Die
Ereignisse des 11. Jahrhunderts v.Chr. liegen noch ziemlich im Dunkeln,
da die archäologischen Funde sehr lückenhaft sind. Doch sobald
es wieder Zeugnisse gibt, zeigt sich, dass sich die politische Landkarte
des Nahen Ostens stark verändert hat. Die früheren Grossmächte Ägypten,
Babylonien und Assyrien sind erheblich geschwächt, das Hethiterreich von der politische Bühne völlig verschwunden. Die nomadischen Aramäer siedelten in Syrien und entlang des Euphrat.
Im 10. Jahrhundert v.Chr. erstreckten sich ihre Königreiche sogar bis auf assyrisches Territotium. Das Königreich Damaskus mit der gleichnamigen Oase als Mittelpunkt entwickelte zum grössten dieser Reiche. Die Assyrer waren das erste Volk, das den grössten Teil des Nahen Ostens in einem Reich vereinigte. Zwar hatten schon die Hethiter und Ägypter ihre Territorien weit ausgedehnt, aber die von ihnen unterworfenen Völker wurden dann von hethitischen bzw. ägyptischen Vasallen regiert. Demgegenüber entwarfen die Assyrer ein System der Provinzialregierung. Das assyrische Reich unterschied sich also von den früheren Reichen nicht nur durch seinen Umfang, sondern auch durch seine hoch organisierte Verwaltung. Das Kerngebiet Assyriens befand sich in Nordmessopotamien am Tigris. Hier hatten die Assyrer schon seit etwa 3000 v.Chr. in Assur, der Hauptstadt, und Ninive, der Stadt der Ischtar, Heiligtümer errichtet. Im ersten Jahrtausend seiner Geschichte wurde Assyrien, das an den bedeutendsten Handelsrouten nach Anatolien lag, von Sumer beherrscht.
Als
das hethitische Reich zusammengebrochen war und der Niedergang Ägyptens
begonnen hatte, füllte Assyrien das so entstandene politische Vakuum.
Es etablierte sich als Hegemonialmacht und gewann das Territorium zurück,
das einst an die Aramäer verloren gegangen war.
Im
9. Jahrhundert v.Chr. schob Assyrien seine Grenzen bis zum Euphrat
vor und machte die Königreiche in Nordsyrien zu Vasallenstaaten. Gegen
Ende der Regierungszeit von König Salmanassar III. (858-824 v.Chr.) wendete eine Revolution in Assyrien das Blatt. Sie ermöglichte dem
Königreich Urartu, das im Nordosten lag, seinen Einfluss auszudehnen
und die Handelsrouten im Osten unter seine Kontrolle zu bringen. Ebenso
unterwarf es sic die syrischen Vasallenstaaten, auf die Assyrien angewiesen
war, da es von dort seine Soldaten, Metalle und Pferde bezog.
Die erste Hälfte des 8. Jahrhunderts v.Chr. ist durch eine schwache Zentralregierung in Assyrien gekennzeichnet. Die Provinzgouverneure regierten praktisch als unabhängige Herrscher. Das änderte sich erst, als 745 v.Chr. Tiglatpilesar III. den Thron bestieg. Dieser König bereinigte die schon lange schwelende Grenzstreitigkeiten mit Babylonien, indem er Assyriens Position festigte und die Grenzen weiter nach Syrien verlegte. Danach eroberte er Babylon und wurde 729 v.Chr. König von Babylonien. Er unternahm auch einen Feldzug gegen das Königreich Urartu, konnte jedoch die Macht seines grossen Rivalen nicht brechen, das gelang erst Sargon II. (721-705 v.Chr.). Im Westen gewann Tiglatpilesar die syrischen Staaten zurück und unterstellte sie direkt der assyrischen Herrschaft. Wenig später nahm er Damaskus ebeno wie einige Randgebiete Israels. Unter
Sanherib (704-681 v.Chr.) drangen die Assyrer in Palästina ein, besiegten
die Küstenstädte, warfen die Ägypter zurück, überrannten
Juda und belagerten Jerusalem, das zwar nicht genommen, aber immerhin tributpflichtig
gemacht werden konnte. Als es wieder einmal Schwierigkeiten mit Babylonien gab, marschierte Sanherib nach Babylon, zerstörte es und baute Ninive
als Hauptstadt aus.
