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Corporate Social Responsibility
Corporate Social Responsibility-Freiheit und Verantwortung in einer globalisierten Welt
Rede von Benita Ferrero-Waldner, EU-Kommissarin 2006
Wirtschaft, Handel u. Beruf Geografie-Erdkunde
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Corporate Social Responsibility
Corporate Social Responsibility
Freiheit und Verantwortung in einer globalisierten Welt
Rede von Dr. Benita Ferrero-Waldner, EU-Kommissarin für Aussenbeziehungen und europäische Nachbarschaftspolitik
anlässlich der Konferenz "Women in Business" - Deutsche Bank in Frankfurt am 9. März 2006

Wenn wir heute über "Corporate Social Responsibility", das heisst über die soziale Verantwortung von Unternehmen sprechen, dann möchte ich als EU-Aussenkommissarin vor allem einige allgemeine Überlegungen zum Verhältnis von Freiheit und Verantwortung in einer globalisierten Welt anstellen.

Und zwar zu drei Punkten:

Erstens zum Verhältnis von Freiheit und Verantwortung, denn das ist der Kern von "Corporate Social Responsibility".

Zweitens zur Frage, wie Europas Aussenpolitik und "Corporate Social Responsibility" zusammenhängen; ein Thema, dass mir als Aussenkommissarin natürlich sehr am Herzen liegt.

Und drittens zum Verhältnis von Staat und Wirtschaft in einem internationalisierten Umfeld.

Ich selbst habe das Privileg, in Politik und Privatwirtschaft gearbeitet zu haben, auf nationaler wie internationaler Ebene, und kenne daher das Zusammenspiel dieser Bereiche aus eigener Erfahrung.

II.

Gerade im Zeitalter der Globalisierung von Gütern, Dienstleistungen und nicht zuletzt von Ideen gilt: Freiheit ohne gesellschaftliche Verantwortung kann nicht funktionieren. Neben dem Imperativ menschlicher Freiheit gibt es auch jenen der Eigenverantwortung.

Das Verhältnis von Freiheit und Verantwortung hat gerade im Streit um einige Karikaturen des Propheten Mohammed Aktualität erlangt.

Lassen Sie mich hier ganz klar sein: Freiheit, insbesondere die Meinungsfreiheit sind nicht nur einfach "Grundrechte". Sie sind die Basis moderner demokratischer Gesellschaften, nicht nur in Europa, sondern weltweit. Ohne öffentlichen Diskurs, ohne kritisches Denken und ohne das Wettspiel der Ideen kann es keine Demokratie geben.

Aber diese Freiheit ist natürlich nicht grenzenlos. Sie findet ihre Beschränkung in Gesetzen und vor allem in der Freiheit anderer. Und sie soll vor allem nicht aus purer Lust zur Provokation und Verletzung eingesetzt werden. Denn eine Freiheit, die nur um ihrer selbst willen ausgeübt wird, kann sich letztlich nur selbst untergraben.

Freiheit bedingt für mich daher auch den respektvollen Umgang miteinander. Ich hätte mir deshalb in den letzten Wochen mehr Verantwortungsgefühl gewünscht, auch in einigen Teilen der europäischen Öffentlichkeit.

Das ist keinesfalls ein Aufruf zur Zensur - solche Forderungen aus Teilen der islamischen Welt muss man zurückweisen. Es ist vielmehr ein Appell für eine intelligente Verantwortungsethik. Denn Freiheit und Verantwortung sind untrennbar miteinander verbunden.

Um George Bernhard Shaw zu zitieren: "Freiheit bedeutet Verantwortlichkeit. Das ist der Grund, weshalb sich manche Menschen vor ihr fürchten".

In den letzten Wochen hat sich Europa für eine Beruhigung der Lage im "Karikaturenstreit" eingesetzt. Es wäre falsch, einen "Kampf der Kulturen" herbeizureden. In Europa werden Religionen zutiefst geachtet. Nicht umsonst ist der Leitsatz der EU "In Vielfalt geeint".

Umgekehrt hat sich die grosse Mehrheit der Muslime, gerade in Europa, von den inakzeptablen Gewaltexzessen gegen europäische Einrichtungen distanziert. Europa und die islamische Welt führen einen fruchtbaren Austausch.

