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Armut in der Schweiz
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Armut Schweiz Sozialhilfe
Einkommen und Lebensbedingungen (SILC) 2019 2021
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SILC 2019 - Erhebung über die Einkommen und die Lebensbedingungen in der Schweiz

Armut in der Schweiz hat 2019 weiter zugenommen

Im Jahr 2019 waren 8,7% der Bevölkerung oder rund 735 000 Personen in der Schweiz von Einkommensarmut betroffen. Nach einer kurzen Pause im Vorjahr setzt sich damit der steigende Trend der letzten Jahre fort. 12,2% gaben an, dass sie Schwierigkeiten hatten, finanziell über die Runden zu kommen. Der allgemeine Lebensstandard in der Schweiz gehört jedoch nach wie vor zu den höchsten in Europa. Dies sind einige Ergebnisse der Erhebung über die Einkommen und Lebensbedingungen (SILC) des Bundesamtes für Statistik (BFS). Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemiesind in diesen Daten noch nicht enthalten.

In der Schweiz waren 2019 8,7% der Bevölkerung einkommensarm. Die Armutsquote erreichte damit den höchsten Wert seit 2014 (6,7%). In der gleichen Zeit ging das verfügbare Äquivalenzeinkommen der untersten Einkommensgruppe zurück. Die 10% der Bevölkerung mit den niedrigsten Einkommen hatten 2019 ein verfügbares Äquivalenzeinkommen unter 25 868 Franken (2014: 27 252 Franken). Das Medianeinkommen blieb hingegen stabil bei rund 50 000 Franken.

Die Armutsquote der erwerbstätigen Bevölkerung lag 2019 bei 4,2%. Rund 155 000 Personen erzielten trotz Erwerbsarbeit kein Einkommen über der Armutsgrenze. Die Armutsgrenze wird von den Richtlinien der Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) abgeleitet und betrug durchschnittlich 2279 Franken im Monat für eine Einzelperson und 3976 Franken für zwei Erwachsene mit zwei Kindern.

Jede fünfte Person in der Schweiz kann keine unvorhergesehene Ausgabe tätigen

12,2% der Bevölkerung hatten 2019 gemäss ihrer eigenen Einschätzung Schwierigkeiten, finanziell über die Runden zu kommen. 20,7% waren nicht in der Lage, innerhalb eines Monats eine unerwartete Ausgabe von 2500 Franken zu tätigen und 15,1% hatten mindestens einen Zahlungsrückstand (inkl. Rückständen bei Steuern oder Krankenkassenprämien).

Wie in den Vorjahren waren ausländische Personen, Personen in Einelternhaushalten, Personen ohne nachobligatorische Ausbildung und Personen in Haushalten ohne Arbeitsmarktteilnahme besonders häufig von Einkommensarmut und finanziellen Schwierigkeiten betroffen.

Personen ab 65 Jahren sind häufiger einkommensarm als die Bevölkerung im Erwerbsalter. Sie sind jedoch deutlich zufriedener mit der finanziellen Situation des Haushaltes und haben seltener Schwierigkeiten, finanziell über die Runden zu kommen. Ein beträchtlicher Teil der älteren Personen kann auf finanzielle Reserven zurückgreifen, um ihren täglichen Bedarf zu finanzieren. Diese Reserven werden bei der Berechnung der Armutsquote (Einkommensarmut) nicht berücksichtigt.

Lebensstandard bleibt im europäischen Vergleich hoch

Um die Armut in der Schweiz mit anderen Ländern zu vergleichen, wird die international gebräuchliche Armutsgefährdungsquote verwendet. Diese lag 2019 mit 16,0% nach wie vor unter dem Durchschnitt der Europäischen Union (EU) von 16,8%. Die Armutsgefährdungsquoten unserer Nachbarstaaten betrugen 20,1% (Italien), 14,8% (Deutschland), 13,6% (Frankreich) und 13,3% (Österreich). Die Armutsgefährdungsgrenze hängt vom Lebensstandard des jeweiligen Landes ab und betrug im Jahr 2019 in der Schweiz rund 2500 Franken pro Monat für eine Einzelperson.

Der Lebensstandard wird anhand des medianen verfügbaren Äquivalenzeinkommens (nach Transfers) gemessen, wobei die Preisniveauunterschiede zwischen den Ländern korrigiert werden.
In der Schweiz war dieses Einkommen 2,8-mal so hoch wie in Griechenland, 1,6-mal so hoch wie
in Italien, 1,3-mal so hoch wie in Frankreich und 1,2-mal so hoch wie in Deutschland und Österreich. Trotz des hohen Preisniveaus in der Schweiz war der Lebensstandard der Bevölkerung also höher als in den Nachbarstaaten und der Mehrheit der EU-Länder.