675 v.Chr. griff Assarhaddon (680-669 v.Chr.) Ägypten an, nahm Memphis ein und rief sich selbst zum König aus. Aber kaum dass er das Land verlassen hatte, gewann der reguläre Pharao die Macht wieder zurück. Schliesslich erreichte die Ausdehnung des assyrischen Reiches ihren Höhepunkt, als das Heer des Assurbanipal (668-627 v.Chr.) die ägyptische Stadt Theben nahm. Die Assyrer galten als kriegsliebend und eroberungssüchtig, wie es in der Bibel nachzulesen ist und was auch zahllose Reliefs mit Schlachtszenen belegen. Dieser Ruf begleitete sie nicht zu Unrecht: ihre Vasallen mussten Gehorsam schwören und Tribut zahlen, Rebellen wurden drakonisch bestraft, eroberte Städte wurden erbarmungslos geplündert und meist zerstört und ihre Einwohner in entlegene Gegenden des Reiches deportiert. Die Eintreibung von Steuern in den Provinzen sowie von Tributen in den Vasallenstaaten führte hin und wieder zu Aufständen, die erbarmungslos niedergeschlagen wurden. Doch die gewaltige Ausdehnung überspannte schliesslich die Kräfte Assyriens und zuletzt war das Land durch äusseren Druck und innere Spannungen so geschwächt, dass es dem Bündnis, das die babylonische Widerstandsbewegung unter Nabulpolassar (625-605 v.Chr.) mit den Medern geschlossen hatte, nicht mehr gewachsen war. Im Jahre 612 v.Chr. unterlag Ninive den vereinten Kräften der Babylonier und Meder. Nach der endgültigen Niederlage Assyriens im Jahre 609 v.Chr. wurde Babylon wieder zur grössten Stadt Mesopotamiens. Der erste König der neuen Dynastie war Nabulpolassar selbst. Er war ein chaldäischer Scheich, der sich des babylonischen Throns bemächtigt hatte. Unter dieser Dynastie wurde Babylon das Zentrum eines Reiches, das sich bis zu den Grenzen Ägyptens erstreckte. Dem Nachfolger Nabulpolassars, Nebukadnezar II. (604-562 v.Chr.) gelang es innerhalb weniger Jahre, Assyrien zu besiegen und sich der Länder von Mesopotamien bis zum Mittelmeer zu bemächtigen.
Im Jahre
597 v.Chr. eroberte Nebukadnezar
II. Jerusalem und zwang König Jojakim und den grössten
Teil der jüdischen Aristokratie ins Exil. Diese Politik der Deportation war im alten Orient allgemein üblich, konnte man doch dadurch die Führer der eroberten Völker im Auge behalten. Die neuen Provinzen wurden durch babylonische Gouverneure regiert, obwohl einige von ihnen in der Obhut lokaler Herrscher belassen wurden, auf deren Loyalität sich Babylon verlassen konnte. Die Verwaltungskosten in den Provinzen wurden durch lokale Steuern aufgebracht, und die Tempel mussten ein Zehntel ihres Einkommens aus den Tempelgütern dem König abliefern. Es ist gut möglich, dass der Widerstand der Tempelpriester gegen diese Steuer später die Ursache dafür war, dass sie König Kyros II. (539-530 v.Chr.) von Persien unterstützten, der Babylon im Jahre 539 v.Chr. ohne Kämpfe eroberte. Kyros entliess die von Nebukadnezar in die Gefangenschaft geführten Juden in ihre Heimat und erlaubte ihnen, ihre Tempel wieder aufzubauen. Das Reich der Perser reichte zu dieser Zeit schon fast bis zum Indus, im Westen inzwischen bis Palästina. Kambyses II. (529-522 v.Chr.) fügte im Jahre 525 v.Chr. dem Reich noch Ägypten hinzu.
Der grosse Organisator und Vollender des Reiches wurde Darius I. (521-486 v.Chr.). Er teilte das Reich in 20 Satrapien (Provinzen) ein und gewährte seinen Völkern im religiösen Bereich, obwohl frommer Anhänger Zarathustras, völlige Freiheit. Nachrichtenwesen und Verkehrswege baute er vorbildlich aus. Darius war von ganz anderem geistigen Zuschnitt als die sadistischen Rachekönige Assyriens.
Die Griechen der klassischen Zeit für die Perser nur Verachtung übrig.
Das so straff organisierte und einheitlich geführte Reich der Perser
erschien den politisch zersplitterten Individualisten als Barbarenstaat. Nachdem
die Perser mit der Eroberung von Thrakien, das grosse Teile des heutigen
Bulgariens und des Westens der Balkanhalbinsel umfasste, die von der Natur
gezogenen Grenzen der Alten Welt vergessen hatten und auch auf Südosteuropa
übergriffen, schien das Ende der griechischen Stadtstaaten gekommen
zu sein. Doch gegen alle Logik vermochten die zerstrittenen und um so vieles
schwächeren Griechen den persischen Angriffen zu widerstehen. Nach
empfindlichen Niederlagen verloren die Perser das Interesse an dieser Eroberung
und schlossen im Jahre 440 v.Chr. Frieden.
330
v.Chr. gelang es dann dem Makedonier Alexander das riesige Perserreich
in ein neues Weltreich einzugliedern. Damit war die Kraft der Alten Welt verbraucht. Die Weltgeschichte bestimmten von nun an andere Völker und das Schwergewicht politischen Geschehens verlagerte sich in andere Räume: die Küsten des Mittelmeeres und nach Europa.
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