Wir dürfen jetzt keine Brücken abbrechen, sondern müssen unseren Dialog der Weltanschauungen vertiefen, der ja auf universellen Werten aufbaut. Dazu gehören auch die Meinungs- und Religionsfreiheit und eine friedliche Diskussionskultur.

III.

Diese Ereignisse haben auch gezeigt, wie wichtig eine gemeinsame europäische Aussenpolitik im Zeitalter der Globalisierung ist.

Wir können uns nicht behaglich in einer "Festung Europa" einrichten. Im Gegenteil: Globalisierung passiert.

Europa kann und muss daher der globalen Freiheit eine politische Form geben und weltweit Verantwortung einmahnen. Denn Freiheit und Verantwortungssinn sind die Basis von Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft.

Für dieses "Management der Globalisierung" ist eine starke Europäische Union unerlässlich. Die EU ist nicht Teil des Problems, wie manche Untergangspropheten nicht müde werden zu behaupten - sondern sie ist Teil der Lösung.

Sie ist Europas Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung, deren einzelne Staaten alleine kaum mehr gewachsen wären.

Globalisierung ist aber kein "Nullsummenspiel". Europa profitiert von diesem Prozess des internationalen Austausches. 20 Prozent unseres Wohlstandes hängen vom Welthandel ab. Sich abzuschotten, sei es auf nationaler oder europäischer Ebene, wäre daher nicht nur politisch sondern auch wirtschaftlich und sozial kontraproduktiv.

Europa muss also Freiheit fördern, um Verantwortung fordern zu können. Das heisst aber nicht, dass wir Freiheit und Verantwortung einfach "exportieren". Das wäre widersprüchlich.

Eine universelle Kultur der Freiheit entsteht nicht über Nacht. Man muss vielmehr durch politische Beharrlichkeit und handfeste Hilfe dazu beitragen, dass sie Wurzeln fasst und Menschen ihre Sehnsucht verwirklichen können, ihr Leben frei zu gestalten. Es geht um einen Wechsel in der Denkweise und nicht um einen "Regimewechsel".

Für Freiheit und menschliche Sicherheit einzutreten, ist nicht nur ein moralischer Imperativ, sondern liegt. im aufgeklärten Eigeninteresse Europas.

In einigen Ländern, nicht zuletzt in Teilen der arabischen Welt, hat das weitgehende Fehlen von wirtschaftlichen und politischen Entwicklungschancen in der Tat einen Nährboden für Radikalismus geschaffen, dessen politische und wirtschaftliche Folgen nicht an den Toren Europas halt machen. Die letzten Jahre haben das gezeigt.

Europas Einsatz für weltweite Freiheit und wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen - dieses Leitmotiv der EU - ist daher nicht nur eine Frage der Aussenpolitik, sondern auch der Sicherheitspolitik.

Denn Staaten, die auf der Freiheit des einzelnen Menschen aufbauen, sind nicht nur bessere Partner, sondern auch sicherer und wohlhabender.

IV.

Bereits heute ist die Europäische Union ein globaler Akteur. Wir sind der grösste Wirtschaftsblock der Welt und der bei weitem grosszügigste Geber von Wirtschafts- und Entwicklungshilfe.

Darüber hinaus - das sei in Zeiten des angeblichen "Kampfes der Kulturen" besonders betont - haben Europas Erfolge und Werte globale Anziehungskraft. Europa ist ein Gravitationszentrum, gerade für seine unmittelbaren Nachbarn.

Dieses politische Kapital, Europas so genannte "Soft Power" müssen wir als Demokratie- und Modernisierungsmotor noch effizienter einsetzen - zum Wohle unserer Bürger und unserer Wirtschaft.

Eine stärkere EU-Aussenpolitik, die den Menschen Europas Resultate liefert, ist auch ein Beitrag zur Legitimität des europäischen Einigungswerkes. Die aktuellen Sorgen vieler Menschen und das latente "Unbehagen an Europa" wurzeln oft in einer diffusen Angst vor der "Globalisierung". Indem die EU agiert und Antworten formuliert, kann sie diesen Vertrauensverlust wettmachen.

