Gebäuden. Sie klärt momentan ab, ob die betroffenen Häuser mit Schutzdämmen geschützt werden können oder ob das Aufgeben der gefährdeten Gebäude sinnvoller ist. Sie wird zu gegebener Zeit darüber informieren.

Etwas ist mir wichtig: Auch wenn die Verantwortlichkeiten nicht in einer Hand sind, so sind Gemeinde und Kanton sowie Dritte wie beispielsweise die Kraftwerke Oberhasli KWO von einander abhängig und arbeiten selbstverständlich zusammen und unterstützen sich.

2. Klimawandel und Adaptionsstrategie

Der Auslöser der ganzen Problematik am Spreitgraben ist die Klimaerwärmung. Ihre Auswirkungen sind nicht mehr ein Hirngespinst von überreagierenden Wissenschaftlern, sondern Realität geworden. Und obwohl uns der Winter 2012/13 als schneereich und kalt in Erinnerung bleibt, schreitet die Erwärmung der Erde weiter voran. Weltweit gesehen war das Jahr 2012 nämlich das 36. Jahr in Folge, in dem die mittlere Jahrestemperatur über der globalen Mitteltemperatur des 20. Jahrhunderts lag. Gletscher sind ein guter Indikator für die Klimaänderung. (siehe: Steingletscher - Zeuge des Klimawandels und Weltklima 2012 - Das Jahr 2012 war das bisher neuntwärmste Jahr)

Auf vorübergehende Temperaturschwankungen reagieren sie kaum, sondern widerspiegeln mit ihrem Verhalten sehr repräsentativ die Klimaänderung über längere Zeiträume. In den vergangenen Jahrzehnten nahm die Masse der Gletscher in den Berner Alpen mehrheitlich ab. Besonders anschaulich kann dies beispielsweise beim Steingletscher am Sustenpass beobachtet werden. Dieser hat seit 1983 in nur gerade 20 Jahren rund 600 Meter an Länge eingebüsst. Bei den Gletschern im Grimselgebiet und im gesamten Berner Oberland ist die Situation vergleichbar.

Die Folgen des Gletscherrückzugs haben Einfluss auf die Sicherheit in unseren Tälern, wie dies anschaulich beim neu entstandenen Gletschersee auf dem Unteren Grindelwaldgletscher beobachtet werden konnte Weitere Gletscherseen sind inzwischen entstanden, so auf der Plaine Morte über der Lenk.

Nicht nur Gletscher, auch der Permafrost reagiert auf die erhöhten Temperaturen und kann dabei gefährliche Prozesse, wie sie am Spreitgraben in den letzten Jahren aufgetreten sind, auslösen.

Die Herausforderungen im Umgang mit solchen neuen Problemen sind gross. Weder wir noch unsere Vorgänger haben derartig gewaltige Prozesse im letzten Jahrhundert erlebt. Deshalb können wir uns nicht auf Erfahrungen abstützen. Umso wichtiger ist ein sehr strukturiertes Vorgehen. Es gilt - soweit dies überhaupt möglich ist - die Prozesse zu verstehen und Prognosen kritisch zu hinterfragen und darauf abgestützte Strategien zu entwickeln. Das braucht einerseits Zeit. Anderseits müssen wir davon ausgehen, dass sich die Rahmenbedingungen wegen der fortschreitenden Klimaerwärmung laufend verändern werden. Deshalb müssen unsere Strategien Handlungsspielraum bieten und anpassbar sein.

Auch müssen wir akzeptieren, dass wir wohl nie mit Sicherheit werden sagen können, wann, wo, was in welchem Ausmass passieren wird. Deshalb kann die Strategie keine andere sein als mögliche neue Gefahrengebiete - zum Beispiel eben die, welche wir nun dank der Korridorstudie kennen - zu überwachen und rechtzeitig Massnahmen vorzubereiten und diese aber erst dann auszuführen, wenn es die Entwicklung und die Ereignisse erfordern und wir vor allem eine hohe Sicherheit haben, dass wir das Richtige tun.

