Kampf um die Handelsrouten nach Oberitalien im 14. und 15. Jahrhundert Unter- und Oberwallis: Ein historischer Rückblick ins Mittelalter Das Wallis zerfiel im Mittelalter in die zwei Gebiete Oberwallis und Unterwallis. Das Unterwallis auch sprach damals schon französisch und wurde vom Herzogtum Savoyen beherrscht. Die savoyische Herrschaft im Unterwallis wurde von freiherrlichen Geschlechtern und gräflichen Beamten ausgeübt. Der Landesherr für das Oberwallis war der Bischof von Sitten. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts bestand das Oberwallis aus der Bürgerschaft Sitten und weiteren freien Oberwalliser Gemeinden (den sogenannten die Zehnten des Wallis), darunter Sitten, Siders, Leuk, Raron, Visp und Brig. Bereits Mitte des 14. Jahrhunderts erhielt die Bürgerschaft von Sitten urkundlich verbrieft erste Freiheiten und Rechte. Gleichzeitigwurden die freien Oberwalliser Bauerngemeinden Teil der Landesverwaltung. Es wurde ein Rat des Landes Wallis geschaffen. Im Oberwallis konnten sich feudale Strukturen nur im unteren Teil des Tales halten. Die Interessen der Oberwalliser Gemeinden begann sich in Richtung Osten zum Gotthard hin zu verschieben. Später wurde ein Urner Landamman Schutzherr der Oberwalliser Gemeinden. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts kam es im Oberwallis zu Wirren im Zusammenhang mit Machtgelüsten mit den von Savoyen unterstützten Adeligen. Die "freien" Oberwalliser verbündeten sich 1403 mit den Waldstätten. Die Vertreter der 8 Orte der Alten Eidgenossenschaft aus der Zentralschweiz, vor allem die Urner, wollten sich den Einfluss auf die Handelswege durch das Oberwallis ins Eschental (Italien) sichern. Die Adeligen aus dem Unterwallis erhielt Beistand aus Savoyen im Südwesten. Die "freien" Oberwalliser verbanden sich mit den Waldstätten im Nordosten. Die Säumerei und der Käsehandel aus der Zentralschweiz über das Obergoms waren auch schon im 15. und 16. Jahrhundert ein einträgliches Geschäft. Die ViaSbrinz folgt heute auf den Pfaden der damaligen Säumer. Die Berner beobachteten den zunehmenden Einfluss der Urner im Oberwallis mit Misstrauen. 1418 marschierten Berner Truppen über den Sanetschpass ins Oberwallis ein und unterstützten so die adligen Herren von Raron. Auch die Berner wollten sich den Einfluss auf die Handelswege durch das Oberwallis nach Italien sichern. 1419 kam es bei Ulrichen zu einer Schlacht. Die Plünderungen und Raubzüge hielten im Oberwallis bis 1420 an. Erst Mitte der 1420er-Jahre kam es zu einem Friedenschluss zwischen den Konfliktparteien. Der Berner Raubzug war für die Oberwalliser eine bittere Erfahrung. Die unsicheren Zeiten veranlassten Teile der Oberwalliser Bevölkerung auszuwandern. Interessenskonflikte der verschiedenen Orte der Alten Eidgenossenschaft, im Wallis und in Oberitalien Die Urner suchten mit militärischen Kräften ihren Einfluss im Levinental (Leventina im Kanton Tessin), Eschental (heute Val Formazza und Valle Antigorio in Italien) und Meiental (heute Valle Maggia im Kanton Tessin) auszuweiten. Mit ihren Vorhaben gerieten sich mit dem Herzögen von Mailand in Konflikt. Die kürzesten Verbindungen aus den Berner und Zentralschweizer Herrschaftsgebieten ins Eschental in Oberitalien mit seinem Hauptort Domodossola führte schon damals über das Oberwallis. 1397 hatten die Berner mit den Oberwalliser Gemeinden eine Vereinbarung zur Sicherung der Passwege abgeschlossen. Von Kandersteg aus führten der Handelsweg über den Gemmipass, das Goms und den Griespass ins Val Formazza. Von Luzern aus nahmen die Händler den Weg über den Jochpass oder den Brünigpass, das Haslital, den Grimsel, das Obergoms sowie den Griespass nach Süden. Söldner wurden in dieser Zeit auch als Handelsware betrachtet. Die wichtigsten Nord-Süd verlaufenden alpenquerenden, historischen Handelswege durch das Oberwallis führten über den Gemmi-, den Simplon-, den Albrun-, den Grimsel und den Griespass. Ein wichtige Handelsroute, welche schon den Kelten und den Römern benutzt wurde, sind die Saumpfade über den Grimsel- und den Griespass. Der Nufenenpass diente vom Oberwallis her als Zugangsroute zum Gotthardpass. Die Urner wählten für den Weg nach Süden die Pfade über den Susten- bzw. Surenenpass ins Haslital oder über den Gotthardpass und die Leventina bzw. das Bedrettotal. Im Levinental (Leventina) gerieten Alpbetriebe der Urner immer wieder von Süden her unter Druck der Herzöge von Mailand. 