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DE Bundesgerichtshof Verfahren gegen Facebook wegen Verstössen
2020
gegen Datenschutzrecht Kläger: Bundeskartellamt
Beschluss vom 23. Juni 2020
DE Bundesgerichtshof Verfahren gegen Facebook wegen Verstössen
2020
gegen Datenschutzrecht Kläger: Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer
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Bundesgerichtshof der Bundesrepublik Deutschland
Verfahren gegen Facebook wegen Verstössen gegen Datenschutzrecht
Nr. 065/2020
Verhandlungstermin am 23. Juni 2020, 9.30 Uhr in Sachen KVR 69/19 (Facebook gegen Bundeskartellamt)
Ausgabejahr 2020
Erscheinungsdatum 27.05.2020
Karlsruhe, den 22. Mai 2020

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat über die sofortige Vollziehbarkeit einer Verbotsverfügung des Bundeskartellamts gegen Facebook zu entscheiden, die sich gegen Nutzungsbedingungen richtet, mit denen nach Auffassung des Kartellamts wegen eines Verstosses gegen Datenschutzrecht eine marktbeherrschende Stellung von Facebook missbraucht wird.

Sachverhalt:

Die in Irland ansässige Facebook Ireland Limited (im Folgenden: Facebook) betreibt das soziale Netzwerk "Facebook".

Die Teilnahme am kostenlos zur Verfügung gestellten sozialen Netzwerk "Facebook" hängt davon ab, dass die Nutzer bei der Registrierung den Nutzungsbedingungen zustimmen. Diese erlauben Facebook die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Nutzers. Nach den Erläuterungen in den massgeblichen Facebook-Richtlinien sammelt Facebook auch ausserhalb der Facebook-Seiten Nutzerdaten, nämlich mit seinen anderen konzerneigenen Diensten (Instagram, WhatsApp, Masquerade und www.oculus.com) und auf Webseiten und mit Nutzerprogrammen (Apps) dritter Anbieter, welche über Facebook Business Tools (z.B. dem "Gefällt mir"-Button) mit Facebook-Seiten verbunden sind. Die gesammelten Daten werden zusammengeführt.

Das Bundeskartellamt sieht in der Verwendung der Nutzungsbedingungen und dem danach erlaubten Verarbeiten von ausserhalb der Facebook-Seiten generierten Daten Verstösse gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot gemäss § 19 Abs. 1 GWB. Die geforderten Konditionen seien mit Blick auf die Wertungen des Datenschutzrechts nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) unangemessen. Mit Beschluss vom 6. Februar 2019 hat das Bundeskartellamt Facebook und weiteren Konzerngesellschaften untersagt, Nutzungsbedingungen zu verwenden, die eine solche Verarbeitung von ausserhalb von Facebook.com auf den genannten konzerneigenen Diensten oder Webseiten oder Apps Dritter anfallenden Daten ohne weitere Einwilligung der Nutzer erlauben.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Oberlandesgericht hat über die dagegen eingelegte Beschwerde noch nicht entschieden. Es hat aber auf Antrag von Facebook und den weiteren Adressaten der angefochtenen Verfügung die aufschiebende Wirkung der Beschwerde angeordnet. Dies hat zur Folge, dass die Verfügung des Bundeskartellamts nicht vollzogen werden darf, bis über die Beschwerde durch das Oberlandesgericht entschieden ist. Das Oberlandesgericht hatte ernstliche Zweifel an der Rechtmässigkeit der Verfügung. Es hat angenommen, der Datenbezug aus Drittquellen stelle keine wettbewerbsschädliche Ausbeutung der Nutzer dar. Dem Verbraucher bleibe es unbenommen, die Daten beliebig oft jedem Dritten auf dem Markt für soziale Netzwerke zur Verfügung zu stellen. Eine übermässige Preisgabe der Daten könne nicht festgestellt werden. Auch ein Kontrollverlust des Nutzers liege nicht vor, die Datenverarbeitung erfolge mit Wissen und Wollen des Nutzers. Unkenntnis über den Inhalt der Nutzungsbedingungen beruhe nicht auf der Marktmacht von Facebook, sondern bei lebensnaher Würdigung auf Gleichgültigkeit oder Bequemlichkeit der Nutzer. Es könne dahinstehen, ob die Nutzungsbedingungen den Vorgaben der DSGVO standhielten. Denn es fehle jedenfalls der notwendige Kausalzusammenhang zwischen der marktbeherrschenden Stellung von Facebook und dem angeblichen Verstoss gegen Datenschutzrecht.

Gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung wendet sich das Bundeskartellamt mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

Vorinstanz:

OLG Düsseldorf - Beschluss vom 26. August 2019 - VI-Kart 1/19 (V)

Die massgeblichen Vorschriften lauten:

Relevante Vorschriften aus der DSGVO (Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung). (Auszüge)

Erwägungsgrund 42

… Es sollte nur dann davon ausgegangen werden, dass sie [die betroffene Person] ihre Einwilligung freiwillig gegeben hat, wenn sie eine echte oder freie Wahl hat und somit in der Lage ist, die Einwilligung zu verweigern oder zurückzuziehen, ohne Nachteile zu erleiden.

Artikel 4 - Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

1."personenbezogene Daten" alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden "betroffene Person") beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann;

2."Verarbeitung" jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung;

11."Einwilligung" der betroffenen Person jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist;

Artikel 6 - Rechtmässigkeit der Verarbeitung

(1)Die Verarbeitung ist nur rechtmässig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:

a)Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;

b)die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Massnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen;

c)die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt;

f)die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

Artikel 7 - Bedingungen für die Einwilligung

(4)Bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, muss dem Umstand in grösstmöglichem Umfang Rechnung getragen werden, ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschliesslich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich sind.

Artikel 9 - Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten

(1)Die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person ist untersagt.

(2)Absatz 1 gilt nicht in folgenden Fällen:

a)Die betroffene Person hat in die Verarbeitung der genannten personenbezogenen Daten für einen oder mehrere festgelegte Zwecke ausdrücklich eingewilligt

Relevante Bestimmungen aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB):

§ 19 Verbotenes Verhalten von marktbeherrschenden Unternehmen

(1)Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.

(2)Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen

2. Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;

Quelle: Text Bundesgerichtshof, Pressestelle des Bundesgerichtshofs, 22. Mai 2020

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Bundesgerichtshof bestätigt vorläufig den Vorwurf der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch Facebook
Nr. 080/2020
Beschluss am 23. Juni 2020 in Sachen KVR 69/19 (Facebook gegen Bundeskartellamt)
Ausgabejahr 2020
Erscheinungsdatum 23.06.2020
Karlsruhe, den 23. Juni 2020

Facebook verwendet Nutzungsbedingungen, die auch die Verarbeitung und Verwendung von Nutzerdaten vorsehen, die bei einer von der Facebook-Plattform unabhängigen Internetnutzung erfasst werden. Das Bundeskartellamt hat Facebook untersagt, solche Daten ohne weitere Einwilligung der privaten Nutzer zu verarbeiten. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass dieses Verbot vom Bundeskartellamt durchgesetzt werden darf.

Sachverhalt:

Die in Irland ansässige Facebook Ireland Limited (im Folgenden: Facebook) betreibt in Europa das soziale Netzwerk Facebook, mit dem privaten Nutzern eine Kommunikationsplattform im Internet zur Verfügung gestellt wird. Weitere Tochtergesellschaften des Facebook-Konzerns bieten weitere Internetdienste wie insbesondere Instagram, WhatsApp, Masquerade und Oculus an.

Private Nutzer zahlen kein Entgelt für die Nutzung des sozialen Netzwerks. Ihre Teilnahme am Netzwerk setzt aber voraus, dass sie bei der Registrierung den Facebook-Nutzungsbedingungen zustimmen. Diese sehen vor, dass Facebook jedem Nutzer ein personalisiertes Erlebnis bereitstellt. Dafür werden personenbezogene Daten des Nutzers verwendet, die Facebook aus der Nutzung anderer konzerneigener Dienste wie Instagram sowie aus sonstigen Internetaktivitäten des Nutzers ausserhalb von facebook.com zur Verfügung stehen. Die Nutzungsbedingungen nehmen auf eine Datenrichtlinie Bezug, in der die Erhebung und Nutzung personenbezogener Daten näher erläutert wird.

