ALKOHOL KONSUMFORMEN SPITZEN SICH ZU UND JUGENDSCHUTZ GREIFT ZU WENIG
Hoher Anteil chronisch Trinkender bei über 65-Jährigen Beim jährlichen Prokopf-Konsum, basierend auf Verkaufszahlen, zeigt sich in den letzten 20 Jahren eine stetige Abnahme. Dieser Konsum betrug im Jahr 2018 7.7 Liter reiner Erkenntnisse zum Alkoholkonsum der 11- bis 15-Jährigen liefert die internationale Studie «Health Behaviour in School-aged Children» (HBSC), 2018. Danach tranken 11% der 15-jährigen Jungen und 4% der gleichaltrigen Mädchen mindestens einmal pro WocheAlkohol. (2014 waren es 10% bzw. 6%). Europa hat ein Alkoholproblem: Aus einem vor kurzem veröffentlichten Bericht der WHO geht hervor, dass der schädliche Alkoholkonsum nicht in dem erwarteten Masse rückläufig ist, obwohl alle Länder den Europäischen Aktionsplan zur Verringerung des schädlichen Alkoholkonsums (2012-2020) unterzeichnet haben. Im Durchschnitt trinken Erwachsene (ab 15 Jahren) in den Ländern der EU sowie Norwegen und der Schweiz umgerechnet mehr als zwei Flaschen Wein pro Woche.. Die kontinuierliche Beobachtung der Spitaleinlieferungen zeigt die Trends bei den alkoholbezogenen Diagnosen. Im Jahr 2016 wurden rund 11'500 Personen wegen einer Alkoholvergiftung stationär im Spital behandelt. Alkoholvergiftungen treten mit zunehmendem Alter häufiger auf, wobei in fast der Hälfte der Fälle auch eine Abhängigkeit diagnostiziert wird. Bei jungen Menschen (10- bis 23-Jährige) nahmen die Diagnosen der Gruppe Alkoholintoxikation langfristig (2003 bis 2016) um 23% bei Jungen/Männern und 36% bei Mädchen/Frauen zu. Im gleichen Zeitraum zeichnet sich bei allen Altersgruppen eine Trendwende ab: Die Diagnosen erreichten 2008 einen Peak und sanken bis 2016 wieder auf ein Niveau im Bereich von 2003. Dafür werden mehrere Gründe diskutiert: Nebst einem veränderten Konsumverhalten im öffentlichen Raum könnten u.a. die Einführung von Notfallbetten und zentralen Ausnüchterungszellen oder der Trend zu mehr ambulanten Behandlungen eine Rolle spielen. Jugendkultur im Wandel Ein im Jahr 2019 publizierter Bericht von Sucht Schweiz liefert Erklärungsansätze für die Entwicklung des Alkoholkonsums bei Kindern und Jugendlichen. Aktuelle Zahlen (HBSC) bestätigen, dass etwa seit der Jahrtausendwende der Alkoholkonsum von 11- bis 15-Jährigen in der Schweiz zurückging - wie auch in vielen Ländern Europas, Nordamerikas und Australasiens. Es deutet einiges darauf hin, dass sich der Konsum von Jungen und Mädchen annähert, was eher auf einen Konsumrückgang bei den Buben zurückzuführen ist. Einige Studien gehen davon aus, dass Verschiebungen in den Geschlechterrollen stattgefunden haben. International zeigt sich zudem, dass die Eltern ihrem Nachwuchs mehr Zeit widmen. «Vorglühen» - nicht nur ein Jugendphänomen Die Rolle des Geschlechts und des Alters beim sog. Vorglühen beleuchtet eine Studie eines internationalen Autorengremiums. Unter Verwendung von Daten aus dem Global Drug Survey wurden die Anteile der Predrinker für 27 Länder geschätzt. Der Anteil pro Land reichte von gut 18% (Griechenland) bis 86% (Irland). Obwohl die Prävalenz dieses Verhaltens vor allem junge Erwachsene betrifft, fällt auf, dass die entsprechenden Anteile selbst nach dem 30. Altersjahr in einigen Ländern konstant bleiben oder sogar ansteigen. Fast die Hälfte der Behandlungen wegen Alkohol Laut neusten Schätzungen, die auf einer umfassenden Befragung der Suchthilfeeinrichtungen basieren, erfolgt rund die Hälfte der Behandlungseintritte in die spezialisierte Sucht-hilfe (2018) in der Schweiz wegen Alkohol als Hauptproblem. In fast 70% der Fälle sind Männer betroffen und das