Angesichts der Vielzahl neuer Herausforderungen geht die EU-Aussenpolitik aber weit über traditionelle Diplomatie hinaus. Die internationalen Handelsbeziehungen, der Wiederaufbau von Krisenregionen, Fragen der Energiesicherheit, das intelligente Management von Migration, verstärkte Transportsicherheit und nicht zuletzt die Bekämpfung internationaler Epidemien: Das sind die Themen moderner Aussenpolitik.

Die EU-Kommission liefert daher mit ihrem breiten Arsenal politischer Instrumente grossen Mehrwert für Europa. Durch ein weltweites Netzwerk bilateraler Verträge, mit unserer substantiellen Aussenhilfe und in unserer Rolle als EU-Vertreterin im Welthandel.

Unsere Aussenpolitik hat, ganz im Sinne des Paares von "Freiheit und Verantwortung",im Wesentlichen zwei Stossrichtungen:

Erstens möchten wir einen Beitrag zu globaler "Good Governance", zur guten Regierungsführung leisten. Zweitens geht es um internationale Wirtschaftspolitik im weiteren Sinne.

Die EU stärkt erstens Institutionen in Drittländern. Wir begnügen uns nicht mit herkömmlicher Regierungszusammenarbeit. Die EU-Aussenpolitik ist ein Katalysator struktureller Reformen. Damit tragen wir dazu bei, dass Individuen und Unternehmen überhaupt Verantwortung übernehmen können.

Das tun wir, indem wir die Fundamente demokratischer Institutionen aufbauen und Verwaltung und Rechtsstaat stärken. Wer jemals im Ausland vor Gericht stehen musste, weiss, wie wichtig das ist. Das tun wir aber auch, indem wir mit unserer Finanzhilfe soziale Spannungen vermeiden und dadurch ein stabiles wirtschaftliches Klima schaffen; und auch, indem wir im Ausland unternehmerisches Denken und Handeln fördern, etwa durch die Bereitstellung von Mikrokrediten.

Diese Politik des "State-Building", des Aufbaus politischer und wirtschaftlicher Institutionen, wird immer wichtiger. In den letzten Jahren musste die internationale Gemeinschaft wiederholt erkennen, wie gefährlich so genannte "scheiternde Staaten" sind. Sie bilden "schwarze Löcher" im internationalen System und produzieren und exportieren Unsicherheit. Denken sie an Afghanistan unter den Taliban oder an bestimmte Regionen Zentralafrikas.

Die Stärkung der Menschenrechte ist ein essentieller Bestandteil dieser Politik. Freiheit und Verantwortung bedürfen einer Rechtsordnung, national wie international.

Für Menschenrechte einzutreten ist daher kein aussenpolitischer "Luxus", sondern eine absolute Notwendigkeit.

Dazu zählen vor allem auch Frauenrechte, besser gesagt "weibliche Menschenrechte". Mehr als 50% der Bevölkerung von Politik und Wirtschaft auszuschliessen, ist nicht nur moralisch und politisch inakzeptabel, sondern kontraproduktiv. Es zerstört die Basis ganzer Gesellschaften.

Aus diesen Gründen habe ich als Kommissarin für verstärkte EU-Hilfe gesorgt, bei Menschenrechten, Demokratisierung und Bildungschancen. Das ist, wie gesagt, eine Investition in Europas eigene Sicherheit und wichtig für unsere Wirtschaft.

Das bedeutet aber keineswegs eine "Einmischung in innere Angelegenheiten", wie man immer wieder fälschlich hört. Menschenrechte hängen nicht vom kulturellen Kontext ab. Wenn Europa international für sie eintritt, drängen wir anderen keine Werte auf. Im Gegenteil, wir wollen Menschen das Recht geben, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen - eben in "Freiheit und Verantwortung".

V.

Eine zweite wichtige Dimension für die EU-Aussenpolitik ebenso wie für die Festigung von "Corporate Social Responsibility" ist Europas internationale Wirtschaftspolitik.

Die EU ist eine Schlüsselspielerin im Welthandel. Die EU-Kommission vertritt unsere Interessen als Gesicht und Stimme Europas. Das ist für den Wirtschaftsstandort Europa sehr wichtig. Denn auch in diesem Kontext gilt: Gemeinsam sind wir stärker.