1410 hatten die Urner Bauern genug von den Mailänder Provokationen. Ein Freischarenheer aus Urnern und Obwaldern fiel ohne die offizielle Unterstützung ihrer Regierungen ins Eschental ein. Das Eschental wurde zu einem gemeinsamen Untertanenland von Luzern, Uri und Obwalden. Ein Richter wurde als Statthalter der drei Stände in Domodossola eingesetzt. Der Griespass geriet unter die Kontrolle der Eidgenossen. Die Eschentaler waren jedoch nicht sehr eidgenössisch gesinnt und verjagten die Eindringlinge bald wieder. 1411 unterwarf ein eidgenössisches Heer ohne Berner Beteilligung das Eschental erneut und setzten nach der Eroberung einen ihnen freundlich gesinnten, einheimischen Statthalter ein. Nach dem Abzug der eidgenössischen Truppe verbündeten sich die Anhänger der Mailänder mit dem Grafen von Savoyen, welcher auch Freiherren von Raron waren. Ab diesem Zeitpunkt vermischten sich die Walliser Wirren um den Einfluss auf die Gemeinden im Unter- und Oberwallis mit der aussenpolitischen Interessen der 8 Alten Orte der Eidgenossenschaft. Die Interessen der Alten Orte waren teilweise sehr unterschiedlich gelagert. Die Berner verspürten keine Lust, sich im Eschental zu engagieren. Im Gegenteil. Die Berner waren mit der Eroberung des Aargaus beschäftigt und schlossen sogar eine Allianz mit dem Freiherrn von Raron nicht aus. Die Berner verfolgten eine eigene Südpolitik und kümmerten sich recht wenig um die politischen Ziele der anderen Bundesgenossen. Ihnen war vorerst der Gemmipass , welcher vom bernerischen Kandertal über die Alpen in das südlich gelegene eigene Untertanengebiet im Lötschental (eigentlich das Einflussgebiet der Freiherren von Raron) führt, ein wichtigeres strategische Ziel als der Griespass. Die Berner verzichteten auf eine freundeidgenössische Hilfe beim Eschentalfeldzug. Das Eschental ging nach kurzer Zeit wieder an das Herzogtum von Mailand über. 1416 eroberte erneut ein Heer aus Urnern und Obwaldnern das Eschental. 1417 setzten die Sieger einen Nidwaldner als Vertreter der sechs Orte und der Oberwalliser Gemeinden in Domodossola ein, welcher auch für das Meiental (Maggia- und Verzascatal) verantwortlich war. 1418 folgten die Berner einem Hilfegesuch der Freiherren von Raron. Berner Truppen rückten ins Oberwallis vor und zogen danach plündernd und mordend talaufwärts. In Ulrichen kam zu einer Freiheitsschlacht. Der Konflikt im Oberwallis endete 1420 mit einem Friedenschluss. 1422 ging das Eschental für die Eidgenossen endgültig verloren. Die Urner und die sie unterstützenden eidgenössischen Truppen erlitten 1422 bei der Schlacht von Arbedo eine bittere und vernichtende Niederlage gegen das zahlenmässig überlegene und besser geschulte Heer des Herzogs von Mailand. Die Urner verloren nach diesem Waffengang alle Gebiete südlich des Alpenkammes. Aussenpolitik der 8 Alten Orte der Eidgenossenschaft Das 15. Jahrhundert war von Ereignissen der europäischen Grossmachtpolitik geprägt, welche auch grosse Auswirkungen auf das Gebiet der heutigen Schweiz hatten. Machthaber wie Karl (der Kühne) von Burgund (Sohn von Herzog Philipp der Gute von Burgund), der deutsche Kaiser Friedrich III, dem französischen König Ludwig XI, Herzog Sigmund von Österreich, Herzogin Jolantha von Savoyen usw. waren die Akteure in einem Machtpoker in Mitteleuropa. Mitten in diesem von wechselnden Allianzen und Feindschaften geprägten Machtgefüge bewegten sich die 8 Alten