Denn zu gross ist das Risiko von sehr hohen Investitionen für Brücken oder Tunnel, welche die Probleme dann doch nicht lösen oder auch von voreiligen Investitionen, welche sich allenfalls gar nicht lohnen, weil noch lange nichts Gravierendes passieren wird. Herr Wyss wird das zusammen mit der Korridorstudie und der Strategie der Kantonsstrasse gleich im Detail am Beispiel Spreitgraben noch erläutern.

Der Kanton Bern ist sich den Herausforderungen der Klimaänderung bewusst und hat Respekt vor den Aufgaben, die in diesem Zusammenhang gelöst werden müssen. Die Folgen des Klimawandels betreffen nicht nur Strasse und Siedlung, sondern auch weitere Bereiche, von Verund Entsorgungsanlagen bis hin zum Tourismus. Sie dürften in Zukunft auf allen politischen Ebenen zu einem wichtigen Aktionsfeld werden. Die Wirkungen und Folgen des Klimawandels auf verschiedene Bereiche wurden 2010 in einem Grundlagenbericht in einem ersten Schritt bewertet und die wichtigsten Handlungsfelder identifiziert. Es kann festgehalten werden, dass der präventive Handlungsbedarf in allen Bereichen ausser bei den Naturgefahren eher klein ist.

Die Folgen bei den Naturgefahren hingegen dürften sich in den kommenden Jahrzehnten auch auf den öffentlichen Haushalt auswirken. Deshalb ist es ausserordentlich wichtig, dass wir uns bereits jetzt intensiv mit den möglichen Auswirkungen des Klimawandels auseinandersetzen und Strategien zum Umgang damit entwickeln. Dabei hat die Früherkennung von neuen Gefahren eine grosse Bedeutung. Die Korridorstudie ist ein erstes, wichtiges Instrument dazu.

Die Studie zeigt auf, dass sich in Zukunft im Grimselgebiet weitere Gefahrenstellen wie der Spreitgraben als Folge von Gletscherrückzug und tauendem Permafrost akzentuieren könnten.

Wann und wie sich solche Gefahren einstellen werden, kann heute selbst mit grösstem wissenschaftlichem Aufwand nicht prognostiziert werden. Deshalb will ich in aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass heute der Bestand der Grimselpassstrasse nicht in Frage gestellt werden muss.

3. Was ist zu tun?

Ungeachtet vom Klimawandel liegen bereits heute 15 Prozent der Bauzonen im Kanton Bern in potentiellen Überschwemmungsgebieten. Der Wert einzig der Wohngebäude in diesen Flächen beträgt rund 30 Milliarden Franken. Deshalb ist es unerlässlich, dass in Gefahrengebieten keine neuen Bauten erstellt werden und keine neuen Bauzonen erlassen werden und zugestanden wird. Damit kann die ungebremste Zunahme des Schadenpotentials beziehungsweise unserer Verletzlichkeit verhindert, den Gewässern der notwendige Raum belassen und der Handlungsspielraum für allfällige künftige Massnahmen offen gehalten werden.

Wo gute Nutzen-Kosten-Verhältnisse erzielt werden, sollen weitere wasserbauliche Schutzmassnahmen das Risiko für Menschen und bestehende, erhebliche Sachwerte reduzieren. Solche Schutzmassnahmen müssen so ausgerichtet sein, dass sie bei künftigen Veränderungen der Prozesse weiterhin ihre Wirkung entfalten oder dass sie mit geringem Aufwand an neue Anforderungen angepasst werden können.

Im Hochwasserschutz wurden in den vergangenen Jahren sehr grosse Fortschritte gemacht. Viele Schutzdefizite konnten behoben werden. Die baulich umgesetzten Schutzmassnahmen haben sich bereits bewährt. So waren die Schäden beim grossen Hochwasser vom Oktober 2011 beispielsweise im Dorf Kandersteg oder im Gebiet Wilderswil dank der seit 2005 umgesetzten Massnahmen minimal. Davon profitieren letztlich die Gesellschaft, die Wirtschaft und auch die Umwelt.