Vergleichsweise geringe Ungleichheit der Einkommensverteilung

Im Jahr 2019 lag die Einkommensungleichheit in der Schweiz unter dem europäischen Durchschnitt: Das verfügbare Einkommen des einkommensstärksten Fünftels der Bevölkerung war 4,8-mal so hoch wie jenes des einkommensschwächsten Fünftels (Quintilverhältnis S80/S20). Je höher diese Zahl ist, desto ungleicher ist die Einkommensverteilung in einem Land. In Europa variierte der Indikator 2019 zwischen 3,3 (Tschechien und Slowakei) und 8,4 (Türkei) und betrug durchschnittlich 5,1.

Die staatliche Umverteilung in Form von staatlichen oder staatlich geregelten Transfers trug massgeblich zur Reduktion der Einkommensungleichheit in der Schweiz bei: Das Quintilverhältnis der Einkommen nach staatlichen Transfers war rund zehnmal tiefer als jenes der Einkommen vor Umverteilung. Transferleistungen umfassen primär Renten und Sozialleistungen, Transferausgaben vor allem Sozialversicherungsbeiträge, Steuern und Krankenkassenprämien sowie Alimente.

Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Armut in der Schweiz

Anhand der Armutsstatistik des BFS sind noch keine Aussagen zu den möglichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die finanzielle Armut in der Schweiz möglich. Gemäss experimentellen Auswertungen des BFS ging die wahrgenommene Arbeitsplatzsicherheit in der ersten Hälfte 2020 zurück, während das Vertrauen in das politische System zunahm. Ansonsten blieb die subjektive Bewertung der Lebensbedingungen in der Schweiz stabil. Mehr Informationen: https://www.experimental.bfs.admin.ch/expstat/de/home/innovative-methoden/silc.html

Hinweise auf die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Entwicklung der Sozialhilfe gibt zudem das Monitoring der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe: https://skos.ch/themen/sozialhilfe-und-corona/monitoring-fallzahlen. Zu Beginn der Pandemie war gesamtschweizerisch ein leichter Anstieg der Fallzahlen in der Sozialhilfe bemerkbar. Ende Dezember 2020 lagen die Fallzahlen auf dem Niveau des Durchschnittsmonats 2019.

Die Erhebung über die Einkommen und die Lebensbedingungen (SILC)

Die Erhebung SILC (Statistics on Income and Living Conditions) ist eine europaweit koordinierte Erhebung, die jedes Jahr in über 30 Ländern durchgeführt wird. Ziel der Erhebung ist die Untersuchung der Einkommensverteilung, der Armut, der sozialen Ausgrenzung und der Lebensbedingungen anhand von europaweit vergleichbaren Indikatoren. In der Schweiz basiert die Erhebung auf einer Stichprobe von rund 7500 Haushalten mit über 16 000 Personen, die mit einem Zufallsverfahren aus dem Stichprobenrahmen für Personen- und Haushaltserhebungen (SRPH) des BFS gezogen werden. Grundgesamtheit ist die ständige Wohnbevölkerung in Privathaushalten. Die an der Erhebung teilnehmenden Personen werden während vier aufeinanderfolgenden Jahren befragt. Auf diese Weise können wesentliche Veränderungen der Lebensverhältnisse einzelner Personen beschrieben und die Entwicklung der Lebensbedingungen untersucht werden.
www.silc.bfs.admin.ch

Quelle: Text Bundesamt für Statistik BFS, 18. Februar 2021

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Definitionen

Finanzielle Armut kann nach zwei Ansätzen definiert werden: dem absoluten und dem relativen Ansatz. In beiden Konzepten wird jeweils ausschliesslich die Einkommenssituation betrachtet, ohne allfällige Vermögenswerte (Einkommensarmut).

Die Armutsquotebasiert auf einer «absoluten» Grenze: Als arm gelten demnach Personen, die nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um die für ein gesellschaftlich integriertes Leben notwendigen Güter und Dienstleistungen zu erwerben. Die verwendete Armutsgrenze leitet sich von den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) ab. Sie setzt sich zusammen aus dem Grundbedarf für den Lebensunterhalt, den individuellen Wohnkosten sowie monatlich 100 Franken pro Person ab 16 Jahren im Haushalt für weitere Auslagen.