Das Netzwerk wird durch Online-Werbung finanziert. Hierzu kann zum einen Werbung auf Facebook-Seiten platziert werden. Mit verschiedenen von Facebook bereitgestellten Programmierschnittstellen ("Facebook Business Tools") können Unternehmen zum anderen eigene Internetseiten oder Anwendungen für Mobilgeräte (Apps) in vielfältiger Form mit Facebook-Seiten verbinden. So können Facebook-Nutzer über Plugins ihr Interesse an diesen Seiten oder bestimmten Inhalten bekunden ("Gefällt-mir-Button" oder "Teilen-Button") oder Kommentare abgeben und sich über ein "Facebook-Login" auf Interseiten Dritter mit ihren bei Facebook registrierten Nutzerdaten einwählen. Über von Facebook angebotene Mess- und Analysefunktionen und -programme kann der Erfolg der Werbung eines Unternehmens gemessen und analysiert werden. Dabei wird nicht nur das Verhalten der privaten Nutzer auf Facebook-Seiten erfasst, sondern über entsprechende Schnittstellen (Facebook Pixel) auch der Aufruf von Drittseiten, ohne dass der Nutzer hierfür aktiv werden muss. Über die analytischen und statistischen Funktionen von "Facebook Analytics" erhalten Unternehmen aggregierte Daten darüber, wie Facebook-Nutzer über verschiedene Geräte, Plattformen und Internetseiten hinweg mit den von ihnen angebotenen Diensten interagieren.

bisheriger Verfahrensverlauf:

Das Bundeskartellamt sieht in der Verwendung der Nutzungsbedingungen einen Verstoss gegen das Verbot nach § 19 Abs. 1 GWB, eine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich auszunutzen. Facebook sei auf dem nationalen Markt der Bereitstellung sozialer Netzwerke marktbeherrschend. Es missbrauche diese Stellung, indem es entgegen den Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) die private Nutzung des Netzwerks von seiner Befugnis abhängig mache, ohne weitere Einwilligung der Nutzer ausserhalb von facebook.com generierte nutzer- und nutzergerätebezogene Daten mit den personenbezogenen Daten zu verknüpfen, die aus der Facebook-Nutzung selbst entstehen. Mit Beschluss vom 6. Februar 2019 hat das Bundeskartellamt Facebook und weiteren Konzerngesellschaften untersagt, entsprechende Nutzungsbedingungen zu verwenden und personenbezogene Daten entsprechend zu verarbeiten.

Das OLG Düsseldorf hat über die dagegen eingelegte Beschwerde noch nicht entschieden. Es hat aber auf Antrag von Facebook nach § 65 Abs. 3 GWB wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmässigkeit der Verfügung die aufschiebende Wirkung der Beschwerde angeordnet. Eine solche Anordnung hat zur Folge, dass die Verfügung des Bundeskartellamts nicht vollzogen werden darf, bis über die Beschwerde entschieden ist.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Kartellsenat hat die Entscheidung des OLG Düsseldorf aufgehoben und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde abgelehnt.

Es bestehen weder ernsthafte Zweifel an der marktbeherrschenden Stellung von Facebook auf dem deutschen Markt für soziale Netzwerke noch daran, dass Facebook diese marktbeherrschende Stellung mit den vom Kartellamt untersagten Nutzungsbedingungen missbräuchlich ausnutzt.

Massgeblich hierfür ist nicht die vom Kartellamt in der angefochtenen Verfügung in den Vordergrund gerückte Frage, ob die Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten der Facebook-Nutzer, die aus deren Nutzung des Internets ausserhalb von facebook.com und unabhängig von einem Facebook-Login entstehen, mit den Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung in Einklang steht.

Entscheidend ist vielmehr, dass Nutzungsbedingungen missbräuchlich sind, die den privaten Facebook-Nutzern keine Wahlmöglichkeit lassen,

- ob sie das Netzwerk mit einer intensiveren Personalisierung des Nutzungserlebnisses verwenden wollen, die mit einem potentiell unbeschränkten Zugriff auf Charakteristika auch ihrer "Off-Facebook"-Internetnutzung durch Facebook verbunden ist, oder

- ob sie sich nur mit einer Personalisierung einverstanden erklären wollen, die auf den Daten beruht, die sie auf facebook.com selbst preisgeben.

Das Missbrauchsurteil – das nach gefestigter Rechtsprechung sowohl die Feststellung nachteiliger Wirkungen auf den betroffenen Märkten voraussetzt als auch eine Abwägung aller beteiligten Interessen erfordert, die sich an der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Funktion des GWB orientiert – beruht dabei im Wesentlichen auf folgenden Überlegungen:

Facebook ist als Betreiber eines sozialen Netzwerks auf zwei Märkten tätig. Es bietet zum einen privaten Nutzern die Plattform als Medium zur Darstellung der Person des Nutzers in ihren sozialen Beziehungen und zur Kommunikation an. Es ermöglicht zum anderen Unternehmen Werbung im Netzwerk und finanziert damit auch die Nutzerplattform, für deren Nutzung die Nutzer kein (monetäres) Entgelt zahlen. Indem Facebook seinen Nutzern personalisierte Erlebnisse und damit über die blosse Plattformfunktion hinaus Kommunikationsinhalte bereitzustellen verspricht, ergeben sich allerdings fliessende Übergänge und Verschränkungen zwischen Leistungen gegenüber den Nutzern und der Refinanzierung der Plattformbereitstellung durch unterschiedliche Formen der Online-Werbung.

