Mobile Werbung erreicht eine grosse Anzahl der Nutzerinnen und Nutzer von Smartphones. Das zeigt eine Studie der Hochschule Luzern und der Universität St.Gallen. Das Gerät wird jedoch eher wenig genutzt, um Produkte tatsächlich zu kaufen oder Dienstleistungen zu buchen. Wie ausgeprägt diese digitale Verbindung zwischen Smartphone-Nutzerinnen und -Nutzern und Unternehmen tatsächlich ist, haben die Hochschule Luzern und die Universität St.Gallen (HSG) im Rahmen des Projekts «Mobile als Innovator in Marketing und Vertrieb» untersucht. Dafür befragten sie 1'535 Personen aller Altersklassen in der Deutsch- und Westschweiz und analysierten unter anderem, welche mobilen Berührungspunkte (Touchpoints) Unternehmen und Smartphone-Nutzende haben, wie intensiv das Gerät entlang der Customer Journey genutzt wird und wie viele persönliche Daten die Konsumentinnen und Konsumenten bereit sind, preiszugeben. Mobile Touchpoints: Werbung dominant, standortbasierte Interaktionen selten Die Studie zeigt: Die Hälfte der Befragten nimmt mehrmals pro Monat Werbung auf Websites, in Apps und während der Recherche mit Suchmaschinen auf ihren Smartphones wahr. Bei rund 40 Prozent findet der Kontakt via mobile Werbung mehrmals pro Woche statt, bei über 20 Prozent täglich. Knapp 40 Prozent der Befragten kommen zudem mehrmals pro Monat über ihre Smartphones mit Werbung auf Social Media in Berührung. «Aus diesen Ergebnissen schliessen wir, dass mindestens die Hälfte der Smartphone-Nutzerinnen und -nutzer in der Schweiz regelmässig mit mobiler Werbung auf dem Smartphone erreicht werden kann. Unternehmen sollten diese Reichweite und Frequenz bei der Verteilung ihrer Werbebudgets auf verschiedene Kanäle berücksichtigen», sagt Mobile-Experte und Co-Projektleiter Thomas Wozniak von der Hochschule Luzern. Deutlich mehr als die Hälfte der Befragten nutzt Websites und Apps von Unternehmen regelmässig auf dem Smartphone. Im Hinblick auf die Nutzungshäufigkeit liegen dabei Websites vor Apps: Websites sind schneller aufgerufen und müssen nicht erst installiert werden; Apps haben jedoch das Potenzial für eine reichhaltigere User Experience und vielfältigere Interaktionen. Standortbasierte Angebote, zum Beispiel durch Beacons ausgelöste Push-Benachrichtigungen, hingegen werden nur von einem kleinen Teil der Befragten regelmässig verwendet. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass nur wenige Unternehmen überhaupt solche bereitstellen, wie eine Unternehmensbefragung der Hochschule Luzern und der Universität St.Gallen im Frühjahr 2016 verdeutlichte. «Doch solche Angebote haben auch Potenzial. So zeigen besonders innovative Konsumenten eine deutlich stärkere Affinität für standortbasierte Dienstleistungen», sagt Verhaltenspsychologin und Co-Projektleiterin Dorothea Schaffner von der Hochschule Luzern. Mobile Customer Journey: Moderate Nutzung zu Beginn, viel Potenzial in späteren Phasen Weiter macht die Studie deutlich, dass das Smartphone in den verschiedenen Phasen der Customer Journey unterschiedlich intensiv zum Einsatz kommt. Mehr als die Hälfte der Befragten nutzt das Smartphone regelmässig, um Ideen oder Inspiration zu Produkten und Dienstleistungen zu finden und sich über Produkte und Dienstleistungen zu informieren. «Das Smartphone ist ein sehr allgegenwärtiges, unmittelbares und spontanesKommunikationsmittel, das immer griffbereit verfügbar ist, wenn Nutzer Informationen zu Produkten benötigen», begründet Katarina Stanoevska-Slabeva, Expertin für Digitale Kommunikation der Universität St.Gallen. Etwas weniger als die Hälfte nimmt das Smartphone regelmässig zum Vergleich von Preisen zur Hand. Für Transaktionen wie Einkäufe von Produkten oder das Buchen von Dienstleistungen wird es deutlich seltener genutzt. Aber es sind doch immerhin mehr als 15 Prozent der Befragten, die mehrmals pro Monat per Smartphone im Internet einkaufen. Nur ein sehr kleiner Teil der Befragten zahlt hingegen aktuell mit mobilen Diensten wie Twint, Paymit oder Apple Pay. Dabei sind Bezahlungen am Point of Sale noch weiter verbreitet als Peer-to-Peer-Zahlungen. «Unabhängig vom konkreten Anbieter liefert die Studie Hinweise, dass 20 Prozent der Smartphone-Nutzenden mit ihrem Gerät an der Kasse bezahlen würden», sagt Wozniak. Weiterhin scheint das Smartphone für viele jedoch nicht das Kommunikationsmittel der Wahl zu sein, um Erfahrungen mit Unternehmen zu teilen sowie Produkte oder Dienstleistungen zu bewerten. 