Die Armutsgefährdungsquote basiert auf einer «relativen» Grenze: Als armutsgefährdet gelten Personen mit einem Einkommen, das deutlich unter dem üblichen Einkommensniveau im betreffenden Land liegt. Armut wird somit als eine Form der Ungleichheit betrachtet. Vereinbarungsgemäss setzt die Europäische Union die Armutsgefährdungsgrenze bei 60% des medianen verfügbaren Äquivalenzeinkommens an.

Als Erwerbstätige gelten hier alle Personen ab 18 Jahren, die während des Kalenderjahres vor dem Interview (= Referenzperiode der Einkommen in SILC) mehrheitlich, d.h. in mehr als der Hälfte aller Monate, angestellt oder selbstständig erwerbend waren. Dabei werden sowohl Vollzeit- als auch Teilzeit-Tätigkeiten berücksichtigt.

Der Median oder Zentralwert teilt die nach Grösse geordneten Beobachtungswerte in zwei gleich grosse Hälften. Die eine Hälfte der Werte liegt über, die andere unter dem Median.

Das Bruttohaushaltseinkommen fasst alle Einkommen sämtlicher Mitglieder eines Privathaushalts zusammen. Dazu gehören die Einkommen aus unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, Renten und Sozialtransfers, Vermögenserträge, Unterhaltszahlungen sowie andere regelmässige Transfereinkommen von anderen Haushalten. Die in der Befragung SILC 2019 erhobenen Einkommensdaten beziehen sich auf das Jahr 2018.

Das verfügbare Haushaltseinkommen wird berechnet, indem vom Bruttoeinkommen die obligatorischen Ausgaben abgezogen werden. Dazu gehören Sozialversicherungsbeiträge, Steuern, Krankenkassenprämien für die Grundversicherung, bezahlte Alimente und andere regelmässig zu leistende Unterhaltsbeiträge.

Das verfügbare Äquivalenzeinkommen wird anhand des verfügbaren Haushaltseinkommens berechnet, indem durch die Anwendung einer Äquivalenzskala die Grösse und Zusammensetzung der Haushalte berücksichtigt wird: Die älteste Person wird mit 1,0 gewichtet, jede weitere Person ab 14 Jahren mit 0,5 und jedes Kind unter 14 Jahren mit 0,3. Damit wird den Einsparungen Rechnung getragen, die sich aus dem gemeinsamen Wirtschaften eines Haushalts mit mehreren Personen ergeben.

Für europäische Vergleiche wird das verfügbare Äquivalenzeinkommen mittels Kaufkraftstandard (KKS) ausgedrückt. Der KKS ist eine künstliche Währungseinheit, die die von Land zu Land unterschiedlichen Preisniveaus bereinigt. Mit einem KKS kann in jedem Land die gleiche Menge an Waren und Dienstleistungen erworben werden, was den Vergleich wirtschaftlicher Indikatoren verschiedener Länder ermöglicht.

Das Quintilverhältnis S80/S20 setzt das Äquivalenzeinkommen der einkommensstärksten 20% der Bevölkerung in Beziehung zu jenen der einkommensschwächsten 20%. Je mehr dieser Quotient von 1 abweicht, desto ungleicher sind die Einkommen zwischen diesen Bevölkerungsgruppen verteilt. Ein Wert von 4,0 beispielsweise sagt aus, dass die Einkommen der einkommensstärksten Personen zusammengenommen viermal so hoch sind wie jene der einkommensschwächsten Personen. Dazu ist anzumerken, dass die «ultrareichen» Haushalte im Gegensatz zu den sehr reichen Haushalten in den Stichprobenerhebungen nicht berücksichtigt werden. Die höchsten jährlichen Einkommen der Haushalte, die von SILC erhoben werden, belaufen sich auf einige Millionen Franken.

Quelle: Text Bundesamt für Statistik BFS, 18. Februar 2021

Entbehrung «unerwartete Ausgabe»: Nicht in der Lage sein, eine unerwartete Ausgabe in der Höhe jenes Betrages zu tätigen, der ungefähr einem Zwölftel der Armutsgefährdungsschwelle (60%) für Einpersonenhaushalte entspricht (in der Schweiz: 2500 Franken innerhalb eines Monats).

Entbehrung «Ferien ausser Haus»:
Nicht in der Lage sein, eine Woche Ferien pro Jahr ausser Haus zu finanzieren.