Durchschnittsalter beträgt 46 Jahre (Männer und Frauen etwa gleich). Die Schätzungen zur Entwicklung der Behandlungsnachfrage für Alkohol als Hauptproblem seit 2013 weisen auf eine Abnahme hin (Index 2013-2018: -10.3%). Es tut sich nichts in der Alkoholpolitik Der Jugendschutz bzw. die Abgaberegelungen greifen nach wie vor ungenügend und die Politik bewegt sich kaum, um den Gesundheitsschutz zu stärken, obwohl sich die Bevölkerung eine stärkere Regulierung wünschen würde. Der Alkoholverkauf an Jugendliche geht nicht zurück: Trotz Abgabeverbot wird bei Testkäufen in der Schweiz in rund 30 % aller Fälle gesetzeswidrig Alkohol an Minderjährige verkauft. Diese Zahl stagniert seit 2009. Eine Studie von Sucht Schweiz zeigt, dass es vor allem dort zu illegalen Verkäufen kommt, wo das Verkaufspersonal unter Stress handelt oder wo Betriebe die Abwanderung der Kundschaft zur Konkurrenz befürchten. Der Nationalrat will keine Einschränkungen beim Alkoolausschank in Autobahnraststätten schaffen. Er hat eine entsprechende Motion von Laurence Fehlmann Rielle (SP/GE) deutlich abgelehnt. Im Herbst 2017 hatte das Parlament beschlossen, das Verkaufs- und Ausschankverbot für Alkohol auf Raststätten nach über 50 Jahren aufzuheben. Kleine Verschärfung bei der Spirituosenwerbung Nach bisheriger Praxis waren kleine, geringwertige Gebrauchsgegenstände als Give-a-ways toleriert worden, auch wenn sie keinen Zusammenhang mit dem Produkt hatten. Dies stand im Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes. Der «Leitfaden zur Spirituosen-werbung» wurde im letzten Jahr entsprechend angepasst. Im Kanton Neuenburg hat das Parlament Anfang September 2019 eine Motion der Jeunes libéraux-radicaux abgelehnt, die ihrerseits Trinkspiele und Happy Hours wieder legalisieren wollten. Die Legislative hat damit Präventionsaspekte stärker gewichtet. In Chur soll es wieder erlaubt werden, nach Mitternacht auf öffentlichem Grund Alkohol zu trinken. Im Polizeigesetz soll jener Passus gestrichen werden, mit dem sich die Alpenstadt einst den Ruf einhandelte, das «strengste Polizeigesetz der Schweiz» zu haben. Die Chu-rer Stadtregierung teilte im Juli mit, dass sie ein «liberaleres Polizeigesetz in die Vernehm-lassung » schicke. Bewegung in Schottland Die in Schottland im Mai 2018 eingeführten Mindestpreise für Alkoholika scheinen sich zu bewähren. Wie beabsichtigt drosselten jene Haushalte ihre Auslagen, die den meisten Alkohol gekauft haben. Offenbar gelang es, relativ billigen Alkohol weniger erschwinglich zu machen, was sich wiederum positiv auf die öffentliche Gesundheit auswirken sollte. Ein Mindestalkoholpreis soll Anfang März auch in Wales in Kraft treten. Keine Billigstalkoholika rund um die Uhr Ausdifferenzierte Produktekategorien sprechen spezifische Kundensegmente an. Da z.B. die aromatisierten oder kalorienreduzierten Biere für ein weibliches Publikum. Dort die kindlich und bunt aufgemachten Shots, die mehr an Schleckzeug erinnern als an Alkohol. In den USA wird gar ein mit Alkohol versetztes Mineralwasser vertrieben. In Anbetracht der immensen alkoholbedingten Schäden braucht es mehr strukturelleMassnahmen, welche die Erhältlichkeit und die Attraktivität vermindern. Alkoholkonsum ist das siebtgrösste vermeidbare Risiko, vorzeitig zu sterben. Er begünstigt über 200 Krankheiten. Alkohol ist billig, rund um die Uhr sowie überall erhältlich und beworben - das hält den Konsum hoch. Damit jede Generation nicht von neuem mit allen Mitteln ans Trinken herangeführt wird, braucht es die Debatte darüber, wie Alkohol angepriesen werden darf.
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