20 Prozent nutzen es immerhin regelmässig, um im Internet nach Lösungen für ein Problem mit einem Produkt oder nach Antworten bezüglich einer bestimmten Dienstleistung zu suchen. Im hinteren Teil der Customer Journey liegt damit noch grosses Potenzial, beispielsweise für Service und Customer Support. «Neu gewinnen in dieser Phase der Customer Journey chatbasierte Messenger Applikationen wie WhatsApp zunehmend an Bedeutung. Sie sind besonders attraktiv, weil sie den Aufbau einer direkten, bilateralen Beziehung zu Kunden ermöglichen. Damit verstärken sie die Bindung zwischen Unternehmen und Kunden», so Katarina Stanoevska-Slabeva. Individualisierung versus Privatsphäre-Bedenken Die Unternehmensbefragung im Frühjahr 2016 der Hochschule Luzern und der Universität St.Gallen hat gezeigt, dass Firmen ihre Inhalte und Botschaften noch zu wenig auf die einzelne Kundin, den einzelnen Kunden zuschneiden. Dazu brauchen die Firmen mehr Informationen über ihre Kundschaft, wobei sie erkannt haben, dass die Bedenken der Konsumentinnen und Konsumenten bezüglich des Datenschutzes ein Hindernis für individualisiertes Mobile Marketing darstellen. Die Befragung der Smartphone-Nutzenden bestätigt nun, dass diese überwiegend zurückhaltend eingestellt sind, wenn es darum geht, persönliche Daten wie den aktuellen Standort via Smartphone für Unternehmen freizugeben. 81 Prozent der Befragten haben demnach Bedenken, dass ihre Daten und damit ihre Privatsphäre zu wenig geschützt sind. Trotzdem würden knapp 20 Prozent soziodemographische Angaben machen, damit Firmen Informationen, Angebote oder Rabatte individueller gestalten können. 17 Prozent würden für ein zielgerichteteres Angebot auch ihren aktuellen Standort freigeben. Weniger beliebt ist das Tracking von Nutzungsverhalten in Apps und auf Websites sowie des aktuellen Standorts im Hintergrund. Ist aufgrund der grossen Zurückhaltung der Befragten, persönliche Daten preiszugeben, individualisiertes Mobile Marketing also kaum möglich? «Doch. Denn die Forschung zeigt, dass viele Nutzer trotz ihrer Bedenken bezüglich des Datenschutzes persönliche Informationen weitergeben, wenn sie dafür einen Mehrwert erhalten. Einstellung und konkretes Handeln driften auseinander», sagt Wozniak. Unternehmen sind gemäss dem Forschungsteam trotzdem gut beraten, die Bedenken ernst zu nehmen, beispielsweise indem sie klar und transparent kommunizieren, für welchen Zweck welche Daten gebraucht werden und worin der Mehrwert der Datenfreigabe für die Nutzerinnen und Nutzer besteht. Mobile als Treiber von Innovation Die Studie über die digitalen Beziehungen von Smartphone-Nutzerinnen und -Nutzern und Unternehmen ist Teil des Projekts «Mobile als Innovator in Marketing und Vertrieb». Ziel der Hochschule Luzern (Institut für Kommunikation und Marketing IKM sowie Institut für Tourismuswirtschaft ITW) und der Universität St.Gallen (Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement) ist es, eine Toolbox zu entwickeln, die Unternehmen und Agenturen dabei unterstützt, den mobilen Kanal effektiv in Marketing und Vertrieb einzusetzen. Dafür haben die beiden Institutionen in einem ersten Schritt untersucht, welche Bedeutung das mobile Marketing bei Schweizer Unternehmen überhaupt hat. Eine Erkenntnis daraus: Sie setzen noch zu wenig auf individualisierte Inhalte. Das Projekt wird von verschiedenen Partnern mitgetragen (Digitalagentur Aperto Schweiz, Swisscom, Magazine zum Globus, Schweizerische Post und Raiffeisen Schweiz) sowie von der Kommission für Technologie und Innovation KTI des Bundes gefördert. Weitere Informationen: www.hslu.ch/projekt-mobile-marketing.
|