Nur ein geeintes Europa kann im multipolaren Weltsystem, mit China und Indien als den neuen "Polen", effektiv mitspielen. Nur ein geeintes Europa kann mit seinen Partnern die Regeln der Globalisierung festlegen.

Wirtschaftliche Freiheiten bedürfen eines multilateralen Rahmens. Die Globalisierung ist daher kein Synonym für "Anarchie", wie die Kritiker des angeblichen "Neoliberalismus" meinen. Globalisierung heisst nicht das "Recht des Stärkeren", sondern die "Stärkung des Rechts". Nur so kann "Corporate Social Responsibility" funktionieren.

In der internationalen Wirtschaftspolitik geht es uns daher nicht nur um einen erfolgreichen Abschluss der aktuellen Welthandelsrunde, um Europas Wirtschaft neue Chancen zu eröffnen.

Es geht uns auch um die entschlossene Umsetzung fairer Handelsregeln, zum Beispiel gegen Dumping. Es geht um den Aufbau moderner Wirtschaftsgesetzgebung und funktionierender Kapitalmärkte. Es geht um regionale Integration, auch um Chancen für Europas Unternehmen zu schaffen.

Es geht um besseren Investitionsschutz für unsere Betriebe, um Schutz gegen Wirtschaftskriminalität, um die Stärkung internationaler Vertragsfreiheit, und um die Sicherung von Urheberrechten und Bekämpfung der Marken-Piraterie. Denn klare Eigentumsverhältnisse sind auch ein Fundament von Freiheit und Verantwortung.

In all diesen Bereichen ist die EU aktiv. Damit tragen wir nicht nur dazu bei, den globalen Rahmen von Freiheit und Verantwortung abzustecken. Wir schaffen dadurch vor allem ein stabiles Umfeld für Europas Unternehmen; ein Umfeld, in dem sie sicher wirtschaften und gleichzeitig soziales Bewusstsein zeigen können.

"Corporate Social Responsibility" kann es natürlich nicht ohne grundlegende "Public Social Responsibility" geben.

Es gibt also eine positive Wechselwirkung von Aussenpolitik und internationaler Wirtschaft. Europas Unternehmen selbst liefern durch ihre weltweite Präsenz einen essentiellen Beitrag zur Stärkung des globalen Systems, das auf gemeinsamen Regeln aufbaut. Sie sind Transmissionsriemen der Globalisierung.

Handel und Investitionen im Ausland sind nicht nur aus ökonomischer Sicht wichtig. Sie enthalten auch die Saat gesellschaftlicher Modernisierung: Durch den Transfer von Technologie und wirtschaftlichem Know-How, aber auch durch verantwortungsvolle Praktiken im breiteren Sinn. Dazu kommt das soziale Engagement vieler europäischer Firmen.

In diesem Sinne sind verantwortungsvolle Unternehmer natürliche Partner der Politik und insbesondere der EU-Aussenpolitik. Sie sind Botschafter der sozialen Marktwirtschaft "Made in Europe".

Auch auf globaler Ebene gilt: Es ist öffentliche Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen für die freie Entfaltung der Wirtschaft. Gleichzeitig muss soziale Verantwortung strikt eingemahnt werden.

Das tut die EU auf internationaler Ebene durch die Festlegung von Regeln zur Korruptionsbekämpfung und gegen die Geldwäsche; oder durch unseren Einsatz gegen die Kinderarbeit und für Kernarbeitsnormen, die fester Bestandteil unserer internationalen Verträge sind. Auch Handelsvergünstigungen werden nur gewährt, wenn unsere Partner soziale Mindeststandards einhalten.

Zu dieser "sozialen Diplomatie" kommt unsere "grüne Diplomatie" beim Kampf gegen den Klimawandel und für den verantwortungsvollen Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen. Denken Sie etwa an das "Kyoto-Protokoll", das es ohne die EU gar nicht gäbe.

All das schafft auch Rahmenbedingungen für sozial verantwortetes Unternehmen.

Dass wir uns vermehrt und erfolgreich marktwirtschaftlicher Instrumente wie des internationalen Emissionshandels bedienen, zeigt, dass diese Verantwortung von Unternehmen letztlich nur innerhalb eines betriebswirtschaftlichen Kontextes funktionieren kann.

"Corporate Social Responsibility" kann man nicht gegen die Wirtschaft, sondern nur mit ihr erreichen.