Orte der damaligen Eidgenossenschaft. Die Mitglieder im Bund der Eidgenossen, dazu gehörten damals Bern (Beitritt 1353), Uri (1291), Nidwalden (1291), Schwyz (1291), Zug (1352), Zürich (1351), Glarus 1352/86) und Luzern (1352), waren sich nicht immer einig, welcher Allianz sie sich anschliessen und wo sie sich militärisch engagieren sollten. Das Lötschental war Untertanengebiet der Berner. Die übrigen Gemeinden im Oberwallis galten als Zugewandte Orte. Allen voran die Stände Bern und Uri verfolgten ihre eigenen Machtinteressen südlich der Alpen. Im 15. Jahrhundert reiften Versuche der Eidgenossen, europäische Aussenpolitik zu betreiben und sich in die Machtspiele der grossen Mächte einzumischen. Die Höhepunkte dieser von zahlreichen Episoden gekennzeichneten Entwicklung waren die Burgunderkriege, welche 1474 begannen und bei welchen die Berner ihre ganze Macht in die Waagschale warfen. Die Berner Truppen eroberten bisher von Burgund und Savoyen beherrschten Gebiete in der Westschweiz. Die Berner stiessen bis an den Genfersee vor. Die Oberwalliser marschierten gleichzeitig bis nach Martigny (Martinach) im französischsprachigen Unterwallis. Grosse Schlachten wie jene bei Grandson (1475), Murten (1476) und Nancy (1477) schrieben Zeitgeschichte. Die Burgunderkriege endeten mit einem Sieg der Eidgenossen. Nach dem Friedensschlusss von Ende Januar 1477 ergoss sich ein französischer "Geldregen" aus der Schatulle des französischen Königs Ludwig XI auf die Eidgenossen. Die Eidgenossen nutzen das Kriegshandwerk nach den für sie finanziell ergiebigen Burgunderkriegen künftig vermehrt zur Vermögensbereicherung als zum Durchsetzen von politischen Zielen. 1815 trat der Kanton Wallis und zusammen mit den Kantonen Neuenburg und Genf der Schweizerischen Eigenossenschaft bei. Nur der Beitritt des Kantons Jura erfolgte 1979 noch später. Text: RAOnline
Die Walser - Das deutschsprachige Volk aus dem Oberwallis Im frühen Mittelalter wurde die Gebiete am oberen Rhonelauf von den Walsern besiedelt. Die Walser waren ein deutsch-sprachiges Bergvolk, welches mit Zähigkeit und Ausdauer Gebiete im Berner Oberland, in Graubünden, in Vorarlberg in Österreich und im Eschental (Val Formazza und Valle Antigorio) nördlich von Domodossola in Italien kolonisierte. Die Wurzeln der Volksgruppe der Walser und Ursprünge ihre Besiedlung sind bis heute nur teilweise bekannt. Die Walser sind Oberwalliser, die vor rund 700 Jahren die höchsten Täler Graubündens besiedelt haben. Im 13. Jahrhundert überquerten zahlreiche Menschen aus dem Wallis in einer Auswanderungswelle die Alpenpässe nach Osten und wanderten in das Gebiet der Grauen Bünde (= Oberer Grauer Bund, Gottehausbund, Zehngerichtebund im heutigen Kanton Graubünden) ein. Die Landesherren nannten die Einwanderer «Walser». Die Bündner Walser siedelten in den hoch gelegenen Gebirgsregionen, welche damals noch nicht ganzjährig bewohnt waren wie im Safiental. Die Neusiedler erhielten von den Landesherren Freiheiten wie etwa die Sonderrechte bei der Kultivierung von neu gerodetem Land, dem Erbrecht, der Selbstverwaltung und Heirat. Vals ist eine walserdeutsche Sprachinsel im rätoromanischen Val Lumnezia. Auch im Calfeisental im Kanton St. Gallen bestand um 1400 zur Blütezeit der Walser im Kanton Graubünden eine Walserkolonie mit rund 12 Häusern, worin etwa 100 Einwohner lebten. Die Walser vom heutigen St. Martin am hinteren Ende des Calfeisentals produzierten Häute, Wolle und Käse. Die landwirtschaftlichen Produkte mussten sie Dutzende von Kilometern auf beschwerlichen Saumpfaden talabwärts zu den Handelplätzen am vorderen Talende bei Pfäfers oder Vättis transportieren. Die Walser gründeten auch die Siedlung Bosco-Gurin im Maggiatal im Kanton Tessin. Bis weit ins 20. Jahrhundert konnte sich die deutsche Sprache in dieser deutschsprachigen Insel im italienischen Sprachraum behaupten.
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