Als marktbeherrschender Netzwerkbetreiber trägt Facebook eine besondere Verantwortung für die Aufrechterhaltung des noch bestehenden Wettbewerbs auf dem Markt sozialer Netzwerke. Dabei ist auch die hohe Bedeutung zu berücksichtigen, die dem Zugriff auf Daten aus ökonomischer Perspektive zukommt.

Die fehlende Wahlmöglichkeit der Facebook-Nutzer beeinträchtigt nicht nur ihre persönliche Autonomie und die Wahrung ihres – auch durch die DSGVO geschützten – Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Vor dem Hintergrund der hohen Wechselhürden, die für die Nutzer des Netzwerks bestehen ("Lock-in-Effekte"), stellt sie vielmehr auch eine kartellrechtlich relevante Ausbeutung der Nutzer dar, weil der Wettbewerb wegen der marktbeherrschenden Stellung von Facebook seine Kontrollfunktion nicht mehr wirksam ausüben kann. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts wünschen erhebliche Teile der privaten Facebook-Nutzer einen geringeren Umfang der Preisgabe persönlicher Daten. Bei funktionierendem Wettbewerb auf dem Markt sozialer Netzwerke wäre ein entsprechendes Angebot zu erwarten. Hierauf könnten Nutzer ausweichen, für die der Umfang der Datenpreisgabe ein wesentliches Entscheidungskriterium wäre.

Die so ausgestalteten Nutzungsbedingungen sind auch geeignet, den Wettbewerb zu behindern. Zwar ist die Marktstellung von Facebook in erster Linie durch direkte Netzwerkeeffekte geprägt, da der Nutzen des Netzwerks für die privaten Nutzer wie für die werbetreibenden Unternehmen mit der Gesamtzahl der dem Netzwerk angeschlossenen Personen steigt. Die Marktposition von Facebook kann auch nur dann erfolgreich angegriffen werden, wenn es einem Konkurrenten gelingt, in überschaubarer Zeit eine für die Attraktivität des Netzes ausreichende Zahl von Nutzern zu gewinnen. Jedoch handelt es sich bei dem Zugang zu Daten nicht nur auf dem Werbemarkt um einen wesentlichen Wettbewerbsparameter, sondern auch auf dem Markt sozialer Netzwerke. Der Zugang von Facebook zu einer erheblich grösseren Datenbasis verstärkt die ohnehin schon ausgeprägten "Lock-in-Effekte" weiter. Ausserdem verbessert diese grössere Datenbasis die Möglichkeiten der Finanzierung des sozialen Netzwerks mit den Erlösen aus Werbeverträgen, die ebenfalls von Umfang und Qualität der zur Verfügung stehenden Daten abhängen. Wegen der negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb um Werbeverträge lässt sich schliesslich auch eine Beeinträchtigung des Marktes für Online-Werbung nicht ausschliessen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts bedarf es insoweit keiner Feststellung, dass es einen eigenständigen Markt für Online-Werbung für soziale Medien gibt und Facebook auch auf diesem Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Die Beeinträchtigung muss nicht auf dem beherrschten Markt eintreten, sondern kann auch auf einem nicht beherrschten Drittmarkt eintreten.

Vorinstanz:

OLG Düsseldorf - Beschluss vom 26. August 2019 – VI-Kart 1/19 (V), WRP 2019, 1333

Die massgeblichen Vorschriften lauten:

Relevante Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB):

§ 19 Verbotenes Verhalten von marktbeherrschenden Unternehmen

(1)Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.

§ 65 Anordnung der sofortigen Vollziehung

(3) 1Auf Antrag kann das Beschwerdegericht die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn

1.die Voraussetzungen für die Anordnung nach Absatz 1 nicht vorgelegen haben oder nicht mehr vorliegen oder

2.ernstliche Zweifel an der Rechtmässigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen oder

3.die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

2In den Fällen, in denen die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat, kann die Kartellbehörde die Vollziehung aussetzen; die Aussetzung soll erfolgen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 vorliegen. 3Das Beschwerdegericht kann auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 2 oder 3 vorliegen.

Karlsruhe, den 23. Juni 2020

Quelle: Text Bundesgerichtshof, Pressestelle des Bundesgerichtshofs, 23. Juni 2020
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