Diese Fragen zur Entbehrung werden nur einem Haushaltsmitglied gestellt; die Antworten werden für sämtliche Haushaltsmitglieder übernommen. Sie sind Bestandteil der Fragen zur materiellen Entbehrung.

Bruttoeinkommen: Das Bruttohaushaltseinkommen fasst alle Einkommen sämtlicher Mitglieder eines Privathaushalts zusammen (Einkommen aus unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, Renten und Sozialtransfers, Vermögenserträge usw.). Um den finanziellen Vorteil von selbst genutztem Wohneigentum oder eines Mietzinses unter dem marktüblichen Preis Rechnung zu tragen, wird bei den in der Schweiz veröffentlichten Indikatoren zum Bruttoeinkommen der betreffenden Haushalte eine «fiktive Miete» addiert. Die fiktive Miete entspricht dem Nutzungswert des Objekts nach Abzug der effektiven Wohnkosten. Die fiktive Miete wird nicht in allen Ländern berechnet. Sie wird bei europäischen Vergleichen zum verfügbaren Äquivalenzeinkommen nicht berücksichtigt. Die in der Befragung SILC 2016 erhobenen Einkommensdaten beziehen sich auf das Jahr 2015.

Verfügbares Einkommen: Das verfügbare Einkommen wird berechnet, indem vom Bruttoeinkommen die obligatorischen Ausgaben abgezogen werden. Dazu gehören Sozialversicherungsbeiträge, Steuern, Krankenkassenprämien für die Grundversicherung, bezahlte Alimente und andere zu leistende Unterhaltsbeiträge.

Verfügbares Äquivalenzeinkommen: Das verfügbare Äquivalenzeinkommen wird ausgehend vom verfügbaren Haushaltseinkommen unter Einbezug der Haushaltsgrösse mittels Äquivalenzskala berechnet. Um die Skaleneffekte zu berücksichtigen (eine vierköpfige Familie muss nicht vier Mal so viel ausgeben wie eine Einzelperson, um denselben Lebensstandard zu erreichen), werden die Personen im Haushalt gewichtet: Die älteste Person mit 1,0, jede weitere Person ab 14 Jahren mit 0,5 und jedes Kind unter 14 Jahren mit 0,3 (Werte entsprechen der neuen OECD-Äquivalenzskala). Die äquivalente Haushaltsgrösse entspricht der Summe der Personengewichte. Für europäische Vergleiche wird das verfügbare Äquivalenzeinkommen mittels Kaufkraftstandard (KKS) ausgedrückt. Der KKS ist eine Währungseinheit, die die von Land zu Land unterschiedlichen Preisniveaus bereinigt. Mit einem KKS kann in jedem Land die gleiche Menge an Waren und Dienstleistungen erworben werden, was den Vergleich wirtschaftlicher Indikatoren verschiedener Länder ermöglicht.

Armutsgefährdung: Als armutsgefährdet gelten Personen in Haushalten mit einem Einkommen (ohne Vermögen), das deutlich unter dem üblichen Einkommensniveau im betreffenden Land liegt. Armut wird somit als eine Form der Ungleichheit betrachtet: Die Europäische Union setzt die Armutsgefährdungsschwelle bei 60 Prozent des verfügbaren Medianäquivalenzeinkommens an. Das BFS veröffentlicht zudem die Ergebnisse zur absoluten Armut, die anhand der auf einem sozialen Existenzminimum basierenden Armutsgrenze (Sozialhilfenormen) gemessen wird. Detaillierte Ergebnisse dazu werden im Frühling 2018 publiziert.

Dauerhafte Armutsgefährdung: Als dauerhaft armutsgefährdet gelten Personen, die während mindestens drei von vier Jahren, einschliesslich im letzten Jahr, von Armutsgefährdung betroffen sind. Als Grundlage zur Berechnung der dauerhaften Armutsgefährdung dient die Erhebung SILC, bei der die gleichen Personen während vier Jahren befragt werden.

Quelle: Text Bundesamt für Statistik BFS, November 2017
Erwerbsarmut - "Working Poor" Weitere Definitionen für statistische Angaben
EU Bevölkerung und soziale Sicherheit
Bevölkerungsentwicklung 2014 Alterung und Armut 2015
Materieller Wohlstand von Haushalten in der 2016
Europäischen Union 2015
Armut oder sozialer Ausgrenzung in der EU 2018
Ungleichheit bei der Einkommens- und Vermögensverteilung

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