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Sichere Navigation durch die Nordwestpassage 2016
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Sichere Navigation durch die Nordwestpassage

Die Nordwestpassage wird zunehmend schiffbar. Jedoch birgt der Schiffsverkehr dort enorme Risiken. Das möchte ein von Fraunhofer mitinitiiertes deutsch-kanadisches Forschungsteam ändern. Es leistet im Projekt PASSAGES die Vorarbeiten für eine sichere Navigation durch das eisige Gewässer.

Nachdem die Polkappen schmelzen, wird auch die Nordwestpassage immer länger befahrbar - ihre wirtschaftliche Erschliessung ist in greifbare Nähe gerückt. Selbst die Bundesregierung hat das Thema auf der Agenda. «Für ein exportabhängiges Land wie Deutschland sind kürzere Seewege von grosser Bedeutung», sagt Dr. Wolfgang Koch, Abteilungsleiter für Sensordaten- und Informationsfusion beim Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE. «Der Weg über die Nordwestpassage ist im Vergleich zur Route zwischen Ostasien und Europa über den Suezkanal rund 5'000 Seemeilen kürzer, was für Reeder eine enorme Ersparnis bedeutet», betont Koch. Doch bislang ist diese Route zu gefährlich: Es fehlen verlässliche Informationen über sie.

Das möchten Koch und ein deutsch-kanadisches Forschungsteam ändern. Sie leisten im Projekt PASSAGES (Protection and Advanced Surveillance System for the Artic: Green, Efficient, Secure) die Vorarbeiten für eine sichere Navigation durch das eisige Gewässer. Keine einfache Aufgabe, denn die Route ist nicht nur durch etliche Buchten, Inseln, nicht kartierte Untiefen und Engstellen anspruchsvoll, sondern auch durch Treibeis, extreme Wetterbedingungen sowie andere Schiffe, die mitunter keine oder - wie illegale Fischer - falsche Positionsmeldungen absetzen. Über all das muss das System zuverlässig informieren.

Datenquellen sinnvoll zusammenführen

Das Problem: Es liegen wenige Daten vor, denn es gibt keine Infrastruktur für Sensorik und Kommunikation. Die gesamte Route ist flächenmässig grösser als Westeuropa und an den Küsten dünn besiedelt. Doch selbst wenn es ausreichend Daten gäbe, müssten diese erst zu brauchbaren Informationen für Schiffsbesatzungen und andere Nutzer aufbereitet werden. All diese Schwierigkeiten nehmen die Forscher in Angriff, indem sie Konzepte entwickeln, mit welcher Technik wo welche Informationen gewonnen werden und wie diese zusammengeführt werden. »Die Schwierigkeit besteht darin, sehr heterogene und auch ungenaue Daten zusammenzuführen, um daraus z. B. Handlungsanweisungen für Kapitäne zu gewinnen, welche Route wann günstig ist«, erklärt Koch. Algorithmen für die Fusion von Sensordaten zu schreiben ist die Spezialität der FKIE-Forscher.

Vor allem muss es jedoch zunächst darum gehen, in der harschen Region Datenquellen zu erschliessen. Nutzen lassen sich jene des Automatic Identification Systems (AIS), über das Schiffe unter anderem ihre aktuelle Position mitteilen. Hinzu kommen Bilder von Satelliten, die aber lückenhaft sind. Selbst alte Sonar-Anlagen aus Zeiten des Kalten Krieges liessen sich wiederbeleben. Aber: Ein hochauflösendes Bild, durch das Kapitäne sicher durch das Gewässer gelotst werden könnten, entsteht so noch nicht. Koch hofft daher noch auf einen weiteren Datenlieferanten: das Passiv-Radar. Diese Technik nutzt den Elektrosmog von Mobilfunkstationen in Küstennähe. Empfangsstationen werten diesen aus und gewinnen so Informationen über Schiffe und Eisblöcke - ihre Grösse, Position und Geschwindigkeit. »Auf diese Weise können grosse Flächen überwacht werden«, sagt Koch. Angedacht sind auch unbemannte Vehikel, die unter und über Wasser Informationen sammeln.

Unterstützung aus Politik und Industrie

Auf der Basis der neu gewonnen Erkenntnisse und Ideen für ein solches System möchte Koch ein entsprechendes Überwachungs- und Informationssystem aufbauen: »Wir hoffen, dass sich an unser Forschungs- ein Entwicklungsprojekt anschliesst.« Unterstützt wird das Vorhaben vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BMWi und den Projektpartnern Airbus, exact Earth sowie der Dalhousie Universität in Halifax, Kanada.

Ein operationelles System wäre ein grosser Gewinn für Reedereien, für die Küstenwache und maritime Behörden. Auch Versicherer sind an den Daten interessiert. «Auf dieser Basis könnten sie Prämien für die zu versichernden Schiffe berechnen«, erklärt Koch. Nachdem durch eine sichere Navigation die knifflige Route beherrschbar würde, müssten Reeder weniger für den Versicherungsschutz ausgeben.

Bis das Navigationssystem startklar ist, dürfte noch mindestens eine Dekade vergehen. Jahre, in denen die Route immer eisfreier und für den Schiffsverkehr wirtschaftlich befahrbar werden wird. Dann wird sich zeigen, dass sich die wissenschaftliche Vorarbeit von heute gelohnt haben wird. Koch: »So dramatisch die globale Klimaerwärmung ist, wir versuchen, ihr wenigstens etwas Positives abzugewinnen.»

Quelle: Text Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE, November 2016
Die Nordwestpassage

Die Nordwestpassage ist ein etwa 5'780 Kilometer langer Seeweg, der nördlich des amerikanischen Kontinents den Atlantischen Ozean mit dem Pazifik verbindet. Roald Amundsen gelang in den Jahren 1903 bis 1906 als erstem die komplette seemännische Durchfahrt. Der erste Öltanker passierte den Seeweg im Jahr 1969 - doch bis dato gilt Schiffsverkehr durch das nördliche Eismeer als riskant und wenig wirtschaftlich.

Geographische Bedeutung

Statt über den Suezkanal Güter zu transportieren, was zwischen Europa und Asien rund 21'100 Kilometer sind, wäre die Abkürzung durch die Nordwestpassage nur 15'900 Kilometer lang. Ausserdem liesse sich die Gefahr durch Piraterie, etwa am Horn von Afrika, minimieren.

Folgen des Klimawandels

Nachdem der Eispanzer im Nordpolargebiet schmilzt, zeigt sich die Nordwestpassage in den letzten Jahren immer schiffbarer. Bereits im September 2007 zeigte die ESA Satellitenbilder, auf denen der kanadische Teil der Passage zum ersten Mal seit Beginn der Aufzeichnungen völlig eisfrei und damit schiffbar war.

Die Fraunhofer-Gesellschaft

Die Fraunhofer-Gesellschaft ist die führende OrganiStation für angewandte Forschung in Europa. Unter ihrem Dach arbeiten 67 Institute und Forschungseinrichtungen an Standorten in ganz Deutschland. 24'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bearbeiten das jährliche Forschungsvolumen von mehr als 2,1 Milliarden Euro. Davon fallen über 1,8 Milliarden Euro auf den Leistungsbereich Vertragsforschung. Über 70 Prozent dieses Leistungsbereichs erwirtschaftet die Fraunhofer-Gesellschaft mit Aufträgen aus der Industrie und mit öffentlich finanzierten Forschungsprojekten. Die internationale Zusammenarbeit wird durch Niederlassungen in Europa, Nord- und Südamerika sowie Asien gefördert.

Quelle: Text Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE 2016
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