Lange Zeit war dieses Gebiet und seine Geschichte nur durch die Berichte der Bibel und die ungenauen Schilderungen der Autoren der Antike bekannt. Erst als Mitte des 19. Jahrhunderts archäologische Funde gemacht wurden und später dann auch die babylonische Schrift entziffert wurde, kam Licht in das Dunkel der Geschichte.
Um 1760 v.Chr. sind wohl die nordwestiranischen Churriter nach Assyrien und Nordmesopotamien vorgestossen, die hier und später auch inSyrien und Palästina churritische Staaten bildeten. Für etwa 1640 v.Chr. lassen hethitische Berichte auf die Existenz eines auch auf Ostkleinasien übergreifenden Churriterreichs in Mesopotamien schliessen. Vermutlich in dieser Zeit, sicher aber vor 1500 v.Chr., rissen in den meisten Churriterstaaten aus Iran nachstossende arische Adelsgruppen die Führung an sich. Diese
Arier, die sich wahrscheinlich im Aralseegebiet von den späteren Indern
gelöst hatten, vermachten den Völkern im Vorderen Orient Lehn-
und Fremdwörter aus dem Bereich der Pferdezucht und des Wagenbaus,
so dass angenommen werden kann, dass der von Pferden gezogene schnelle
Streitwagen mit leichten Speichenrädern von diesen Ariern nach Vorderasien
gebracht wurde. Aufgrund
der grossen Beweglichkeit der Streitwagen konnten die kleinen arischen
Kriegergruppen
die zahlenmässig weit überlegenen Truppen der vorderasiatischen
Völker recht schnell in die Knie zwingen. Die Unterlegenen machten
sich die neue Kampfweise schnell zu eigen, bedurften dazu aber arischer
Lehrmeister.
Die erste arische Reichsgründung ist das Reich Mitanni oder Maitani in Mesopotamien (etwa 1530-1350 v.Chr.). Seine Hauptstadt trug den arischen Namen Wassukkanni und konnte bisher noch nicht gefunden werden. Dafür geben Funde in zwei Provinzstädten, dem nahe der Westgrenze gelegenen nordsyrischen Alalach und dem osttigridischen Nuzi bei Kerkuk (damals Arrapcha), Aufschluss darüber, dass man in beiden Städten in Keilschrift schrieb und zwar ein etwas mangelhaftes Akkadisch, das mit vielen churritischen und einigen arischen Wörtern und Wendungen durchsetzt war. Ansonsten ist über das Mitannireich nur sehr wenig bekannt. Es wird nur davon berichtet, dass sich hier einige benachbarte Völker trafen, die aus verschiedenartigen Gründen in dieses Land kamen und, dass man mit den ägyptern des öfteren in kriegerischen Auseinandersetzungen war und später dann in deren Abhängigkeit geriet. Ägypten war zu dieser Zeit eindeutig die Vormacht des Orient und wurde auch weiterhin als primus inter pares6 anerkannt. Die anderen Grossmächte waren Babylonien und Mitanni, die sich vergeblich dem Aufstieg Assyriens und des Hethiterreiches widersetzten. Schon 1595 v.Chr. konnten sich die Hethiter nach einem Raubzug in Babylonien festsetzen. Die folgenden Jahrzehnte liegen leider noch völlig im Dunkeln der Geschichte. Jüngeren Überlieferungen zufolge wurde die von den Hethitern aus Babylon entführte Statue des Gottes Marduk nach 24 Jahren wieder zurückgeschickt, vermutlich gegen eine vom Kassitenkönig angebotene Kompensation. Das Interesse der Kassiten an dem Gottesbild ist ein Zeichen dafür, dass ihre Könige schnell lernten, sich als Babylonier zu fühlen. Dieser Umstand machte es dann zu einem Leichten, ganz Babylonien durch Intrigen und kleinere Kriege ganz in hethitische Hand zu führen. Neben den genannten Grossstaaten existierten vor allem im Raum Syrien-Palästina Klein- und Kleinststaaten, die zum Teil heftig in der grossen Politik mitmischten. Im
Raum dieser Kultur vollzog sich seit etwa 1700 v.Chr. der Übergang
von den gemischten Wort-Silben-Schriften der Ägypter, Babylonier und
Kreter zur Buchstabenschrift. Zunächst traten über hundert meist
noch bildhafte Silbenzeichen auf . Vermutlich vereinfachten um 1400 v.Chr. die Phönizier diese Schrift zur phönikischen Konsonantenschrift.
Etwa zur gleichen Zeit entstand auch das Keilschriftalphabet von Ugarit,
dessen 30 Zeichen teilweise die gleiche Grundform haben. Seltsamerweise
blieben die ägypter, Babylonier und Hethiter bei ihren alten Schriftsystemen
mit den hunderten von Zeichen.