Viel wichtiger als mit wasserbaulichen Schutzund raumplanerischen Anpassungsmassnahmen zu reagieren, ist es dem Klimawandel entgegenzuwirken. Wir müssen mit aller Kraft Massnahmen zur Verminderung der Klimaerwärmung vorantreiben. Der Klimaschutz ist zwar ein globales Problem, welches unser Kanton nicht alleine lösen kann. Auch wir müssen aber unseren Beitrag leisten. Am besten können wir das mit einer griffigen Energiepolitik tun. Denn der beste Klimaschutz ist eine vorausschauende und zukunftsweisende Energiepolitik. Und hier steht unser Kanton gut da, beispielsweise mit seinem modernen Energiegesetz, mit seinem Förderprogramm für Energieeffizienz und erneuerbare Energien sowie mit den Ausbauprojekten bei der Wasserkraft.

Die schweizweite Zusammenarbeit beim Klimaschutz ist zu fördern. Es braucht einen interkantonalen Schulterschluss und die Unterstützung des Bundes. Und es braucht Solidarität. Nicht alle sind gleich von den Folgen des Klimawandels betroffen.

4. Ausblick

Wir gehen derzeit nicht davon aus, dass aufgrund des Klimawandels ganze Täler im Berner Oberland nicht mehr bewohnbar sein werden. Veränderungen wird es geben, aber diese dürften sich in verhältnismässig kleinen Räumen abspielen. So ist das von den Murgängen aus dem Spreitgraben direkt betroffene Gebiet begrenzt. Die Unsicherheiten und möglichen Auswirkungen sind aber für die betroffenen Menschen sehr hart. Plötzlich ist nämlich ihr Daheim, ist ihre Lebensgrundlage in Frage gestellt. Wir sind es unserer Bevölkerung schuldig, vorauszuschauen. Aus diesem Grund ist der Kanton Bern derzeit zusammen mit dem Bundesamt für Umwelt daran, über das gesamte Berner Oberland eine Studie zu erarbeiten, mit der die Gebiete identifiziert werden sollen, welche im Zuge der Klimaänderungen von grossen Massenbewegungen wie Murgängen, Rutschungen oder Felsstürze betroffen sein könnten. Diese Studie wird ein weiteres Puzzelteil der nötigen Grundlagen für eine erfolgreiche Adaption an die Folgen des Klimawandels sein.

Sie sehen, wir stehen vor grossen Herausforderungen. Wir sind bereit, uns diesen Herausforderungen zusammen mit den anderen Akteuren - dazu zählen insbesondere die Gemeinden - zu stellen.

Für mich als Baudirektorin und Regierungsrätin ist klar: Wir werden uns für unsere Bergregionen einsetzen. Das Aufgeben von ganzen Tälern und ein Rückzug aus dem Berggebiet ist für mich kein Thema. Die Bergbevölkerung hat immer schon den Naturgefahren getrotzt und wird es auch künftig tun. Auch die Bergbevölkerung kommt aber nicht umhin, sich in den betroffenen Gebieten anzupassen. Nicht jeder Weiler oder jedes Haus kann gegen gewaltige Prozesse, wie wir einen am Spreitgraben erleben, geschützt werden. Die betroffene Bevölkerung muss - wenn es keine bessere Lösung gibt - bereit sein, einzelne Siedlungsgebiete aufzugeben. Dazu braucht sie die Unterstützung von Bund, Kanton und Gemeinde, aber auch die Solidarität der ganzen Bevölkerung.

Quelle: Text Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, Mai 2013
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Folien zum Referat von Barbara Regierungsrätin Egger-Jenzer Folien zum Referat von Nils Hählen, Wasserbauingenieur Folien zum Referat von Markus Wyss, Kreisoberbauingenieur Berner Oberland
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Quelle: Kanton Bern
Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion
Quelle: Kanton Bern
Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion
Quelle: Kanton Bern
Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion

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