Es geht nicht um die Schaffung neuer Hindernisse, sondern um den gezielten Einsatz von Anreizen, etwa transparente, freiwillige Berichterstattung, Stakeholder-Dialoge und Gütesiegel. Hier gibt es eine ganze Reihe von Ideen auf EU-Ebene.

VI.

Ich komme damit zu einem dritten wichtigen Punkt. Dem Verhältnis von Staat und Wirtschaft im Lichte der "Corporate Social Responsibility".

Es ist nicht Aufgabe des Staates, die Eigenverantwortung des einzelnen Menschen völlig zu ersetzen, sondern im Gegenteil, sie zu stärken und dort zu helfen, wo individuelle Freiheit zu scheitern droht.

Freiheit und Verantwortung, beim Einzelnen ebenso wie in der Wirtschaft, fördert man nicht durch reine Verbote, sondern indem man für ein positives Konzept der Freiheit wirbt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos zu Recht Ludwig Erhard, den Vater der sozialen Marktwirtschaft zitiert: "Die Verbindung zwischen Freiheit und Verantwortung", so Erhard, "bedarf der Ordnung."

1957 hat er in seinem Buch "Wohlstand für alle" geschrieben: "Ich will mich aus eigener Kraft bewähren. Ich will das Risiko des Lebens selbst tragen, will für mein Schicksal verantwortlich sein. Sorge du, Staat, dafür, dass ich dazu in der Lage bin."

Diese Idee der verantworteten Freiheit liegt auch der sozialen Verantwortung von Wirtschaftsunternehmen zugrunde.

Wirtschaftliche Freiheit und gesellschaftliche Verantwortung müssen aber keinen Widerspruch darstellen. Im Gegenteil: Für vorausblickende Unternehmen ist das Bekenntnis zu sozialer Verantwortung integraler Bestandteil der Unternehmensphilosophie. Nicht als schmückendes Beiwerk, sondern im aufgeklärten Eigeninteresse. Denn nur verantwortungsvolle Unternehmen können auf Dauer erfolgreich wirtschaften.

Natürlich besteht die Hauptaufgabe von Unternehmen darin, Wert zu schaffen und Profit zu generieren. Doch viele Betriebe haben in den letzten Jahren erkannt, dass es in ihrem eigenen Interesse liegt, gesellschaftliche Verantwortung in ihre Strategie zu integrieren. "Corporate Social Responsibility" ist weder eine Frage der Philanthropie noch der Werbung, sondern eine Frage handfester Interessen.

Erstens findet Wirtschaft nicht in einem Vakuum statt. Längerfristige soziale Kosten und Vorteile haben Einfluss auf die Unternehmenssubstanz. "Shareholder Value" heisst nicht kurzfristige Profitmaximierung, sondern die langfristige Steigerung des Unternehmenswertes - und dazu muss man den sozialen Kontext des Marktes mit einbeziehen.

Zweitens ist unternehmerisches Handeln letztlich von der Akzeptanz des gesellschaftlichen Umfeldes abhängig. Das gilt gerade in der Globalisierungsära, in der mündigen Konsumenten soviel Information wie nie zu vor zur Verfügung steht, um sich ein kritisches Urteil zu bilden

In diesem Sinne geht es bei der sozialen Verantwortung der Wirtschaft nicht nur um das Einhalten von Gesetzen, sondern ebenso um das Überzeugen von Bürgern.

Dazu kommt drittens, dass nur sozial verantwortungsvolle Firmen die besten Mitarbeiter anziehen und halten können, die dann meist auch produktiver und innovativer arbeiten. Das ist essentiell, denn Humankapital ist im 21. Jahrhundert unser wichtigster europäischer Rohstoff.

VII.

Sozial verantwortetes Unternehmen ist für die Europäische Integration besonders wichtig. Unsere Wirtschaft ist seit jeher eine Trägerin des europäischen Einigungsgedankens, weil sie weiss, wie relativ nationale Grenzen geworden sind.

Dieses grenzüberschreitende Unternehmen in Europa hat einen positiven Einfluss auf eine Reihe von EU-Politiken: Bei der Förderung des regionalen Zusammenhalts, in der Umweltpolitik und natürlich vor allem für das Funktionieren des Binnenmarkts, der an der Basis des europäischen Erfolgsprojekts steht.