Um 1460 v.Chr. eroberten die Kassiten das ihnen noch fehlende Gebiet Babyloniens. Von diesem Zeitpunkt an bildete ganz Babylonien nur noch eine grosse politische Einheit, ein Zustand, der auch unter berühmteren Herrschern nur selten erreicht wurde. Tatsächlich haben unter der kassitischen Oberherrschaft offenbar auch die alten separatistischen Bestrebungen der sumerischen Stadtstaaten nachgelassen, ein Erfolg, der gewiss nicht zuletzt auf das Konto der Aufmerksamkeit ging, die die spätkassitischen Monarchen diesen alten Zentren entgegenbrachten. Die Kassiter zeichneten sich einerseits durch die guten Beziehungen zu Ägypten und andererseits durch ihre enorme Bautätigkeit aus. Die Beziehungen zu Ägypten zeigen, welchen Stellenwert die Kassiter inzwischen auf dem politischen Parkett jener Zeit hatten. Dies ist durch zahlreiche Briefe und Geschenke belegt. Um 1415 v.Chr. hatte sich ein regelmässiger Kurierdienst zwischen Ägypten und Babylonien etabliert, und babylonische Karawanen zogen weit nach Syrien, Ägypten und Anatolien hinein. In dem verworrenen Gespinst internationaler Diplomatie spielte Ägypten zunächst die grössere militärische Rolle, die Sprache der Diplomaten allerdings stellte Babylon. Die Kassiter machten auch erfolgreiche Innenpolitik. In den alten sumerischen Städten gelangten in dieser Zeit umfassende Bauprogramme zur Ausführung. In Uruk z.B. liess Karaindasch einen neuen Tempel für Innin (auch Innana oder Ischtar) errichten. Um 1390 v.Chr. erhielt Babylon grosse Mengen an Gold, das damals Silber als Zahlungsmittel vorübergehend abgelöst hatte, aus Ägypten. Mit Hilfe dieses Goldes entwarf der kassitische König Kurigalzu ein ehrgeiziges Bauprogramm für eine ganze Reihe von sumerischen Städten, wie Ur, Erindu und Uruk. Dennoch blieben Neubauten in Sumer selten. Die Kassiter konzentrierten sich eher auf den Wiederaufbau von verfallenen Bauwerken. Mit dieser Politik gelang es den Kassitern, die Sumerer in den neuen Staat einzugliedern. Grosse Teile des Goldes flossen auch in die
Errichtung einer neuen befestigten Stadt, Dur-Kurigalzu, an der Peripherie
des heutigen Bagdad gelegen. Immerwieder wurde angenommen, dass diese Gründung
als neue Hauptstadt dienen sollte, aber aus zeitgenössischen Dokumenten
geht eindeutig hervor, dass Babylon auch für die Kassiten die Metropole
des Landes blieb und das bedeutendste Zentrum für Religion, Politik
und Handel: an Babylon hing die Königswürde.
Gegen Ende des 14. Jahrhunderts v.Chr. erscheint auch Ägypten wieder auf der Bildfläche der vorderasiatischen Politik. Ein unglaubliches Ereignis für die Alte Welt: das stolze Ägypten, welches weder Prinzessinnen ins Ausland verheiratete, noch einen fremden Prinzen einheiraten liess, bat um einen hethitischen Königssohn. Die Hethiter misstrauten natürlich diesem Angebot und fragten nochmals nach. Nach der Wiederholung der ägyptischen Bitte wurde dann tatsächlich ein hethitischer Prinz nach Ägypten geschickt. Seine Ermordung in Ägypten löste eine fast hundertjährige Feindschaft zwischen beiden Staaten aus. Um 1300 v.Chr. trafen dann sogar ägyptische Truppen unter Ramses II. auf die Hethiter. Diese Schlacht bei Qadesch am Orontes in Syrien war ein strategischer Sieg für die Hethiter. Zu jener Zeit nahmen die Hethiter wieder freunschaftliche Beziehungen zu den Kassiten auf, was mit der Besorgnis zu erklären ist, mit der diese beiden Königreiche die zunehmende Macht, der vom Joch der Mitanni befreiten Assyrer beobachteten. Glanz und Niederlage der Reiche lagen in diesen Zeiten nah beieinander: schon um 1200 v.Chr. wurde das hethitische Grossreich Opfer einer grossen Völkerwanderung. Die sogenannten Seevölker machten nach Kleinasien, das sie noch mit Ochsenkarren durchzogen hatten, die küstennahen Gebiete des Mittelmeeres unsicher. Die letzten kleineren hethitischen Fürstentümer erlagen den Assyrern. Im 8. und 9. Jahrhundert v.Chr. gingen die Hethiter in neuen Völkern auf. Teile der Seevölker siedelten an den ägyptischen Grenzen und waren als Söldner tätig, während eine andere Gruppe, die Peleseten, in Südkanaan, in der Gegend von Gaza, lebte. Von dieser Gruppe, die später den Namen Philister erhielt, hat das Gebiet seinen Namen: Palästina.
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