Und wenn es den Unternehmen gelingt, den unsausweichlichen wirtschaftlichen Wandel in sozial verantwortlicher Weise zu bewältigen, dann wirkt sich dies auf makroökonomischer Ebene positiv aus.

Die EU-Kommission hat daher bereits 2002 eine politische Mitteilung zur sozialen Verantwortung von Unternehmen vorgestellt, in der sie den speziellen Beitrag der verschiedenen EU-Politiken zur Förderung der unternehmerischen Verantwortung vorstellt, nicht zuletzt für kleine und mittlere Unternehmen, den "Mittelstand", der das Rückgrat von Europas Wirtschaft ist.

Umgekehrt leistet die "Corporate Social Responsibility" selbst auch einen Beitrag zur Realisierung unseres strategischen Ziels, Europa zum "wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasiertem Wirtschaftsraum der Welt" zu machen.

Das ist der Kern unserer Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung, der "Lissabon-Agenda", jenem ambitionierten Wirtschaftsreformprogramm das die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten gemeinsam verfolgen.

Es geht dabei keineswegs um die Schaffung einer zentralen EU-Wirtschaftspolitik. Im Gegenteil, wir brauchen eine Partnerschaft der Erneuerung mit unseren Mitgliedsstaaten, die die Hauptverantwortung für Reformen tragen. Wir müssen unsere Bürger und Unternehmen in die Lage zu versetzen, ihr Potenzial besser zu nutzen.

Um fit für die Globalisierung zu werden, sind strukturelle Reformen unausweichlich. Wir müssen den Wandel gestalten, gerade um unser europäisches Lebensmodell zu wahren. Stillstand ist keine Option.

Wir müssen vor allem den Sozialstaat fokussieren und ihn zu einem "sozialen Trampolin" machen. Gerade hier gilt es, die richtige Mischung aus Freiheit, Verantwortung und Sicherheit zu finden.

Für diese Reformen brauchen unsere Mitgliedsstaaten die EU. Der EU-Binnenmarkt, mit seinen flankierenden Politiken, ist eine "Wohlstandsmaschine": Als Basis für grenzüberschreitendes Unternehmen und als Inspirationsquelle für intelligente Reformpolitik.

Daher wäre Protektionismus innerhalb Europas nicht nur politisch falsch, sondern auch wirtschaftlich kontraproduktiv. Das wissen auch unsere Mitgliedsstaaten. Ich bin daher zuversichtlich, dass der EU-Frühjahrsgipfel am 23. und 24. März 2006 unserer gemeinsamen Reformagenda weitere wichtige Impulse geben kann. Darunter auch für die "Corporate Social Responsibility" - denn diese trägt ja zum Innovationspotential und zur Wettbewerbsfähigkeit Europas bei.

VIII.

Die Globalisierung kann nicht funktionieren, wenn wir Europäer uns nicht für menschliche Sicherheit, ökonomische Reformen und nachhaltige Entwicklung einsetzen.

Dazu gehört das Eintreten für die verantwortete Freiheit des Einzelnen, intern wie international, aber zweifellos auch die Förderung und rechtliche Einrahmung der sozialen Verantwortung von Unternehmen. Denn Nachhaltigkeit bedeutet Zukunftsfähigkeit - in Europa und weltweit.

Nachhaltigkeit zu schaffen ist nicht nur eine staatliche Aufgabe. Sie entsteht im fruchtbaren Schnittbereich von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, zum Beispiel auf diesem Kongress der "Women in Business".

Ich bin daher sicher, dass gerade diese Konferenz globale Netzwerke stärkt - mit einer durchaus femininen Note - und damit zu Nachhaltigkeit und verantwortungsvollem Wirtschaften beiträgt.

Lassen Sie mich mit einem Zitat einer grossen, mutigen Frau schliessen, Eleanor Roosevelt: "Eine Lebensphilosophie drückt sich nicht in Worten aus. Sie zeigt sich am besten, in den Entscheidungen, die wir treffen."

Dieses Bekenntnis zu Freiheit und Verantwortung sollte unser Leitfaden für sozial verantwortetes Handeln sein - in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Quelle: EU, 2006

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